Etwas Neues bahnt sich im Musikverein Obertalheim an. Deutlich spürbar war das beim traditionellen Osterkonzert.
Der Musikverein Obertalheim (MVO) hatte für Sonntag wieder zu seinem traditionellen Osterkonzert eingeladen. Eigentlich schien alles wie immer. Die Halle war brechend voll mit erwartungsfrohen Gästen, die Stimmung gut, die Musikanten etwas nervös und am Ehrentisch saßen die Leute, die dort jedes Jahr sitzen.
Doch ließ man die Stimmung in der Halle etwas auf sich wirken, dann spürte man einen nahezu greifbaren Spirit im Raum, der in unsichtbaren Lettern einen Aufbruch ankündigte. Allein ein Blick auf die innovative Osterdekoration zeigte, dass hier etwas Neues seinen Anfang nahm.
„Auf zu neuen Ufern“ – so könnte man das diesjährige Osterkonzert des Musikvereins Obertalheim kurz und knapp zusammenfassen.
Feierte man im letzten Jahr das 50-jährige Bestehen des Musikvereins mit dem grandiosen Gemeinschaftskonzert „Das Steinachtal musiziert“ als Abschluss, so war dies auch zeitgleich der Startschuss für etwas Neues.
Große Besucherzahl
Der ehemalige Chefdirigent Thomas Teufel räumte seinen Platz am Dirigentenpult, die Vorstandschaft bildete sich bei der jüngsten Hauptversammlung neu, und mit Schwung und Swing startete man in eine neue Ära des Vereins. Dennis Hamm vom Vorstandsteam des Vereins freute sich über eine große Zahl von Besuchern, die er zu diesem Konzert begrüßen durfte, und gab nach einer kurzen Begrüßungsrede die Bühne frei für die Jugendkapelle, die unter Leitung von Timo Keppler aufspielte, als wären sie der Hauptakt des Abends. Wenn man die Augen schloss und sich nur auf die Töne, die Akkorde und den Sound konzentrierte, dann verschwamm das Attribut „Jugendkapelle“, völlig.
Nachwuchs trumpft auf
Der Nachwuchs des MVO nahm seine Zuhörer mit auf eine musikalische Reise in der Rhythmus, Groove und Begeisterung brillante Begleiter waren.
Gleich beim ersten Stück, der „A Trumpet Fanfare“ bewiesen die Jungs am hohen Blech, welch guten Ton sie schon spielen können. Doch nicht nur die Buben an den Trompeten überzeugten, nein, das Zusammenspiel aller Register war mehr als hörenswert. Wunderbare Melodiebögen, großartige Solis und die Kraft eines großen Orchesters im gemeinsamen Fortissimo begeisterten nicht nur die Eltern der Jungmusiker. Zum Schluss ihres Auftritts schoben sie gemeinsam einen verrückten Zug („Crazy Train“) aufs musikalische Gleis, dessen Fahrt das Publikum so mitriss, dass sie um eine Zugabe nicht herumkamen.
Timo Keppler, der gemeinsam mit Andre Bauer, der als Schlagzeuger aktiv war, verantwortlich für die Jugendkapelle ist, fiel nach diesem fulminanten Auftakt, für den es viel Applaus und Bravo-Rufe gab, hörbar ein Stein vom Herzen. Doch dann waren, nach einer kurzen Umbauphase, die Aktiven dran. Wer sich auf ein Konzert mit modern interpretierter und herausragend gespielter Blasmusik gefreut hatte, kam voll auf seine Kosten. Allein mit dem Eröffnungswerk „Encanto“ stellten die mehr als 60 Musikanten vom MVO Instrumentenbeherrschung, Dynamik und Musikverständnis unter Beweis.
Großer Orchestersound
Unter der sehr ruhigen, genauen und souveränen Stabführung des neuen Dirigenten Sven Bruckner zog die beeindruckende Präsenz und der große Klang des Oberstufenorchesters die Zuhörer schon nach den ersten Tönen in ihren Bann. Prägnantes Schlagwerk, sattes Blech, filigrane Flöten und Klarinetten und das Zusammenspiel aller Register boten eine Kostprobe des Könnens eines modern ausgerichteten Blasmusikorchesters.
Innovative Klangbilder
Wie weggeblasen das angestaubte Humbatäterä-Image vergangener Zeiten. Neue, innovative Klangbilder, in die auch gezielt Disharmonien hineingestreut werden, wie beim herausfordernden Stück „The Magic Mountain“, prägen den aktuellen Sound. Dazu kommen klug gesetzte Rhythmuswechsel, musikalische Sollbruchstellen und Toneffekte, die bislang eher selten waren.
Das Orchester des MVO unterhielt nicht nur, sondern erzählte Geschichten in Tonbildern. Die Zuhörer stiegen geradezu begeistert mit dem Zeppelin „Hindenburg“ in die Lüfte, spürten die Angst und die Panik der Passagiere, als sie in ein musikalisches Gewitter kamen und das Luftschiff später auch noch Feuer fing. Da halfen die lauten Hilfe-Hilfe Rufe der Musiker auch nicht mehr.
Beeindruckte Zuhörer
Großes Kino die Melodiensammlung „Frank Sinatra Classics“ die mit einem wundervoll gespielten „My Way“ endete.
Viele hingehauchte „Wows“ und noch mehr Applaus war der Dank des Publikums für diese Meisterleistung, deren Symphonie der Klänge in einem großen Schlussakkord endete.
Mit einem anspruchsvollen Repertoire, bei dem der Dirigent auf die traditionellen Elemente Marsch und Polka verzichtete, ging dieser erste Schritt in eine neue Ära des MVO unter langanhaltendem und wohlverdientem Applaus zu Ende.
Sven Bruckner verlor sich nicht in den großen Fußabdrücken von Ehrendirigent Martin Stöckel oder Thomas Teufel, sondern suchte sich seinen eigenen, ganz besonderen Weg und durfte sich nach diesem Konzert – genau wie alle Musikerinnen und Musiker – des vollen Respekts des sehr fachkundigen Publikums gewiss sein. Bruckner legte eine Premiere nach Maß hin, und dabei half ihm auch sein vierjährige Sohn Ben, der jedes Stück hingebungsvoll von seinem Platz am Bühnenrand aus mitdirigierte. Ben wurde so zum eigentlichen Star des Abends.
Ehrungen
MVO-Urgestein Edwin Lutz wurde für sensationelle 50 Jahre aktive Tätigkeit im Verein und im Orchester mit der Ehrennadel in Platin und der entsprechenden Urkunde vom Blasmusikkreisverband geehrt. Vom Verein selbst erhielt er zudem einem Ehrenbrief für diese herausragende Lebensleistung.
Weitere Verbandsehrungen
gingen an Daniel Schanz und Malena Reiter.
Vereinsehrung:
Madeleine Ade vom Verein für 25 Jahre aktive Tätigkeit mit einer Urkunde geehrt.