"Nicht die Pferde scheu machen": Landrat Frank Scherer warnt in Sachen Krankenhaus vor Panikmache. Foto: Bildstein

Landrat Frank Scherer widerspricht Spekulationen um die Zukunft des Krankenhauses. Das Klinikum in Lahr sei unverzichtbar.

Lahr – Für 250 Millionen Euro soll in den nächsten Jahren in Lahr de facto eine neue Klinik entstehen. So will es die Agenda 2030, die der Ortenauer Kreistag beschlossen hat. Doch einmal mehr geht in der Stadt und darüber hinaus die Angst um die Zukunft des Krankenhauses um. Die LZ hat sich mit Landrat Frank Scherer über das Thema unterhalten.

Herr Scherer, kommen wir gleich zur Sache: Werden die Neubauten für das Lahrer Krankenhaus umgesetzt wie geplant?

Der Grundsatzbeschluss des Kreistags sieht vor, Offenburg und Lahr zu Häusern der Maximalversorgung weiterzuentwickeln. Erst am 3. Mai dieses Jahres hat der Kreistag die optimierte Planung für einen Ersatzneubau in Lahr beschlossen. Diese politischen Beschlüsse sind für mich bindend und ich strebe keine Änderungen an. Das Ortenau-Klinikum in Lahr ist unverzichtbarer Bestandteil unseres Zukunftskonzepts.

Gilt das auch, wenn die Zahl der Patienten weiter abnimmt? Zu Beginn der Klinik-Reform ging man von insgesamt 1600 benötigten Betten aus, aktuell plant man mit 1200. Nicht wenige bezweifeln, dass in naher Zukunft überhaupt noch eine vierstellige Anzahl gebraucht wird.

Richtig ist, dass die Ambulantisierung im Gesundheitssystem weiter vorangeht. Seit Corona hat sich diese Entwicklung noch deutlich verstärkt. Dass die Anzahl der Betten immer als messbare Größe verwendet wird, kann ich nachvollziehen, weil viele immer noch glauben, die medizinische Leistungsfähigkeit und Bedeutung eines Krankenhauses allein an der Bettenzahl festmachen zu können. Das ist aber heute nicht mehr der richtige Ansatz.

Um was geht es dann?

Vor allem um die medizinische Leistungsfähigkeit und nicht darum, wie hoch die Anzahl der Betten ist, die wir vorhalten und die dann gegebenenfalls leer stehen. Unsere Aufgabe ist es deshalb in erster Linie, das medizinische Leistungsangebot an allen geplanten Standorten im Sinne der bestmöglichen Versorgung der Bürgerinnen und Bürger so auszutarieren, dass jeder Standort seine Bedeutung entsprechend der Beschlusslage behält. Die Ortenau wird aber definitiv weiterhin eine vierstellige Anzahl an Betten vorhalten.

Die Lahrer Sorgen lassen sich so zusammenfassen: Für die Planungen in Offenburg und Achern hat das Land bereits Fördergelder zugesagt. Dazu kommt Wolfach, das aufgrund der räumlichen Struktur alternativlos ist. Lahr als vierter Klinik-Standort könnte indes überflüssig werden. Ist diese Sorge komplett unbegründet?

Ja. Gesundheitsminister Manfred Lucha hat unsere Agenda 2030 stets als Leuchtturmprojekt bezeichnet und eine hohe Förderung für das Gesamtprojekt in Aussicht gestellt. Dass für Achern und Offenburg der Einstieg in die Förderung schon erfolgt ist, sehe ich als positives Signal für unser Konzept. Das Ministerium kennt unsere Vier-Standorte-Planung und den grundsätzlichen Förderbedarf einschließlich für Lahr und hat diesen auch zuletzt erneut öffentlich bestätigt.

Im Sommer sollen Chefärzte des Ortenau-Klinikums Sie angeschrieben haben – Tenor: Künftig würde ein einziger Neubau in Offenburg ausreichen. Ein gänzlich abwegiges Szenario?

Das Schreiben war eine fachliche Meinungsäußerung, wobei die Ärzte klarmachten, dass sie die Entscheidungen zur Agenda 2030 in vollem Umfang mittragen. Auch ist es nicht richtig, dass in dem Schreiben ein einziger Neubau in Offenburg als ausreichend bezeichnet worden sei.

Sondern?

Es ist den Medizinern wichtig, auf die sich schneller als ursprünglich erwartet verändernden Rahmenbedingungen hinzuweisen. Die im Schreiben erwähnten Entwicklungen und die darauf basierenden Argumente sind für die Kreispolitik indessen nicht neu, sondern waren schon die Triebfeder der Agenda 2030 und damit der Standortreduzierung von neun auf vier Standorte. Für mich waren und sind die vier beschlossenen Standorte deshalb unverzichtbarer Bestandteil der Agenda 2030, daran ist nicht zu rütteln. Ein zentraler Klinikstandort steht daher nach wie vor nicht zur Debatte. Denn die ausführlichen Beratungen und Gutachten im Agenda-Prozess haben gezeigt, dass wir mit dem beschlossenen Modell die Menschen in der Region am besten versorgen können.

Auch von den Rathauschefs des Altkreises Lahr haben Sie einen Brief bekommen. Sie fordern, die Agenda-Beschlüsse einzuhalten, konkret: das Lahrer Krankenhaus als Maximalversorger auszubauen. Haben Sie schon geantwortet?

Ich bin froh, dass auch die Bürgermeister zu dem Beschluss der Agenda 2030 stehen und uns bei der Umsetzung weiterhin unterstützen wollen. Mein Antwortschreiben steht noch aus.

Sie haben sich in der Vergangenheit mehrfach offen angefressen gezeigt ob des Lahrer Misstrauens bezüglich ihres Krankenhauses. Wie sehr nervt Sie die erneute Diskussion jetzt?

Ich bin immer offen für sachliche Diskussionen und Vorschläge. So sehe ich auch den Beitrag unserer Chefärzte. Es ist ein wichtiger Teil unserer Unternehmenskultur, dass im Ortenau-Klinikum jeder seine Meinung intern offen äußern kann und auch soll. Auf dieser Basis ist die Agenda 2030 mit den fachlich getragenen politischen Beschlüssen überhaupt nur umsetzbar gewesen. Nicht hilfreich sind aber öffentliche Spekulationen, das Streuen von unbegründeten Befürchtungen und unnötiger Aktionismus. Ich habe mich selbst mehrfach öffentlich zur Bedeutung des Standortes Lahr bekannt. Auch der Minister steht dahinter. Wem es wirklich nur um die beste Lösung für Lahr geht, sollte auf dem Weg dahin jetzt nicht die Pferde scheu machen, nur weil es für die zeitlich fortgeschritteneren Projekte in Achern und Offenburg schon eine Förderzusage für die Planungen gibt und wir insgesamt weniger Betten brauchen.

Wann rechnen Sie mit dem Förderbescheid für Lahr?

Wir stehen in einem sehr engen und ständigen Austausch mit dem Ministerium, insbesondere auch bezüglich der Förderung aller Bauprojekte. Unser Ziel ist es, die Förderverfahren für alle Bauvorhaben möglichst schnell abzuschließen und eine hohe Förderquote zu erreichen. Zu welchem Zeitpunkt die Projekte in das Landeskrankenhausbauprogramm aufgenommen werden, ist jedoch ausschließlich Sache des Landes. Darauf haben wir keinen Einfluss. Aufgrund der guten Gespräche mit dem Land sind wir aber zuversichtlich, dass wir auch für Lahr bald eine Förderzusage für die Planungen erhalten.