Ermittler des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg überprüfen vor dem Stammheimer Gerichtsgebäude ein Auto mit Mitgliedern des Osmanen Germania Boxclubs. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Ermittler sollen dem Gießener Osmanen-Chef Celal Sakarya mehrfach Geld und eine neue Identität für belastende Aussagen gegen den früheren Weltvorstand des Osmaen-Germania Boxclubs geboten haben.

Stuttgart - Im Verfahren gegen acht Angehörige der rockerähnlichen Gruppe Osmanen Germania Boxclub hat ein Zeuge Polizeibeamte aus Hessen und Baden-Württemberg schwer belastet. Der Präsident der Gießener Filiale, Celal Sakarya, sagte aus, insgesamt fünf- bis sechsmal hätten ihm Ermittler der Landeskriminalämter (LKA) der beiden Bundesländer Geld dafür angeboten, wenn er die beiden früheren Weltvorstände der Osmanen, Mehmet Bagci und Selcuk Sahin, oder die Gruppe insgesamt belaste.

Bei einem Treffen auf einer hessischen Autobahnraststätte seien ihm „1200 Euro für eine Aussage mit Unterschrift und allem Drum und Dran“ geboten worden. Das Geld hätten die Beamten in einem Umschlag mitgeführt. Ein anderes Mal habe ihm der Leiter der im hessischen LKA eingesetzten Ermittlungsgruppe „Shade“ (englisch für Schatten) in seinem Wiesbadener Büro eine Finanzspritze für Informationen zugesichert. Ein baden-württembergischer Kriminaler habe ihm einmal Geld für eine „rechtskräftige Aussage“ versprochen. Ein anderes Mal sei ihm eine „neue Identität für eine Aussage angeboten worden“.

Zwar seien die beiden Vernehmungen durch Beamte des baden-württembergischen LKA mit einem Tonbandgerät mitgeschnitten worden. Die Polizisten hätten jedoch nach jeder Frage das Gerät ausgestellt, um dann Antworten vorzugeben, „die ihnen in den Kram passten“. Gegen einen Stuttgarter Kriminalbeamten habe er deswegen Anzeige erstattet.

Nach Herrenberg verschleppt

Sakarya sei Anfang Februar 2017 – so sagt die Anklageschrift – von Osmanen-Kumpeln in eine Wohnung in Herrenberg verschleppt und dort drei Tage lang malträtiert worden. Dabei sei ihm auch in den Oberschenkel geschossen worden.

Den Vorfall stellte Sakarya bei mehreren Befragungen durch die Polizei höchst unterschiedlich dar. Bei einer Vernehmung will er in der Herrenberger Wohnung Schlaftabletten gefunden haben, die ihm zuvor in ein Getränk gerührt worden seien. Das, behauptete der Zeuge jetzt vor dem Stuttgarter Landgericht, habe er so nicht gesagt: Erst, so sagt er, habe er Schmerztabletten gefunden, wenige Minuten später dann gar keine Medikamente mehr. Die Polizisten hätten vielmehr „Andeutungen gemacht, was sie gerne hören wollten“. Die Ermittler seien „scharf darauf gewesen, dass da ein Schlafmittel drin war“. Eine Aussage, die nicht dazu passe, dass die Vernehmung mitgeschnitten worden sei, bemerkte einer der Verteidiger.

Staatsanwalt Michael Wahl hingegen wies auf den Vermerk eines baden-württembergischen Kriminalbeamten hin, nachdem Sakarya sich bei ihm über „Geldsorgen beklagt“ habe. Daraufhin sei dem Gießener Osmanen-Chef in Aussicht gestellt worden, als Vertrauensperson – also als Spitzel – für die Polizei zu arbeiten. Er solle Hinweise zu Drogentransporten geben. Würden diese dann sichergestellt, dann gäbe es dafür eine Belohnung. Sakarya bestritt, je finanzielle Probleme gehabt oder darüber mit Polizisten gesprochen zu haben.

Anwerbung als Spitzel

Das, so sagt Steffen Mayer, Südwest-Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, sei „im Bereich der organisierten Kriminalität eine durchaus übliche Vorgehensweise der Polizei, bei der geeigneten Personen in der Szene angeboten wird, als VP zu arbeiten und für Hinweise, die zur Sicherstellung größerer Drogenmengen führen, eine Belohnung zu zahlen“.

Zweifel daran, dass sich Sakarya aus der Osmanen-Szene gelöst hat, nährte er selbst durch seine Kleiderwahl: Der Stadtallendorfer trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck „1453“ auf dem Rücken – dem Jahr, in dem Sultan Mehmet II. Konstantinopel eroberte. Das Datum gilt als Beginn des Aufstiegs des Osmanischen Reiches zur Großmacht – deshalb lassen es sich Osmanen gerne auf die Haut tätowieren oder auf Autokennzeichen prägen. Er wisse nicht, was es mit 1453 auf sich habe, sagte Sakarya. Das T-Shirt habe er von seinem Sohn geschenkt bekommen. Eine Aussage, die zuschauende Osmanen, Angeklagte und Juristen laut auflachen ließ.