Die Freiwilligen der Notfallbetreuung Ortenau waren am Sonntag bei dem schweren Unfall auf der A 5 im Einsatz. Foto: Seeger

Ehrenamtliche der DRK-Notfallbetreuung Ortenau helfen in seelischen Ausnahmesituationen.

Ortenau - Innerhalb weniger Sekunden kann das Leben kopfstehen: Bei einem Unfall stirbt ein Angehöriger, ein Feuer vernichtet die Wohnung – die Betroffenen wissen nicht, wohin mit ihrem Schmerz. Dann kommt die DRK Notfallbetreuung Ortenau ins Spiel. Auch am Sonntag waren die Ehrenamtlichen auf der A 5 dabei.

Sie sind ausgerückt, als ein Geisterfahrer am Sonntagmorgen auf der Autobahn fünf Menschen mit in den Tod riss (wir berichteten). Martin Jakubeit, Polizeipsychologe, und Robert Ibig, Rettungsassistent, haben 1998 beschlossen, die erste Notfallbetreuung im Bereich Lahr zu gründen. Ibig wurde Teamleiter. "Wir haben damals die Notwendigkeit gesehen, zu handeln", erinnert er sich. "Wenn jemand gestorben ist, muss das Team aus dem Rettungswagen gleich wieder weiter machen, alles auffüllen, einen anderen Einsatz fahren. Da kann keiner bei den Hinterbliebenen bleiben."

Fünf Zentren im Ortenaukreis

Aber gerade die brauchen jemanden, der zuhört, sie unterstützt, betreut, für sie da ist – ihnen gut tut. Das kann ein Kind sein, dessen Vater oder Mutter ins Krankenhaus gebracht werden musste, das kann ein Mensch sein, dessen Partner ein Unfall hatte und schwer verletzt oder getötet worden ist, das kann jemand sein, der gerade bei einem Brand alles verloren hat.

Wenn die Rettungskräfte vor Ort merken, dass der Einsatz seelisch belastend wird, dass es Betroffene, Angehörige gibt, denen es nicht gut geht, alarmieren sie über die integrierte Leitstelle Offenburg die Ehrenamtlichen der Notfallbetreuung.

Fünf Zentren haben sie im Ortenaukreis: Kehl (fünf Ehrenamtliche), Wolfach (17), Offenburg (neun), Lahr (18) und Oberkirch (fünf). Alarmiert wird derjenige, der Dienst hat und innerhalb von 20 Minuten am Einsatzort ist. "Dann treffen wir auch noch die Rettungskräfte an und bekommen eine Übergabe", weiß Ibig. Bei dem Unfall auf der A 5 waren 16 der DRK-Notfallbetreuer im Einsatz.

Rund um die Uhr, sieben Tage die Woche stehen sie bereit. Etwa zwei Stunden lang betreuen sie die Betroffenen. "Wir leisten keine Therapie – wir unterstützen nur", sagt der Teamleiter. Aber: Auch Tage nach einem einschneidenden Erlebnis stehen die Freiwilligen noch als Ansprechpartner zur Verfügung – ein Anruf genügt.

Am Sonntag haben die Notfallbetreuer die Ersthelfer versorgt, sie nach Offenburg gebracht, mit ihnen geredet, sie mit Essen versorgt und das Gesehene aufgearbeitet.

Wer sind diese Menschen, die anderen durch die schwersten Stunden des Lebens begleiten? "Ein paar von uns sind selbst im Rettungsdienst angestellt, Krankenschwestern, Seelsorger – aber prinzipiell kann jeder mitarbeiten, der psychologisch stabil genug ist", so Ibig.

Wer mitmachen möchte, geht am Anfang erst einmal zu den sogenannten Supervisionen. Das sind die Nachbesprechungen, die die Notfallbetreuer alle vier Wochen machen. Dort wird in regionalen Team alles Wichtige über jeden Einsatz besprochen und es ist gleichzeitig auch eine Art Therapie für die Freiwilligen selbst. Zusätzlich gibt es auch nach jedem Einsatz eine Besprechung.

Danach gibt es ein Gespräch zwischen dem Interessenten, dem Teamleiter und weiteren Mitarbeitern. Wenn das positiv verlaufen ist, alle Beteiligten das Gefühl haben, dass der Neuling der Aufgabe gewachsen ist, dann stehen Lehrgänge auf dem Programm. Nach etwa drei bis vier Einsätzen als Beobachter kann das neue Teammitglied auch mal alleine in den Betreuungseinsatz – wenn er oder sie sich das zutraut.

Auch die Profis brauchen mal Hilfe

Sollten die "Engel in Leuchtwesten" selbst mal Probleme haben, können sie sich anonym an einen Psychologen/Notfallseelsorger wenden, der sie dann ebenfalls berät.

Und wie ist das mit den hauptamtlichen Einsatzkräften – wie werden sie betreut? "Sowohl die Polizei als auch die Feuerwehr haben eigene Psychologen, an die sich die Einsatzkräfte wenden können", weiß Ibig.Diejenigen, die mit den Rettungswagen ausrücken können sich auch hausintern Hilfe holen – oder die Ehrenamtlichen ansprechen.

Harte Jungs und Mädels die keine Gefühle zeigen dürfen und wie Maschinen funktionieren müssen? Fehlanzeige. "Das hat sich Gott sei Dank in den vergangenen Jahren geändert", erklärt Ibig. "Nur stabile und gesunde Mitarbeiter können anderen Menschen helfen."