Der tagelang gesuchte Yves R. aus Oppenau wird in Offenburg vom Gelände der Staatsanwaltschaft in eine Justizvollzugsanstalt überführt. Foto: Spether

Mutmaßlicher Räuber nach sechs Tagen Flucht gestellt. Polizei und Bürgermeister zeigen sich erleichtert.

Oppenau/Offenburg - Seit Samstag sitzt der tagelang gesuchte Yves R. in Untersuchungshaft. Für die ihm vorgeworfene schwere räuberische Erpressung muss der 31-Jährige mit bis zu 15 Jahren Haft rechnen. Unklar ist, was ihn zu der Tat bewogen hat.

Hier geht's zu unserem Liveblog zum SEK-Einsatz in Oppenau

Die Erleichterung am Freitagabend in der Oppenauer Günter-Bimmerle-Halle ist groß. Sichtlich erschöpft, aber mit einem Lächeln tritt Polizeipräsident Reinhard Renter gegen 20 Uhr an die eilig aufgebauten Mikrofone: Yves R. sei gefasst. Kräfte eines Sondereinsatzkommandos (SEK) hätten ihn wenige Stunden zuvor – gegen 17.17 Uhr erklärt Einsatzleiter Jürgen Rieger später – festgenommen.

Seit Samstag sitzt der 31-Jährige in einer Justizvollzugsanstalt, teilten Polizeipräsidium und Staatsanwaltschaft Offenburg mit. Am Samstag ist er einem Haftrichter vorgeführt worden. Gegenüber der Kriminalpolizei zeigt er sich gesprächig.

Von "umfassenden Angaben" ist die Rede. So soll es sich unter anderem bei der Pistole, die er genutzt habe, um Polizeibeamte zu entwaffnen, um eine Schreckschusswaffe gehandelt haben, erklärt Yves R. bei seiner Vernehmung. "Diese Angaben können zum jetzigen Zeitpunkt nicht widerlegt werden", kommentieren das Polizei und Staatsanwaltschaft.

Angefangen hatte alles vor einer Woche

Der Leitende Oberstaatsanwalt Herwig Schäfer, Chef der Offenburger Staatsanwaltschaft, prognostiziert noch am Freitagabend ein "zügiges Ermittlungsverfahren" von acht bis zwölf Wochen. Dann soll die Entscheidung über die Anklageerhebung fallen. Alleine für die besonders schwere räuberische Erpressung, die ihm vorgeworfen wird, müsse Yves R. mit 5 bis 15 Jahren Gefängnis rechnen, erklärt Schäfer.

Angefangen hatte alles am Sonntagmorgen vor einer Woche: Yves R. entwaffnet mit vorgehaltener Pistole vier Beamte, flieht mit deren Dienstwaffen in den Wald. Zunächst bleibt unklar, wie genau ein einzelner Mann die vier Polizisten so überrumpeln konnte.

Mehr Klarheit bringt Oberstaatsanwalt Schäfer in einer Pressekonferenz am Dienstagnachmittag: Zunächst habe sich Yves R. kooperativ gezeigt. Als ein Beamter an ihn herantrat, sei die Stimmung aber gekippt: Irgendwoher zieht Yves R. eine Waffe und richtet sie aus einem Meter Entfernung auf den ihm nächsten Polizeibeamten. Bis zum Schluss behält er diesen mit der Pistole im Visier. Er fordert die Polizisten auf, ihre Waffen niederzulegen und sich zu entfernen – dem kommen sie nach. "Die Polizeibeamten fürchteten um das Leben ihres Kollegen", erklärt Schäfer später. Die Bedrohung sei zu groß gewesen, betont auch Renter. Dass niemand verletzt wurde, sei dem besonnenen Handeln seiner Kollegen zu verdanken.

