Dix tut weh: Nicht immer, aber oft in der grandiosen Ausstellung im Ebinger Kunstmuseum mit 246 Zeichnungen und druckgrafischen Blättern. Zum ersten Mal ist der gesamte Bestand an Werken von Otto Dix zu sehen und zu bestaunen.
„Wir zeigen eine spektakuläre und einmalige Sammlung und unseren gesamten Bestand von Otto Dix, und zwar zum ersten Mal zum 50. Bestehen der Stadt und des Museums“, sagte Museumsleiter Kai Hohenfeld bei der gut besuchten Vernissage.
So manchem Betrachter stockt jedoch der Atem bei der Dix‘schen Auseinandersetzung mit dem Krieg in Grafiken und Bildern ob der drastischen Szenen. Viele Staaten schreien derzeit nach Aufrüstung. Wozu das führen kann? Schau nach bei Wilhelm Heinrich Otto Dix. Er zog einst aus Überzeugung in den Ersten Weltkrieg, aber prangerte anschließend das Grauen und die Sinnlosigkeit menschlicher Gewaltakte in vielen Grafiken und Zeichnungen an. Die Wirkung seiner Arbeiten ist oft expressiv, doch sie scheinen nie Selbstzweck zu sein, sondern Werkzeug des gesellschaftlichen und politischen Engagements.
Otto Dix moralisiert, kommt es einem vor. Aber genau das macht die Faszination seines Werks aus und erspart nichts von der grausamen Realität von Krieg und Gewalt und den Befindlichkeiten von Menschen am Rande der Gesellschaft.
Dazu passte ganz prima Musik aus der Dreigroschenoper mit Sängerin Ulrike Kristina Härter und Pianist Mciej Szyrner.
Doch Otto Dix wirft auch liebevolle Blicke auf das Menschsein. Und weil er sich in allen möglichen Stilen zuhause fühlt, könnte man beim Anblick der fast lebensgroßen Bleistiftzeichnung einer Mutter, die ihrem Kind das Laufen lehrt, fast an Käthe Kollwitz denken. Auch die Schwangere zieht Blicke auf sich und die riesigen Bleistiftzeichnungen mit biblischen Szenen und die heiteren Kinderporträts.
Kuratorin und stellvertretende Museumsleiterin Melanie Löckel gab mit Hilfe eines Beamers einen Überblick über diese fulminante Ausstellung, die zwei Teile hat – Alpha und Omega – und um die sich viele Veranstaltungen ranken.
Darauf machte Erster Bürgermeister Udo Hollauer besonders aufmerksam sowie auf den umfangreichen Katalog mit allen ausgestellten Werken von Dix, die einst der Kunstsammler, Industrielle und Politiker Walther Groz dem Museum schenkte. Löckel lenkte den Blick auf die Grafik „Leonie“ als Beispiel für die Verformungen und Überhöhungen von Dirnen-Porträts von Otto Dix sowie auf die drastischen Kriegs-Szenen sowie Beispiele menschlicher Verzweiflung wie die Grafik „Der Schrei“.
Die Vergangenheit von Alfred Hagenlocher im Fokus
Museumsleiter und Kurator Kai Hohenfeld hatte einen heiklen Part gewählt für seine Rede: die Vergangenheit von Alfred Hagenlochner, der als SS-Obersturmbannführer von der Nazi-Ideologie überzeugt war, dann aber nach dem Krieg eine wundersame Wandlung erfuhr zum Pseudo-Künstler, vor allem aber Berater und Ausstellungsmacher und sogar Gründungsleiter des Kunstmuseums. Dessen Biografie aufzuarbeiten, „dazu fühlt sich auch die Stadt verpflichtet“, unterstrich Hollauer.
Dieses Thema wird offenbar sorgfältig bearbeitet am Rande der Ausstellung, die mit den zwei Teilen bis 18. Januar 2026 zu sehen ist. Sorgfältig auch die Danksagungen von Kai Hohenfeld an die vielen Menschen, „darunter unser kleines, aber starkes Team“, die wochenlang mitgewirkt hätten, Otto Dix und die Sammlung wirkungsvoll in Szene zu setzen. So dankte Hohenfeld auch dem Raumpflegepersonal.
Farbexplosionen und schlichtes Schwarz-weiß
Die Besucher spürten derweil der Neuen Sachlichkeit nach mit aller Schärfe der realistischen, oft auch altmeisterlichen Gegenstandsbeschreibungen in Farbexplosionen oder schlichtem Schwarz-weiß des Otto Dix. Ein Künstler, der weh tut und der die Brüchigkeit der heilen Welt so unvergleichlich intensiv darstellt.