Auch im Ortenaukreis gibt es Senioren, die alkoholabhängig sind. Foto: dpa

Wenn Oma zur Likörflasche greift: Landratsamt Ortenaukreis veranstaltet Fachtag über Sucht im Alter.

Ortenau - »Ein Viertelchen in Ehren kann niemand verwehren«. Oder: »Die Oma braucht eben ihre Tabletten.« Das sind Sätze, die Familienangehörige, Ärzte und Pflegekräfte alarmieren sollten. Denn: Die Zahl drogenabhängiger Senioren im Ortenaukreis steigt. Das Landratsamt Ortenaukreis bietet zu diesem Thema eine Fachtagung an.

 

Genussgläschen, Dämmer- und Frühschoppen, ein leckeres Schlückchen in geselliger Runde, Medikamente, die über Monate eingenommen werden, wer denkt da bei älteren Menschen schon an eine Abhängigkeit? Praktiker aus Medizin, Beratungsstellen, Pflegedienste und Altenhilfeeinrichtungen wissen jedoch, welche vielfältigen Probleme dabei eine Rolle spielen.

Der Fachtag des Landratsamts Ortenaukreis »Sucht im Alter – die stille Katastrophe?« mit dem Untertitel »Erkennen, reagieren und helfen« am Mittwoch, 12. Februar, greift das Thema auf. Der Suchtbeauftragte des Landratsamts, Thomas Schoen-Blum, und sein Kooperationspartner laden dazu Ärzte, Pflegekräfte, Helfer, Betreuer, medizinisches Personal in das Landratsamt in Offenburg, Badstraße 20, ein. Schoen-Blum möchte sie für das Thema »Sucht im Alter« sensibilisieren, um eine Abhängigkeit frühzeitig zu erkennen, und um geeignete Hilfsmaßnahmen einleiten zu können. In einem gemeinsamen Austausch sollen diese Themen genauer beleuchtet werden.

»Bei übermäßigem Konsum von Alkohol oder Medikamenten kommt es zu unvorhergesehenen Stürzen, zu Magen- und Leberproblemen«, erklärt Ulrich Geiger, Allgemeinmediziner und Vorsitzender der Kreisärzteschaft Ortenau. Verwahrlosung und starke Aggressivität seien dabei keine Seltenheit.

Ärzte sind beim Thema »Sucht im Alter« als Verordner der Medikamente zentral mitbeteiligt. Oft sind sie dabei laut Geiger mit einem großen Druck vonseiten der Pflegeeinrichtungen konfrontiert, die wegen Personal- und Zeitmangel unauffällige Bewohner wünschen.

Auch zu Hause sollen Tabletten für Ruhe sorgen. Aber schnelle Abhilfe zu schaffen gehe, so der Mediziner weiter, oft nur mit dem großen »Medikamentenhammer«. Über Monate hindurch werden Arzneimittel eingenommen, die nur für bestimmte außergewöhnliche Situationen verordnet worden seien. Keiner der Helfer frage konsequent die bestehenden Medikamenten und deren Abgabe ab.

Auch in der stationären Einrichtung der Altenhilfe werde das Thema Sucht oft nicht berücksichtigt, sagt Richard Gross, Pflegedirektor im Vinzentiushaus Offenburg.

Ein gesundes und genussvolles Leben für ältere Menschen ist das Ziel

Bei neu aufgenommenen Bewohnern zeigen sich Gross zufolge in vielen Fällen schon Abhängigkeiten, die nach einem schleichenden Beginn oft schon lange vor dem Einzug in eine stationäre Einrichtung vorhanden sind.

»Die Helfer sind dabei oft mit jahrelang eingespielten Ritualen im Umgang mit Medikamenten, Alkohol und anderen abhängig machenden Mitteln konfrontiert. So werden in Gesprächen Lebensverläufe sichtbar, die unter Umständen tiefe Einblicke in die Lebensgewohnheiten der zurückliegenden Jahre zulässt. Aber eingeübte Verhaltensweisen können bei älteren Menschen kaum von heute auf morgen geändert werden«, erläutert der Pflegedirektor.

Unter dem Dach des Ortenauer Suchthilfeverbunds fanden sich Fachkräfte aus Medizin, der Altenhilfe und der Suchthilfe zusammen, um diese Fachtagung vorzubereiten. Hoffnung der Vorbereitungsgruppe ist dabei laut Ankündigung, auch neue Wege zu gehen, Ideen zu finden für eine gesunde ambulante und stationäre Altenpflege, die Patienten, Bewohnern und älteren Menschen ein gesundes, genussvolles Leben sichert. Ohne Sucht.

Interessierte Fachkräfte können sich zu dem Fachtag noch bis Ende Januar online unter www.suchthilfenetz-ortenau.de anmelden. Für Detail- und Rückfragen steht Thomas Schoen-Blum werktags unter Telefon 0781/ 8 05 13 76 zur Verfügung.