Mehr als 300 Zeugenhinweise gehen ein

Noch am Sonntag beginnt eine Großfahndung – mit Hubschraubern, Hundestaffeln, Sondereinsatzkommando (SEK) sowie ortskundigen Führern. Bis zu 440 Beamte sind gleichzeitig im Einsatz, durchkämmen den Wald. Mehr als 300 Zeugenhinweise gehen ein, viele verweisen auf die Region rund um Oppenau. Die Einsatzkräfte durchsuchen Höhlen, alte Bunker und verlassene Häuser – tagelang ohne Erfolg. Bis zum Schluss werden insgesamt 2530 Beamte eingesetzt.

Zwischenzeitlich werden immer mehr Details über den Menschen Yves R. bekannt. "Waffennarr" nennt ihn Oberstaatsanwalt Schäfer einmal, als "Waldläufer" sehe sich der wohnsitzlose Mann wohl selbst. Im Ort gilt er als "seltsame Person", erklärt Bürgermeister Uwe Gaiser. Familie und Freunde beschreiben den 31-Jährigen hingegen als freundlich und hilfsbereit.

Am Donnerstag gibt die Staatsanwaltschaft dann bekannt, dass Yves R. mit 15 Jahren wegen antisemitischer Schmierereien zu einer Jugendstrafe verurteilt worden war. Seitdem sei er nicht mehr wegen politischer Straftaten in Erscheinung getreten. Doch 2010 verletzte er seine damalige Partnerin mit einer Armbrust schwer – eine mehrjährige Haftstrafe war die Konsequenz. Seitdem war es ihm untersagt, Waffen zu tragen – trotzdem geriet er wegen Waffenbesitzes immer wieder in Konflikt mit der Polizei.

Am Freitag hatte Polizei an Gesuchten appelliert

"Wir fühlen uns sehr sicher", erklärt Stephan Hodapp, Vorsitzender des Handel- und Gewerbevereins, am Freitagvormittag noch vor der Festnahme. Die Polizei zeige starke Präsenz, sei schon präventiv in seinem Laden gewesen. "Wir sind der sicherste Ort in Baden-Württemberg", scherzt er im Gespräch mit unserer Zeitung.

Am Freitagnachmittag verkündet Polizeipräsident Renter dann einen Strategiewechsel: "Herr Rausch, nehmen Sie Kontakt zu uns auf", so sein Appell an den Flüchtigen, der ihn nicht mehr erreichen sollte. Denn was nur wenige im Raum zu diesem Zeitpunkt wissen: Zeugenhinweise lösen noch während der Pressekonferenz einen Polizeieinsatz in einem Seitental der Rench bei Ramsbach aus. "Wir waren draußen, haben die Gegend beobachtet, und er ist hier rausgelaufen wie ein Spaziergänger, zügig, mit Wanderstock. Bis ich die Polizei gerufen habe, war er schon außer Sichtweite", berichtet eine der Zeuginnen.

Viele Fragen sind nach wie vor offen

Beamte finden Yves R. schließlich in einem Gebüsch hockend. Eine erste Ansprache scheitert, das SEK übernimmt. Er stellt sich nicht – beim Zugriff wird er selbst leicht verletzt, ein SEK-Beamter bekommt eine Schnittwunde ab.

Yves R. befindet sich jetzt zwar in Haft. Doch der Fall ist weit davon entfernt, abgeschlossen zu sein – zu viele Fragen sind nach wie vor offen. Das Motiv des 31-Jährigen gibt den Ermittlern nach wie vor Rätsel auf. Auch wo sich der "Waldläufer" so lange vor der Polizei versteckt, wie er alleine im Wald überlebt, wo er Wasser und Nahrung gefunden hat, ist noch unklar.

Unterstützung von anderen Menschen soll er laut Polizei nicht bekommen haben. Klar ist jedoch: Die Bürger der Schwarzwaldgemeinde Oppenau können nun aufatmen.

Mehr über die Flucht von Yves R. und den Großeinsatz der Polizei auf unserer Themenseite.