Der Beratungsbedarf ist riesengroß: Aufgrund der Corona-Einschränkungen blieb die klassische Berufsorientierung in den vergangenen Jahren auf der Strecke, mehr Schüler hadern in der Konsequenz mit dem Wechsel ins Berufsleben. Foto: Scholz

Ausbildung, Studium oder doch weiter Schule? Die Orientierungslosigkeit bei Ortenauer Schulabgängern ist in Folge der Corona-Einschränkungen groß. Arbeitsagentur, Schulamt und Regierungspräsidium wollen helfen – und bekräftigen ihre Zusammenarbeit.

Der Übergang zwischen Schule, Ausbildung oder Studium war wohl nie ganz einfach – Corona hat die Lage jedoch deutlich verkompliziert. Praktika waren in den Pandemie-Jahren nur schwer, die persönliche Beratung zeitweise gar nicht möglich – die klassische Berufsorientierung blieb oft auf der Strecke. Das zeigt nun eine unschöne Wirkung: „Unser Eindruck ist, dass die Schere zwischen den Jugendlichen, die ganz genau wissen, was sie wollen, und denen, bei denen das gar nicht so ist, immer größer wird“, erläuterte Thomas Hecht vom Regierungspräsidium Freiburg am Dienstag in Offenburg. Dabei ist der Bedarf bei den Unternehmen in der Region riesig.

Institutionen arbeiten bereits seit 2014 zusammen

Gemeinsam mit Theresia Denzer-Urschel, Chefin der Arbeitsagentur Offenburg, und Gabriele Weinrich, Leiterin des Offenburger Schulamts, hatte Hecht zum Pressegespräch eingeladen. Der Hintergrund: Die drei Institutionen bekräftigten mit einer Unterschrift die Kooperation zwischen Schule und Berufsberatung. Denn: „Der Bedarf ist riesengroß“, betonte Hecht.

Neu ist die Zusammenarbeit nicht, bereits seit 2014 bestehe das „enge Verzahnung“ zwischen der Berufsberatung und den mehr als 52 Schulen im Kreis, erläuterte Denzer-Urschel. Allerdings werde diese immer wieder überarbeitet, an neue Bedürfnisse angepasst. Neu ist nun unter anderem der verstärkte Fokus auf berufliche Schulen und Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren. Auch wollen sich Berufsberater und Lehrer verstärkt um einzelne Schüler kümmern, die sich schwer tun.

„Kern der Vereinbarung sind unsere Tandems Schule-Berufsberatung“, erläuterte die Agentur-Chefin. Dabei handelt es sich um verbindliche Strukturen, einen regelmäßigen Austausch zwischen der jeweiligen Schule und der Berufsberatung. Die Tandem-Teams „können sich sehr individuell um Jugendliche kümmern“, so Denzer-Urschel, wenn die Gefahr bestehe, dass der Übergang zwischen Schule und Ausbildung knifflig sein könnte.

Besonders viele Schüler fallen derzeit durchs Raster

Grundsätzlich geht es bei der Kooperation um ganz unterschiedliche Formate – unter anderem um das Pflichtprogramm im Lehrplan: Schulpraktika und deren Vorbereitung, etwa Besuche mit der Klasse im Berufsinfozentrum der Arbeitsagentur. Aber auch freiwillige Hilfe, beispielsweise regelmäßige Sprechstunden der Berufsberater in den jeweiligen Schulen sind im Angebot. „Unser Anspruch: Kein Jugendlicher geht verloren“, betont Agenturleiterin Denzer-Urschel. Dabei zeichne sich laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung ab, dass derzeit besonders viele Schüler durchs Raster rutschen.

„Mehr Schüler als in der Vergangenheit sind weder im Schulsystem noch in Ausbildung“, so Denzer-Urschel. Es gebe mehr junge Menschen, die „einfach Zuhause sitzen“. Zudem blieben viele aus Verunsicherung lieber im bekannten System Schule, drehten einige zusätzliche „Schleifen“, so Schulamtsleiterin Weinrich. „Wir wollen den Schülern deutlich zu machen: Wenn sie keinen konkreten Abschluss machen wollen, ist das verlorene Zeit.“ Gleichzeitig suchten Handwerk und Industrie händeringend nach Auszubildenden. Die Fülle an Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten sei für viele Schüler ein Problem, konstatierte Weinrich.

Unter anderem hier will das Bündnis aus Berufsberatung und Schule ansetzen: „Wir müssen die Schüler befähigen, dass sie sich in diesem Wust zurechtfinden“, betonte Gerfried Kübler, Schulreferent für Gymnasien im Regierungspräsidium Freiburg. Auch das Elternhaus soll verstärkt mit ins Boot geholt werden. Denn nach wie vor seien die Erziehungsberechtigte bei der Berufswahl wichtige Impulsgeber.