Gut besucht war am Dienstagabend die Informationsveranstaltung zur Hermann-Hesse-Bahn in der Ostelsheimer Festhalle. Foto: Fritsch

Bürgermeister geht mit deutlichen Worten auf Haltung der Gäugemeinde bei Finanzierung des Projekts ein. Mit Kommentar.

Ostelsheim - Bürgermeister Jürgen Fuchs bekam am Dienstagabend in der Ostelsheimer Festhalle am meisten Beifall, als er noch einmal unmissverständlich klar machte, dass die Gäugemeinde nicht Mitglied im Zweckverband Hermann-Hesse-Bahn werde und außer der einmaligen Investitionssumme keine weiteren Kosten übernehme.

Die Halle war gut gefüllt bei dem weiteren Informationsabend des Landkreises zum aktuellen Planungsstand des Schienenprojekts. Dem stehen die Bewohner der Gäugemeinde nach wir vor wegen aus ihrer Sicht unüberschaubarer finanzieller Risiken kritisch gegenüber. Gleichwohl ist auch den ärgsten Kritikern bewusst, dass Ostelsheim neben Althengstett und Calw am meisten von der Reaktivierung der Schwarzwaldbahn profitieren kann (siehe weiterer Text auf dieser Seite).

Maximal rund 784.000 Euro an Investitionskosten soll Ostelsheim übernehmen. Außerdem werden bis zu 200.000 Euro für Park-and-Ride-Plätze finanziert, zudem fallen bis zu 150.000 Euro für Brückenarbeiten und eine Busschleife an. Alles in allem müsse mit einem einmaligen Betrag von 1,1 bis 1,4 Millionen Euro gerechnet werden, sagte Fuchs.

Vom Landkreis werde suggeriert, das Ostelsheim sich jährlich mit Betriebskosten von rund 63.000 Euro beteiligen solle, "aber es ist deutlich mehr". Samt Refinanzierung der Investitionskosten und dem Gemeindeanteil an der Kreisumlage würden die jährlichen Kosten bei Dieselbetrieb für Ostelsheim rund 138.000 Euro ausmachen. Hinzu kämen Unterhaltung, Beleuchtung, Winterdienst und eventuell der Betrieb eines Bürgerrufautos. Letzteres soll vor allem ältere Einwohner zu dem ungünstig gelegenen Haltepunkt bringen. Dieser wird sich künftig im Bereich des früheren befinden. "Dieses Geld haben wir nicht zur Verfügung, es würde an anderer Stelle fehlen", äußerte sich der Rathauschef.

Fuchs wies darauf hin, dass Ostelsheim durch die Arbeiten für die Hesse-Bahn auf Jahre hin eine Großbaustelle werde. Dabei gebe es noch Probleme wie die Gestaltung des Haltepunkts, der entscheidend für die Akzeptanz der Hesse-Bahn sei. Diese seien aber durchaus lösbar.

Landrat Helmut Riegger ging am Dienstagabend erneut auf die Bedeutung des Schienenprojekts für die wirtschaftliche, demografische und touristische Entwicklung des Kreises ein. Seit der Bürgerversammlung in Ostelsheim im Juni habe sich planerisch viel getan. Der Baubeginn noch dieses Jahr sei realistisch. Zum Gegenwind aus dem Nachbarkreis Böblingen sagte Riegger: "Dort wird uns die Bahn nicht gegönnt". Er sei jedoch bereit, die dortigen Argumente aufzunehmen und in aller Sachlichkeit in weiteren Gesprächen auszuräumen.

Der Projektverantwortliche im Landratsamt für den ÖPNV und die Hesse-Bahn, Michael Stierle, präsentierte zahlreiche Daten und Fakten, unter anderem zu Wirtschaftlichkeitsberechnungen, aber auch zur künftigen Taktung. Demnach soll die Hesse-Bahn wochentags zwischen 5 und 20 Uhr halbstündlich verkehren, nach 20 Uhr im 60-Minuten-Takt. Die Fahrt von Ostelsheim nach Calw soll 13 Minuten dauern, von der Gäugemeinde nach Sindelfingen rund eine halbe Stunde und nach Stuttgart rund 49 Minuten, jeweils inklusive Umstieg.

"Noch nicht den Kniff gefunden" hat man laut Stierle, was den Artenschutz beziehungsweise Ausgleichsmaßnahmen angeht. Wie mehrfach berichtet, müssen für die Fledermauspopulationen, die in den Tunneln ihr Quartier aufgeschlagen haben, und für die Steinkrebse, die zwischen Heumaden und Althengstett vorkommen, Ausweichmöglichkeiten geschaffen werden. Letztere sollen dieses Jahr umgesiedelt werden.

Horst Garbrecht aus Ostelsheim wollte in der folgenden Fragerunde wissen, ob die Gäugemeinde ohne Mitgliedschaft im Zweckverband einen Haltepunkt bekomme. Fuchs entgegnete, man müsse sich darum weniger Sorgen als um mögliche Risiken durch den Beitritt zum Verband machen. Einen solchen gebe es im Übrigen weder für die Albtal-, Enztal- noch Nagoldtalbahn. Der Bürgermeister führte das Trassenentgelt, das nicht vorhersehbare Ergebnis von Ausschreibungen und die anfallenden Kosten für die geplante Elektrifizierung der Hesse-Bahn an: "Wir wissen nicht genau, worauf wir uns einlassen".

Gemeinderat Klaus-Dieter Kühlmann sprach unter anderem die künftigen Schülerbuslinien an. Für Schüler, die das Maria-von-Linden-Gymnasium in Stammheim besuchen, sei die Nutzung der Hesse-Bahn wegen der Lage des Haltepunkts ungünstig. Sie müssten zudem in Heumaden in den Bus umsteigen.

Kommentar: Gutes Recht

Marion Selent-Witowski

Als Zauderer oder gar Verhinderer wurden die Ostelsheimer Gemeinderäte und die Verwaltung von so manchem hingestellt, weil man sich viel Zeit für Beratungen in Sachen Hesse-Bahn nahm. Und sich dann auch noch dazu entschloss, als Anliegergemeinde zwar mit am stärksten vom Schienenprojekt zu profitieren, sich aber nicht an den Betriebskosten beteiligen zu wollen. Dabei kamen die Entscheidungsträger nur ihrer Pflicht nach: Zu prüfen, ob die neue, freiwillige Aufgabe auf Dauer finanziert werden kann. Der ÖPNV ist eigentlich alleinige Aufgabe des Landkreises. Ostelsheim hat das Geld für die Hesse-Bahn nicht übrig, lautete das Fazit. Anstatt künftig andere freiwillige Aufgaben wie Vereinszuschüsse und ein Jugendhaus zu streichen oder arg an der Steuerschraube zu drehen, gehen die Ostelsheimer ein Stück weit ihren eigenen Weg – und das ist ihr gutes Recht.