Gérard Mortier (rechts) im Jahr 2000 beim „Kulturgespräch“ unserer Zeitung. Foto: Kern

Auch als Gast der Reihe „Kulturgespräch“, gemeinsame Veranstaltung unserer Zeitung und der Landesbank Baden-Württemberg im Landesbank-Forum in Stuttgart, unterstrich Gérard Mortier im ­Dezember des Jahres 2000 seine Positionen nachdrücklich.

Auch als Gast der Reihe „Kulturgespräch“, gemeinsame Veranstaltung unserer Zeitung und der Landesbank Baden-Württemberg im Landesbank-Forum in Stuttgart, unterstrich Gérard Mortier im Dezember des Jahres 2000 seine Positionen nachdrücklich.

Stuttgart - Er war ein stets furchtloser Kämpfer und „Störenfried“, der für die Modernisierung der Oper in viele Schlachten ging und oft gegen enormen Widerstand alte Strukturen aufbrach. Seinen letzten Kampf, den gegen den Krebs, hat der Belgier Gérard Mortier mit 70 Jahren zwar verloren. Seine Errungenschaften und seine Ideen werden den Sohn eines Bäckers aus Flandern aber überleben.

 

In Deutschland bewies er seinen Innovationsgeist unter anderem 2002 als Gründungsintendant der Ruhrtriennale in Essen. „Er war zweifellos derjenige, der die Welt der Oper in den vergangenen Jahren am stärksten beeinflusst und verändert hat“, sagte Mortiers letzter Chef, Gregorio Marañón, Stiftungspräsident des Madrider Teatro Real, nach Bekanntwerden des Todes am Sonntag.

Dabei hatte das „Enfant terrible“ erst vor wenigen Monaten am Madrider Opernhaus seinem Ruf alle Ehre und viel Ärger gemacht. Als er im Herbst – drei Jahre vor Ablauf seines Vertrages – abgelöst werden sollte, hatte er darauf bestanden, bei der Auswahl seines Nachfolgers im Amt des künstlerischen Direktors ein Wörtchen mitzureden, und sich energisch gegen das Vorhaben des Kulturministeriums ausgesprochen, einen Spanier zu berufen. Die Verantwortlichen des Teatro aber bestimmten den Katalanen Joan Matabosch zum Nachfolger. Am Ende arrangierte sich Mortier dann jedoch mit dem Opernhaus. Er verständigte sich mit dem Teatro Real darauf, den Madrilenen als Berater zu dienen.

Ende Februar hatten die Fachzeitschrift „Opernwelt“ und der Grazer Opernwettbewerb „Ring Award“ einen nach Mortier benannten Preis ins Leben gerufen. Dabei würdigten sie den Belgier als Wegbereiter für ein neues Verständnis von Oper. Der Glaube an die Modernität der Oper habe das Denken und Handeln Mortiers nachhaltig befruchtet, hieß es damals. Dazu gehörten klug durchdachte Spielpläne, ungewöhnliche Besetzungen, wegweisende Deutungen und originelle Produktionsteams.

Als Mortier Ende der 1980er Jahre als Nachfolger der „Institution“ Herbert von Karajan zum Intendanten der Salzburger Festspiele berufen wurde, rümpften die „Traditionalisten“ der klassischen Musik – damals in der absoluten Mehrheit – empört die Nase. Kein Wunder, hatte doch der damals junge Belgier sie schon so oft mit scharfen Worten attackiert. Bei der Oper denke er „nur an Krankenpflege“, schimpfte er, sie werde „als Kunstform untergehen“, prophezeite er seinerzeit barsch.

Auch als Gast der Reihe „Kulturgespräch“, gemeinsame Veranstaltung unserer Zeitung und der Landesbank Baden-Württemberg im Landesbank-Forum in Stuttgart, unterstrich Gérard Mortier im Dezember des Jahres 2000 seine Positionen nachdrücklich.

Im Gespräch mit Nikolai B. Forstbauer, Leiter des Kulturressorts unserer Zeitung, wurde seinerzeit aus Sicht unseres Beobachters „deutlich, dass die Erfolge Mortier nicht dazu verleiten, die Situation und Position von Kunst und Kultur in der Gesellschaft allzu rosig zu sehen. Im Gegenteil: Das Traditionelle, fürchtet er, wird schon heute oft nicht mehr verstanden – kein Wunder bei dem riesigen Musikangebot, das gerade auf junge Menschen verwirrend wirken muss. Auch von der Politik verspricht er sich wenig Hilfe, ,wenn es uns nicht gelingt, die Politiker davon zu überzeugen, dass es notwendig ist im demokratischen Sinne, Oper zu fördern’.

Und Gérard Mortier verweist, wie sollte es auch anders sein, auf Österreich und die Freiheitliche Partei von Jörg Haider, die an der Regierung beteiligt ist. In deren Programm, sagt er, steht der Satz: ,Kunst ist Privatsache.’ Gérard Mortier hält dagegen: ,Aber Kunst wird doch erst dann als Kunst erfahren, wenn sie in die Öffentlichkeit kommt!’“ (dpa/StN)