Bei vielen Ortenauern – hier die Lahrer Innenstadt – wird der Geldbeutel durch die Preissteigerungen immer leerer. Foto: Baublies

Die Inflation frisst Einkommen auf. Laut der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten verlieren Ortenauer Haushalte knapp 200 Millionen Euro an Kaufkraft. Die Gewerkschaft fordert einen Energiepreisdeckel – finanziert durch Spitzenverdiener.

Ortenau - Wegen rasant steigender Preise gehen den Haushalten im Ortenaukreis in diesem Jahr rund 189,3 Millionen Euro an Kaufkraft verloren – vorausgesetzt, die bisherige Teuerungsrate zieht nicht noch weiter an, prognostiziert die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Allein bei Lebensmitteln müssen die Verbraucher der Mitteilung zufolge mit Mehrausgaben von 88,1 Millionen Euro rechnen.

Die NGG beruft sich dabei auf eine regionale Kaufkraftanalyse des Pestel-Instituts aus Hannover. Demnach seien Menschen mit schmalem Portemonnaie besonders betroffen: In den 68 100 Haushalten, in denen im Ortenaukreis Alleinerziehende und Singles mit einem monatlichen Nettoeinkommen von weniger als 2000 Euro leben, belaufen sich die hochgerechneten Kaufkraftverluste – vom Heizen bis zum Einkauf im Supermarkt – bis Jahresende auf 42,6 Millionen Euro.

Lebensmittelpreise treiben die Inflation

Claus-Peter Wolf, Regionalgeschäftsführer der NGG Schwarzwald-Hochrhein, spricht von "alarmierenden Zahlen". Durch die Preissteigerungen drohten soziale Verwerfungen, wenn die Politik nicht durch weitere, gezielte Entlastungen gegensteuere. "Vom Kellner bis zur Bäckereifachverkäuferin – Beschäftigte, die keine Spitzenverdiener sind, müssen derzeit jeden Cent zweimal umdrehen. Wer ohnehin schauen muss, wie er bis zum Monatsende durchkommt, bei dem schlagen die aktuellen Mehrausgaben enorm zu Buche", so Wolf.

Laut Pestel-Institut sind die gestiegenen Lebensmittelpreise ein besonderer Inflationstreiber: Der durchschnittliche Haushalt im Ortenaukreis hatte in der ersten Jahreshälfte allein bei Nahrungsmitteln eine Zusatzbelastung von 38 Euro im Monat zu tragen. Die Mehrausgaben für Energie belaufen sich auf monatlich 34 Euro, Mobilität verteuerte sich um neun Euro, ermittelte das Institut.

Nach Beobachtung der NGG treffen die Preissprünge im Supermarkt "ausgerechnet die Menschen besonders stark, die selbst mit Lebensmitteln arbeiten – ob im Restaurant, in der Brauerei oder in der Backwarenfabrik". Zwar sei es der Gewerkschaft in diesem Jahr gelungen, durch Tarifabschlüsse etwa im Gastgewerbe kräftige Lohnerhöhungen zu erzielen. Die Inflation drohe jedoch, diese zunichte zu machen, so die NGG. "Was wir jetzt brauchen, sind spezielle Hilfen für Beschäftigte mit geringen Einkommen. Aber auch für Rentnerinnen und Rentner, Studierende und Arbeitsuchende. Die bisherigen Entlastungspakete der Bundesregierung reichen nicht aus. Die Ampel muss nachlegen", fordert Wolf.

Der Geschäftsführer der NGG-Region Schwarzwald-Hochrhein spricht sich für einen "Energiepreisdeckel" aus, um Privathaushalte vor explodierenden Kosten für Gas und Strom zu schützen. Dabei müssten alle Entlastungen sozial ausgewogen sein. "Starke Schultern können mehr tragen als schwache. Deshalb wäre es auch konsequent, Reiche stärker an der Finanzierung der Krisenlasten zu beteiligen – zum Beispiel durch eine einmalige Vermögensabgabe", so die deutliche Forderung Wolfs.

Die NGG gilt als die älteste deutsche Gewerkschaft, ihre Geschichte geht bis ins Jahr 1865 zurück. Sie zählt bundesweit knapp 200 000 Mitglieder und vertritt Beschäftigte in der Lebensmittelbranche und im Gastgewerbe. Die Gewerkschaft ist in 52 Regionalabteilungen unterteilt.

Darum steigen die Preise

Die derzeitigen Preissteigerungen haben vor allem zwei Ursachen: Zum einen befindet sich die Wirtschaft nach Einschränkungen durch die Corona-Krise auf Erholungskurs: Die Nachfrage nach Energie und Materialien steigt. Hinzu kommt der Krieg in der Ukraine. Teil der EU-Sanktionen gegenüber Russland ist ein Verzicht auf große Teile des russischen Öls. Auch ein Gaslieferstopp seitens Russlands ist denkbar. Wenn sich die Preise stärker erhöhen als die Gehälter der Menschen steigen, schwindet ihre Kaufkraft. Genau dies befürchtet die NGG im Bezug auf die aktuelle Situation.