Viele Geschäfte auch im Kreis Calw leiden massiv unter den Corona-Maßnahmen. (Symbolfoto) Foto: Marc Bode – stock.adobe.com

Gewerbetreibende aus Ostelsheim startet Petition. "Es geht darum, dass endlich jemand die Verantwortung übernimmt."

Die Anti-Corona-Maßnahmen werden immer härter – und damit steht auch vielen Gewerbetreibenden im Kreis Calw finanziell das Wasser bis zum Hals. Eine von ihnen hat nun eine Petition gestartet und nimmt ganz gezielt die Bürgermeister in die Pflicht. Sie seien ab sofort für den Fortbestand der Betriebe im Landkreis verantwortlich.

Aktuelle Informationen zur Corona-Lage in unserem Newsblog

Kreis Calw - Jessica Gaspar hat die Nase gestrichen voll. "Ich bin extrem frustriert und deprimiert", sagt die Selbstständige, die in Ostelsheim den Brautmoden-Handel Lovely in White betreibt. Seit Beginn des Lockdowns ist er geschlossen. Ausgerechnet in der Jahreszeit, in der das Geschäft sonst brumme. "Im November und Dezember werden die Brautkleider für die Sommer-Hochzeiten gekauft", weiß Gaspar aus Erfahrung. Doch statt Brautmode zu verkaufen, telefoniere sie nun mit ihren Gläubigern, um Schulden stunden zu können. Sie verdeutlicht: "Der Laden lief gut, wir hatten unser Geschäft sogar erweitert. Dann kam Corona. Jetzt sind alle Rücklagen weg."

Novemberhilfen lassen auf sich warten

Licht am Ende des Tunnels ist für Gaspar nicht in Sicht. Während die Fixkosten weiterlaufen, lassen die vom Bund versprochenen Novemberhilfen auf sich warten. "Da passiert gar nichts. Mein Steuerberater sagt, dass für uns noch nicht einmal die Formulare online sind, mit denen wir die Hilfe beantragen können", meint Gaspar und schimpft: "Bei aller Liebe, aber meine Kinder und ich wollen etwas essen."

Mit dieser blanken Existenzangst steht Gaspar nicht allein da. Sie startete daher vergangene Woche eine Online-Petition, mit der sie gezielt die Bürgermeister im Kreis Calw in die Pflicht nimmt. Unterzeichnet werden kann folgender Wortlaut: "Wir geben die Verantwortung für den Erhalt unserer Betriebe hiermit an Sie, den Oberbürgermeister der Stadt Calw und die Bürgermeister der Gemeinden, ab. Wir sind gerne bereit, ein persönliches Gespräch zur gemeinsamen Lösungsfindung zu vereinbaren, aber wir erwarten Ihre volle Unterstützung und die Wahrnehmung Ihrer Pflichten als unsere Volksvertreter. Sie sind unsere gewählten Vertreter und wir bitten Sie, helfen Sie uns, damit der Landkreis Calw nach der Pandemie noch ein Ort ist, der sich zu entdecken lohnt."

Keine Bewertung

Im Gespräch mit unserer Zeitung unterstreicht Gaspar: "Es geht nicht darum, zum Widerstand aufzurufen. Es geht auch nicht darum, zu bewerten, ob die Maßnahmen gegen Corona gut oder schlecht sind. Es geht darum, dass endlich jemand die Verantwortung übernimmt. Viele von uns müssten Insolvenz anmelden, um aus dieser Situation herauszukommen."

Doch warum wendet sich Gaspar an die Bürgermeister, die die Entscheidungen von Bund und Ländern gar nicht zu verantworten haben, und nicht direkt an die Kanzlerin oder die Abgeordneten des Landkreises? "Ich finde, es macht wenig Sinn, oben anzufangen", meint die Selbstständige und erklärt: "Wenn die Bürgermeister nicht Bürgermeister von Geisterstädten sein wollen, in denen es keine Geschäfte mehr gibt, dann müssen sie jetzt etwas tun. Und wenn wir nicht mal unsere Bürgermeister und Oberbürgermeister dazu bringen, sich für uns einzusetzen, dann brauchen wir auch nicht Frau Merkel fragen."

Das sagen die Bürgermeister

Und was sagen die Bürgermeister im Kreis Calw? Jürgen Fuchs (parteilos) aus Ostelsheim, wo Gaspar ihr Brautmoden-Geschäft betreibt, zeigt sich gesprächsbereit, gibt aber auch bedenken: "Als Kommune und Bürgermeister sind wir verpflichtet, die rechtlichen Vorgaben umzusetzen. Für ein persönliches Gespräch mit örtlichen Selbstständigen stehe ich jederzeit zur Verfügung. Ob und wie die Gemeinde innerhalb des rechtlich vorgegebenen Rahmens helfen kann, zeigt sich dann im Gespräch."

Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann (CDU) unterstreicht: "Ich habe allergrößtes Verständnis für diese Petition. Wir wissen, was die alle gerade durchmachen müssen. Von meiner Seite gibt es ganz klar ein Gesprächsangebot mit einem fachlichen und sachlichen Austausch. Ich bin sehr interessiert und leite Lösungsvorschläge gerne an höhere Stellen weiter." Denn klar sei für das Nagolder Stadtoberhaupt: "Wir sitzen alle im gleichen Boot. Unsere Innenstädte sind ohne diese Akteure keine Innenstädte mehr. Das erleben wir derzeit ganz deutlich."

Auch Calws Oberbürgermeister Florian Kling (SPD), der in der Petition direkt angesprochen wird, zeigt Verständnis: "Ich kann die prekäre Situation vieler Händler und Unternehmer nachvollziehen. Als Stadt unterstützen wir, wo wir können, und stehen an der Seite unserer Betriebe." Dennoch gibt Kling zu bedenken: "Vordringlichste Aufgabe für die Stadtverwaltung scheint mir, das Gesundheitsamt und die Betriebe darin zu unterstützen, die Landesverordnungen umzusetzen und die Inzidenz in Calw wieder nach unten zu bewegen, damit der Lockdown auch bald wieder beendet werden kann. Wir sind als Gesellschaft alle in der Pflicht – das schließt die Wirtschaft mit ein. Wir alle müssen diese Krise gemeinsam durchstehen, das hat meines Erachtens bisher gut geklappt."

Bad Wildbads Bürgermeister Klaus Mack, der in diesem Jahr für die CDU in den Bundestag einziehen will, antwortete unserer Zeitung: "Bei mir ging keine Petition ein. Ich kann also zum Inhalt nichts sagen." Die Internetseite mit der Petition lasse sich bei ihm nicht öffnen.

Erste Rückmeldungen positiv

Mit dem Start ihrer Petition ist Gaspar zufrieden. Für eine Einschätzung sei es noch zu früh. Bislang haben 81 Personen unterzeichnet (Stand Mittwoch, 17.30 Uhr). Die ersten Rückmeldungen seien durchweg positiv. Mit einem Bürgermeister habe Gaspar bislang allerdings nicht gesprochen – denn der Ball liege aus ihrer Sicht nicht bei den Gewerbetreibenden. Frustriert sagt sie: "Es ist nicht unsere Aufgabe, eine Lösung zu finden. Wir mussten unsere Geschäfte schließen. Bei vielen geht es im Moment nur noch darum: Wann gesteht man sich ein, dass es nicht mehr weitergeht?"