Die Landestagsabgeordnete Sandra Boser (Mitte) besuchte die Familie Hassan aus Syrien in ihrem Zimmer im Flüchtlingsheim. 34 Familien leben in den beiden Gebäuden in der Geroldsecker Vorstadt. Dazu kommen 60 alleinstehende Männer. Foto: Kuhr

Bislang zu wenig Unterkünfte im Ortenaukreis. MdL Sandra Boser (Grüne) besichtigt Heime in Lahr.

Lahr - Im Ortenaukreis fehlen bis zum Jahresende noch fast 200 Flüchtlingsunterkünfte. Landtagsabgeordnete Sandra Boser (Grüne) hat die Heime in der Geroldsecker Vorstadt besucht und besprach die Lage mit Vertretern von Landratsamt und Ortenaukreis.

Lange Flure durchschneiden die beiden ehemaligen Pilotenquartiere der kanadischen Streitkräfte in der Geroldsecker Vorstadt. Jetzt, zur Mittagszeit, liegt Essensduft in der Luft. An den Türen der Küchen und Sanitäranlagen kleben Schilder in Bildersprache – in der Flüchtlingsunterkunft kann schließlich noch kaum jemand Deutsch lesen.

Landtagsabgeordnete Sandra Boser besichtigte gestern gemeinsam mit Michael Loritz, Rechtsdezernent des Ortenaukreises, und Alexandra Roth vom Landratsamt die Räumlichkeiten. Durch die Einrichtung führte Silvia Abbes, die Heimleiterin.

144 Flüchtlinge leben in den beiden spartanisch, aber funktionell eingerichteten Gebäuden – im Familienverband oder allein. Mit den 43 Asylbewerbern, die in der ehemaligen Malerfachschule untergebracht sind, kommt die Stadt Lahr aktuell auf 187 Flüchtlinge.

Aber nicht alle Menschen, die in diesem Jahr noch aus den Krisenregionen der Welt in den Ortenaukreis kommen, können sicher mit einer ähnlich guten Unterbringung rechnen. 1064 Flüchtlinge leben momentan in Heimen im Kreis. Bis Jahresende wird sich die Zahl auf fast 1400 erhöhen, Platz gibt es bislang aber nur für 1200 Menschen.

"Es fehlen uns noch an die 200 Unterkünfte im Ortenaukreis", sagte Michael Loritz im Anschluss an den Rundgang im Gespräch mit der Landtagsabgeordneten Boser. "Die Welle erwischt uns voll." Normalerweise bringe man die Flüchtlinge möglichst in größeren Gemeinden unter, weil es dort Ärzte und Schulen gebe.  Diesen Vorsatz habe man angesichts der stetig steigenden Flüchtlingszahlen vorerst aufgegeben. "Momentan nehmen wir alles, was wir kriegen können."

Auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten sei man zwar fast wöchentlich erfolgreich. Loritz räumte aber ein, dass man dabei zur Zeit auch Optionen akzeptiere, die man in Normalzeiten nicht angeschaut hätte. "Wir müssen erst einmal über den Winter kommen", sagte er. Zelt- und Hallenunterkünfte schloss er aus; Brandschutz und Heizung seien in jedem Fall gewährleistet. Aber hohe Standards, zum Beispiel, was die Lage der Unterkünfte angehe, seien momentan nicht durchsetzbar.  Als "eiserne Reserve" führte er zwei isoliert gelegene  Herbergen in der Nähe von Gengenbach an: den Mattenhof und den Höllhof.

Im nächsten Jahr werde jedoch viel passieren, gelobte Loritz. In Offenburg, Friesenheim, Oberkirch und Achern würden Unterkünfte neu gebaut, mit Kehl sei man diesbezüglich im Gespräch. Und auch in Lahr hoffe er auf Neubauten.

An Boser gewandt bemängelte Loritz, dass die Kommunen für die Flüchtlingsunterbringung nicht genügend Geld bekämen. 13.000 Euro – so hoch ist die Pauschale pro Flüchtling. Davon müssen die ärztliche und soziale Betreuung sowie die Wohnkosten während der maximal zwei Jahre dauernden Erstunterbringung bezahlt werden. "Wir können damit nur unsere Pflicht abdecken", so Loritz. Momentan käme im Ortenaukreis nur ein Sozialarbeiter auf 200 Flüchtlinge. Einen großen Teil der Betreuung würden Ehrenamtliche stemmen.

Boser versprach, die Kritikpunkte mit in die nächsten Verhandlungen zu nehmen. Die Pauschale werde derzeit geprüft. Sie halte es für möglich, Flüchtlinge künftig gesetzlich krankenzuversichern, was die Kreise finanziell zusätzlich entlasten würde. Außerdem sei es ihr Ziel, die ehrenamtlichen Helfer besser zu vernetzen. "Eine gute Flüchtlingsunterbringung kann nur funktionieren, wenn alle Beteiligten zusammenarbeiten", sagte sie, "Bund, Land, Landkreise, Kommunen und Ehrenamtliche."