Was die Trossinger Spezialität mit Cluses zu tun hat? Ein Blick in die Geschichte der Partnerschaft verrät das. Auch die Freunde aus Frankreich wissen längst: Das Spannendste am Brisillenei ist das Auspacken – man weiß nie genau, was herauskommt.
Schon fast ein halbes Jahrhundert ist es her, dass die ersten Brisilleneier in Cluses, der Partnerstadt von Trossingen, bestaunt wurden.
Die Trossingerin Inge Fuchs hatte damals die spontane Idee, diese Eier, die lange Zeit in Vergessenheit geraten waren, aber in den 1970er-Jahren eine wahre Renaissance erlebten, als Trossinger Spezialität mit in die Partnerstadt Cluses zu nehmen.
So ist sie mit ihrer Familie am Karfreitag 1976 mit einem Osterkorb gefüllt mit Brisilleneiern in die Partnerstadt in den Hochsavoyen gefahren. Die Eier haben die lange Reise ohne Schaden überstanden.
Auch in Cluses stand’s groß in der Zeitung
Inge Fuchs hatte tags zuvor ein Dutzend gefärbter Eier auf dem Wochenmarkt bei der Trachtengruppe Trossingen gekauft und weil es ihr zu wenig erschien, selbst noch welche gefärbt.
Als Familie Fuchs den damaligen Bürgermeister von Cluses, Paul Béchet, mit Brisilleneiern beschenkte, zeigte sich dieser – und dies wurde in einem Bericht am 19. April 1976 im „Le dauphiné Libéré“ mit Bild veröffentlicht – hocherfreut.
Der im Jahr 2017 verstorbene Trossinger Komitee-Vorsitzende Hans Trümper hatte die Aufgabe des Dolmetschers übernommen, denn Monsieur Béchet wollte genau wissen, wie man in Trossingen diese „Zufallseier“ färbt, die er als „Geschenke fürs Herz“, bezeichnete. Schließlich ist jedes Brisillenei ein kleines Kunstwerk – ein Unikat.
In den 1970ern erlebte der Brauch eine Renaissance
Der alte Osterbrauch des Eierfärbens mit Brisille (Blauholz) war bereits vom Aussterben bedroht, lebte aber neu auf, als es gelang, wieder Brisille zu bekommen. In einem Zeitungsartikel einer Trossinger Tageszeitung aus dem Jahr 1976 stand geschrieben: „Der Erfolg, den der Heimatverein mit seiner Verkaufsaktion für sich verbuchen konnte, war phänomenal. Am Gründonnerstag waren die ersten 400 Eier im Nu ausverkauft. Die fleißigen Trossinger Frauen griffen nochmals zu Blüten und Blättern, Zwiebelschalen und Brisillenfarbe und führten eiligst die Nachbestellungen aus.“
Diese Tradition ist bei der Trachtengruppe bis heute so geblieben.
Immer in der Osterwoche werden von den Mitgliedern Hunderte von Brisilleneiern gefärbt und auf dem Wochenmarkt verkauft, viele davon auf Vorbestellung.
Und zur Saisoneröffnung des Freilichtmuseums Neuhausen zeigt die Trachtengruppe vor Ort, wie die Eier gefärbt werden. Auch bei anderen Trossinger Vereinen oder Gruppen, aber auch in vielen Haushalten wird die Brisilleneiertradition Jahr für Jahr gepflegt.
Nichts sollte verschwendet werden
Doch wie kam es eigentlich zum Brisillenei? Dahinter verbirgt sich eine uralte Trossinger Tradition, die aus der Not heraus geboren wurde.
Die Trossinger Tracht war bis ins 20. Jahrhundert hinein die sogenannte „Hippe“, die mit der „Brisille“, dem Blauholz, schwarz gefärbt wurde.
Da man in früheren Zeiten nicht reich begütert war, und alles wenn möglich noch einen weiteren Verwendungszweck hatte – schließlich sollte ja nichts „verkommen“ – , kam in der Vorosterzeit eine erfinderische Trossingerin auf die Idee, die Ostereier mit diesem Brisillensud zu färben.
Das Besondere an dieser Eierfärbetechnik: Kein Ei gleicht dem anderen, jedes Ei ist auf seine Art ein einmaliges Kunstwerk in warmen Farbtönen von hellgelb bis tiefviolett.
Jedes Ei ist ein Unikat
Winzige filigrane Verästelungen von „Buchholder“ – also Wiesenschaumkraut – oder zarte Blütenblätter der Gänseblümchen haben ihren Abdruck auf der Eierschale in allen Farbnuancen hinterlassen. Jedes Ei ist ein Unikat und eigentlich zu schade, um einfach an Ostern gegessen zu werden.
An dieser Stelle gleich noch ein Tipp: Brisilleneier können auch aufbewahrt und durchaus im nächsten Jahr dann wieder als Dekoeier benutzt werden.
Allerdings empfiehlt es sich hierbei, zuvor die Eierschale genauestens zu inspizieren. Jeder noch so kleine Riss in der Schale sorgt nämlich dafür, dass das Ei völlig platzen kann und dann vor allem einen sehr unangenehmen Geruch verbreitet.
So wird’s gemacht
Die rohen Eier werden mit „Buchholder“ (Wiesenschaumkraut), Löwenzahn, Gänseblümchen, „Badengele“ (Schlüsselblumen) und anderen Gräsern, Kräutern oder Blüten belegt. Umhüllt werden können sie außerdem mit in Wasser eingeweichten Zwiebelschalen, die für warme Brauntöne sorgen. Zum Schluss wird alles in Zeitungspapier gepackt mit einem Wollfaden fest umwickelt. In einem alten Topf (alt deshalb, weil der Topf innen schwarz gefärbt bleibt und für nichts anderes mehr verwendet werden kann) werden die Eier im Blauholzsud 15 bis 20 Minuten lang gekocht, danach ausgepackt und in kaltem Wasser abgeschreckt. „Das Schönste ist immer das Auspacken der fertigen Eier“ hat einmal eine Frau gesagt, schließlich ist jedes Ei so etwas wie eine kleine Wundertüte – man was nie, was rauskommt. Wer den kleinen Kunstwerken einen besonderen Glanz geben möchte, der kann die Eier noch zusätzlich etwas einfetten. Früher wurde dazu eine Speckschwarte genommen, in der heutigen Zeit geht dies auch mit normalem Speisefett. Modernere Variante: Wem diese traditionelle Art des Brisilleneikochens zu aufwendig ist – schließlich gehört dazu eine besondere Fingerfertigkeit – der kann auch eine modernere „Light-Version“ anwenden. Gute Dienste leisten dafür ausgediente Damenstrumpfhosen, die in kleine Stücke geschnitten werden. Das Ei samt Blüten und Kräutern wird in diesem Strumpfstück fest verpackt, verknotet und anschließend im Blauholzsud gekocht. Die Blüten und Blätter hinterlassen bei dieser Methode auf der Schale ebenso ihre Muster, allerdings nicht ganz so filigran. Blauholz gibt es in der Apotheke.