Eine ordentliche Bemessungsgrundlage für den Personalschlüssel und mehr Geld aus dem Kreisgeldbeutel – das sind die Hauptforderungen Oßwalds. Foto: Symbolfoto: Vichra

Immer mehr unmenschlichere Ausmaße im Ortenau-Klinikum. Anfrage von Lukas Oßwald sorgt für Wirbel.

Ortenau - Lukas Oßwald (Linke) hat im Krankenhaus-Ausschuss des Kreistags Alarm geschlagen: Nach seinen Informationen könnten Pflegebedürftige im Ortenau-Klinikum bald nicht mehr mit Wasser, sondern nur noch mit Feuchttüchern gewaschen werden. Schuld daran sei die anhaltende Sparpolitik.

Bereits im Februar hatte Oßwald mit einer Anfrage zum selben Thema im Ortenaukreis für Wirbel gesorgt. Damals hatte er in einer Anfrage auf die Situation der Pflegekräfte am Klinikstandort Kehl aufmerksam gemacht (wir berichteten). Danach, so sagte Oßwald am Dienstag in der Sitzung des Krankenhausausschusses, habe er viele zustimmende Briefe, E-Mails und Anrufe von Betroffenen erhalten. Der große Aufreger sei die Aussage der Klinik-Verwaltung gewesen, dass die Belastung des Pflegepersonals "nur im mittleren Bereich, verglichen mit anderen Standorten" läge.

Jetzt will Oßwald wissen, mit welchen Erhebungen die Klinik-Verwaltung solche Behauptungen untermauert – und gibt sich die Antwort gleich selbst: "Etwa mit dem sündhaft teuren und unnötigen Strukturgutachten, das gemacht wurde? Die 100 000 Euro in der Pflege investiert, hätten gut getan", schreibt das Kreistagsmitglied. Er kreidete der Klinikverwaltung an, dass der Personalrat in Lahr von dieser Erhebung nichts gewusst hätte – und auch die Pflegekräfte selbst nicht befragt worden seien. Daher stellt er die provokante Frage, ob die Verwaltung bereit sei, diese Aussage über die Belastung ihrer Angestellten zu wiederholen.

Oßwald forderte den Ortenaukreis auf, die Steuerungsmechanismen, die dem Landrat und auch den Gremiumskollegen Oßwalds zur Verfügung stehen, zu nutzen und die Situation für die Pflegenden und damit auch für die Patienten zu verbessern. "Aber dafür wären weitergehende Mittel aus der Kreiskasse nötig und somit auch eine Erhöhung der Umlage", betonte Oßwald in seiner Anfrage. "Stattdessen plant man weitere Einsparungen für die Zukunft und beweihräuchert sich selbst für die niedrigste Umlage im Ländle."

Thrombosestrümpfe sollen nicht mehr gewechselt werden

Dann nannte er Beispiele für das "Kaputtsparen" der Pflege: "Die Ganzkörperpflege soll nur noch mit Einmalwaschtüchern stattfinden – Wasser kriegt der Patient dann nicht mehr zu spüren. Das Führen der wöchentlichen Joblisten soll ausgesetzt werden, was zu Lasten der Hygiene geht. Pfleger müssen dann zum Beispiel die Toilettenstühle putzen. Die Vitalzeichenkontrollen sollen reduziert werden – die Folgen kann sich jeder selbst ausmalen. Die Thrombosestrümpfe sollen nicht mehr gewechselt werden. Dies führt vermehrt zu Pilzbeball und wiederum einem erhöhten Thromboserisiko, wenn der Strumpf mal zu eng sein sollte. Die Begleitung der Visite soll ausgesetzt werden, was zu einem gewaltigen Informationsverlust führt. Der Pfleger kennt den Patienten nämlich noch am besten."

Im Gespräch mit unserer Zeitung erläuterte der Linken-Politiker, dass seine zentrale Forderung mehr Geld, mehr Kreismittel, für das Ortenau-Klinikum sei. "Mir ist bewusst, dass man auch auf Bundes- und Landeseben einiges ändern und breiten öffentlichen Druck ausüben muss. Aber letztlich ist der Ortenaukreis für die 5000 Menschen, die im Ortenau-Klinikum tätig sind, der Arbeitgeber." Das heißt: Die Kreisumlage müsse erhöht und nicht, wie von 2014 auf 2015 um 2,5 Prozent, reduziert werden. Zudem plädiert Oßwald für eine ordentliche Bemessungsgrundlage in Sachen Pflegepersonal.

In der Anfrage des Lahrer Gemeinderats heißt es weiter: "Wie weit will der Ortenaukreis die Pflegesituation eigentlich noch mitverschärfen?" Als Beispiel führt Oßwald die Überstunden-Regelung am Ortenau-Klinikum Lahr-Ettenheim an: "Wenn Pflegende Überstunden in Lahr anmelden wollen, wird ihnen oft gesagt, diese seien nicht notwendig. Man stellt also ihre Kompetenz in Frage und erhöht so den psychischen Druck gewaltig."

Seit 2010 sind 25 000 Überstunden allein in Lahr aufgelaufen

Wenn der Betroffene dann dennoch arbeite, weil ihn auch gegenüber den Patienten das schlechte Gewissen plage, dann werde das nicht bezahlt. "Die Belastung infolge der Arbeitsverdichtung nimmt immer unmenschlichere Ausmaße an", echauffierte Oßwald sich. "So werden die geplanten Überstunden in Lahr und auch Wolfach nicht einmal dem Personalrat zur Genehmigung vorgelegt." Das, so erklärte es Oßwald gestern, sei allerdings vorgeschrieben. Der Personalrat in Wolfach habe deswegen jetzt einen Anwalt eingeschaltet. Seit 2010 seien alleine in Lahr 25 000 Überstunden der Pflegekräfte aufgelaufen. Oßwald fragte, wann und wie diese Überstunden ausbezahlt würden.

"Warum glänzen die Betreiber immer nur dann, wenn es etwas zu feiern gibt? Bei Spatenstichen, Einweihungen, Chefarztwechseln und dergleichen mehr", fuhrt Oßwald in seiner Anfrage fort. "Sieht sich der Ortenaukreis als Betreiber der Kliniken nicht als Arbeitgeber, der die Verantwortung auch für die Zustände vor Ort verantworten muss?"

Zum Schluss wollte Oßwald wissen, wann der Öffentlichkeit der Antwort der Verwaltung auf seine Anfrage im Februar zugänglich gemacht werde. Denn: "Man löst eine schwierige Situation nicht damit, dass man auf eine öffentlich gestellte Anfrage das Mäntelchen der Nichtöffentlichkeit legt."

Das Ortenau-Klinikum hat für den heutigen Donnerstag eine Pressekonferenz zu diesem Thema angekündigt. Sowohl die Klinikverwaltung als auch die Zuständigen im Landratsamt wollten sich davor nicht zu Oßwalds Anfrage äußern.