Auch syrische Kinder und Jugendliche, die auf der Flucht von ihren Eltern getrennt worden sind, kommen in den Ortenaukreis. Foto: Symbolfoto: Stache

Landrat Scherer schreibt wegen der Unterbringung minderjähriger Flüchtlinge im Kreis einen Brief an Kretschmann.

Ortenau - Die "zugespitzte Lage bei der Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge" im Ortenaukreis hat Landrat Frank Scherer (parteilos) dazu veranlasst, einen Brief an den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) zu schreiben. Scherer fordert mehr Unterstützung bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme. Bürgerkriege, Hungersnöte, Übergriffe – jedes Jahr fliehen Hunderttausende vor schweren Menschenrechtsverletzungen aus Krisengebieten. Darunter auch immer mehr Minderjährige, die ohne ihre Eltern oder Angehörigen flüchten. Während die Zahl der Inobhutnahmen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen im Ortenaukreis in den Jahren 2002 bis 2010 zwischen vier und 21 Kindern und Jugendlichen schwankte, ist seit dem Jahr 2011 ein sprunghafter Anstieg zu verzeichnen. Im vergangenen Jahr haben sich laut dem Landratsamt Ortenaukreis die Inobhutnahmen gegenüber 2012 mehr als verdreifacht: 71 Mädchen und Jungen mussten versorgt werden.

"Seit Jahresbeginn 2014 hat unser Jugendamt bereits 36 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgenommen, darunter auch Kinder im Alter von zwei und sechs Jahren, die auf der Flucht aus Syrien von ihren Eltern getrennt wurden", informiert Landrat Scherer. "Die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Jugendhilfe im Ortenaukreis sind sehr besorgniserregend. Die Jugendhilfe hat weder das Instrumentarium noch verfügt sie über die notwendige Zahl von Plätzen in Einrichtungen und über die personellen Ressourcen, um auf die überproportionale Zunahme von Flüchtlingen unter 21 Jahren angemessen reagieren zu können", mahnt Scherer.

Bereits im vergangenen August und im vergangenen Dezember hat er die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney (Grüne) auf die prekäre Situation aufmerksam gemacht und um Unterstützung gebeten. Der Landrat warb in den Schreiben an die Ministerin nachdrücklich dafür, dass bei der Neuregelung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes eine geregelte Zuteilung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge erfolge, die alle Stadt- und Landkreise gleichermaßen berücksichtige. "Bedauerlicherweise wurde diese Anregung nicht umgesetzt, obwohl uns das Ministerium für Integration zugesagt hatte, unser Anliegen in die Überlegungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens einzubeziehen", bemängelt der Landrat. Er fühlte sich mit der Problematik, von der auch andere Grenzlandkreise betroffen sind, alleine gelassen und wandte sich deshalb nun direkt an den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann.

"Dass diese Kinder und Jugendlichen eines besonderen Schutzes bedürfen und es gute Gründe gibt, die Leistungen für diesen Personenkreis auf der Grundlage des Kinder- und Jugendhilferechts zu erbringen, steht für mich außer Frage", so Scherer in seinem Brief. "Obwohl vom Jugendamt in Zusammenarbeit mit freien Trägern in kürzester Zeit zwei neue Wohngruppen im Ortenaukreis geschaffen wurden, sind die Möglichkeiten der Heimunterbringung hier erschöpft und es bestehen über Monate hinaus Wartelisten."

Die Jugendhilfe im Ortenaukreis könne dadurch ihrer Aufgabenstellung sowohl für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge als auch für andere Kinder und Jugendliche, die einer stationären Hilfe bedürfen, nicht mehr gerecht werden.

"Insbesondere auch im Interesse der Kinder und Jugendlichen, die teilweise unter extremsten Bedingungen ihr Heimatland verlassen mussten und hier aufgegriffen werden, bitte ich Sie für eine landesweite Verteilungsregelung Sorge zu tragen und die maßgebenden Ministerien zu beauftragen, die hierfür erforderlichen Grundlagen rasch zu schaffen", appelliert Scherer an den Ministerpräsidenten.