799 Paare haben im vergangenen Jahr ihre Ehe trennen lassen. Kreis hat die fünftgeringste Rate im Land.
Ortenau - Aus, Schluss, vorbei: Im Ortenaukreis sind im vergangenen Jahr 799 Ehen geschieden worden – das sind 81 von 10 000. Die Gründe dafür, sagen Experten, sind vielfältig. Der Scheidungsboom scheint jedoch vorbei zu sein.
In ganz Baden-Württemberg sind im vergangenen Jahr 22 206 Ehen geschieden worden. Das waren knapp fünf Prozent weniger als im Jahr davor. Das geht aus einer Studie des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg hervor. In der Ortenau haben sich 799 Paare scheiden lassen – das heißt, 81 von 10 000 Ehen wurden getrennt. Damit hat der Ortenaukreis die fünftgeringsten Scheidungsrate in ganz Baden-Württemberg. Im Jahr 2011 sind es im Kreis 832 Scheidungen gewesen, 2010 waren es 803 und im Jahr 2009 gingen 742 Paare getrennte Wege. Zwar haben sich in ganz Baden-Württemberg, und damit auch in der Ortenau, die Scheidungszahlen von 1980 bis heute um rund 70 Prozent erhöht – doch die Spitzenwerte der beginnenden 2000er-Jahre wurden auch nicht erreicht.
In Städten, so das Statistische Landesamt, ließen sich Menschen eher scheiden, als auf dem Land, oder generell in ländlichen Gebieten. Das heiße für den Ortenaukreis, dass es die meisten Scheidungen in Offenburg gibt. Laut dem dortigen Familiengericht haben sich im vergangenen Jahr 414 Ehepaare scheiden lassen. In Kehl sind es "ungefähr 128" Schiedungen gewesen, die ausgesprochen worden sind, sagte der zuständige Familienrichter. Die Zuständigen am Amtsgericht in Lahr, sind gestern nicht zu erreichen gewesen. Allerdings, heißt es in der Studie, werde das "Stadt-Land-Gefälle" immer geringer.
Kinder tragen zur Bindung bei
Die Theorie, dass die Scheidungsrate in den Landkreisen höher ist, in denen eine hohe Arbeitslosenrate herrscht – folglich herrscht eine niedrige Scheidungsrate in Landkreisen, die eine geringe Arbeitslosenzahl haben – wird in der Ortenau bestätigt: Im September sind im Kreis 8337 Arbeitslose gemeldet gewesen, 0,4 Prozent unter dem Landesdurchschnitt. Die Scheidungsquote für Baden-Württemberg liegt bei 94 von 10 000 Scheidungen. Damit liegt die Ortenau 13 Trennungen darunter.
Von einer Trennung ist aber nicht nur das Paar betroffen, sondern meist auch Kinder. Im vergangenen Jahr war das bei jeder vierten im Land geschiedenen Ehe der Fall – 18 137 Kinder. Minderjährige sind allerdings auch oft der Grund, warum Paare sich nicht oder später als sie es möchten, scheiden lassen, erklärt Gabriele Haberer-Wanner, Heilpraktikerin für Psychotherapie in Lahr. "Kleine Kinder tragen zur Bindung zwischen den Partnern bei." Wenn Kinder älter sind, falle das oft in die eigene Sinnkrise der Eltern – dann gehe es darum, über das eigene Leben Bilanz zu ziehen, festzustellen, was man selbst erreicht hat und wo man mit dem eigenen Leben noch hin möchte. "Wenn Paare dann feststellen, dass sie sich nur über ihre Kinder definieren, aber der Rest nicht mehr passt, dann wird es schwierig", so Haberer-Wanner. Viele Paare blieben noch einige Jahre zusammen, obwohl die Beziehung zueinander schon nicht mehr stimme – in der Annahme, das sei besser so für ihre Kinder. Doch das müsse nicht stimmen.
Generell habe sich, so die Heilpraktikerin für Psychotherapie, die Anspruchshaltung an sich und den Partner verändert. "Wir haben immer vielfältigere und immer mehr Rollen, die wir ausfüllen möchten", sagte Haberer-Wanner. Wwrde das Individuum einer Rolle nicht in der Art und Weise gerecht, wie es das gerne täte, schlage auch das sich auf die Beziehung nieder.
Erwachsene heutzutage wollten aus den Strukturen ihrer Eltern ausbrechen, schafften es aber nicht, weil sie kein Alternativmodell zur Hand hätten. Auch akzeptierten Ehepartner heute nicht mehr alles, machten etwa Betrug durch den Partner öffentlich. "Generell wird nicht mehr so viel hingenommen wie früher noch", betonte die Expertin.