Digitale Lernplattform mit Problemen. Lehrer und Eltern reagieren sauer auf Beschwichtigungen aus Kultusministerium.
Der Re-Start der Schulen im Südwesten ging vielerorts mächtig schief: Pünktlich zum Schulbeginn um 7.30 Uhr gingen zum Beispiel die server der Bildungsplattform Moodle in die Knie. Digitaler Unterricht? Fehlanzeige!
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Oberndorf - Nach den Ferien ist vor den Ferien. Zumindest, was den Fernunterricht angeht. Denn wie bereits zum Ende des vergangenen Jahres werden die meisten Schüler auch beim Start ins neue Jahr über den Computer unterrichtet. Vorausgesetzt, die Software funktioniert. Gleich die erste Stunde schwänzte allerdings die digitale Lernplattform Moodle.
Betrieben wird Moodle über das Datennetz der wissenschaftlichen Einrichtungen des Landes Baden-Württemberg BelWü (Abkürzung für Baden-Württembergs extended LAN). Dort liest sich das am Morgen noch etwas anders: "Die Moodle-Plattform hat heute morgen um Punkt 8 Uhr alle Rekorde gebrochen. Die meisten Instanzen halten dem Ansturm stand." Eben. Die meisten, keineswegs alle. Das baden-württembergische Kultusministerium rechnete am Vormittag vor, es seien rund 200 Schulen betroffen gewesen. Ein Überblick:
Horb: Kapazität erschöpft
Götz Peter, geschäftsführender Schulleiter der Horber Schulen mit Empfingen und Eutingen, bezeichnet den Start mit der Lernplattform Moodle als "alles andere als erfreulich". Das liege nicht an den Schulen oder den Lehrkräften, sondern "schlicht und ergreifend an der Auslastung der Serverkapazitäten für diese Lernplattform, die trotz massiven Ausbaus, so die Beteuerung des Kultusministeriums, bei einer solch flächendeckenden Fernlernphase in die Knie geht". Das sei ärgerlich, denn die Lehrkräfte hätten sich auf das Lehren und Lernen mit Moodle gut vorbereitet. Die Lernplattform selbst biete "ein tolles Repertoire an unterschiedlichsten Möglichkeiten von der Einstellung von Arbeitsblättern über die Verlinkung kurzer Video-Lernsequenzen bis hin zu Onlinechats und Videokonferenzen". Insofern sei es doppelt schade, "dass wir wieder zu ›alten‹ Mitteln wie dem Mailversand greifen müssen". Er hoffe sehr, meint Peter, "dass das Land Baden-Württemberg die Serverkapazitäten sehr kurzfristig hochfahren kann und wird".
Freiburg: Chaos mit Ansage
In Freiburg sei der Start nach den Weihnachtsferien sehr holprig verlaufen, berichtet Vorstandsmitglied Tillmann Cordes vom Gesamtelternbeirat der Freiburger Schulen: Die Meldung des Landes Baden-Württemberg, wonach es lediglich an 200 von 4500 Schulen im Land Probleme mit Moodle gegeben habe, hält Cordes für untertrieben und nicht nachvollziehbar: "Das würde ja heißen, dass das alles Schulen im Raum Freiburg waren." Besser sei die Rückmeldung lediglich von Schulen gewesen, die mit Microsoft-Teams als Plattform in den Fernunterricht gestartet seien. "Wir können nicht verstehen, dass es keine Testphase für den Fernunterricht via Moodle geben durfte im Land", ärgert sich Cordes: "Irgendwann hätten wir Elternvertreter gern mal eine Antwort auf die Frage, wer das politisch zu verantworten hat." Der Start des Fernunterrichts sei aus seiner Sicht "Chaos mit Ansage" gewesen im Land: "Vom Kultusministerium hören wir immer, was da alles Tolles vorbereitet und gemacht wurde in den vergangenen neun Monaten. Und dann bricht doch alles zusammen, wenn es funktionieren muss", schildert der frustrierte Elternvertreter die Situation.
Balingen: Wartungsarbeiten
Auch die Kids der Balinger Grundschule Längenfeld im Zollernalbkreis haben einen holprigen digitalen Schulstart erlebt. Ein Erreichen der Plattform schul.cloud ist am Montagmorgen einfach nicht möglich. Gegen 9 Uhr kommt dann die Information per Mail von der Schule, dass es technische Probleme gebe, weil die Plattform offenbar gerade Wartungsarbeiten durchführe. Die Mutter eines Zweitklässlers kann es nicht glauben: "Wartungsarbeiten am ersten Schultag nach fast vier Wochen Ferien?" Der Zweitklässler bekommt sein Lern-Material schließlich per Mail. Im Laufe des Vormittags ist schul.cloud dann aber wieder erreichbar.
Lahr: mit Teams fein raus
Schulen, die eine andere digitale Lernplattform als Moodle nutzen, waren am Montagmorgen fein raus – denn sie hatten mit keinen Störungen zu kämpfen. Die weiterführenden Schulen in Lahr – Max-Planck-Gymnasium, Scheffel-Gymnasium und Clara-Schumann-Gymnasium – setzen zum Beispiel auf die Lernplattform Microsoft Teams. An allen drei Schulen gab es einen reibungslosen Start des Fernunterrichts. "Wir hatten keine Probleme", freute sich zum Beispiel Lehrer Philipp Freykowski, beim "Scheffel" zuständig für die Digitalisierung.
Rottweil: Lehrer gebremst
Egal welche Plattform zur Erteilung des Fernunterrichts in Rottweil genutzt wurde, einige fielen aus oder "ruckelten" – und bremsten den Tatendrang der Lehrer aus. "Der IT-Lehrer hat gleich Kontakt mit dem Anbieter aufgenommen. Morgen sollte es auf jeden Fall klappen", zeigt sich Rüdiger Gulde, geschäftsführender Schulleiter des Leibniz-Gymnasiums, zuversichtlich. Auch die NextCloud-App auf dem Schulserver kann Abhilfe schaffen. Derweil coachen sich die Lehrer untereinander, damit alles reibungslos funktioniert.
VS: "sehr differenziert"
Auch das Gymnasium am Deutenberg in Villingen-Schwenningen hatte zum Schulstart mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen: "Momentan sind die Landesserver von Moodle und Schul.Cloud leider völlig überlastet", teilt die Schule am Montag auf ihrer Webseite mit. Darauf angesprochen, erzählt Schulleiter Zoran Josipovic von einem holprigen, vor allem aber "sehr differenzierten" Schulstart am Morgen: Manche Klassen hätten von den Ausfällen gar nichts gespürt, andere konnten nicht einmal auf die Lernplattformen zugreifen. "Wir hatten enorm viele Anfragen von Eltern und Schülern, was denn los sei, weil sie gar nichts machen konnten. Andererseits habe ich vorhin mit einem Kollegen telefoniert, bei dem alles super geklappt hat", sagt Josipovic. Am Nachmittag habe sich die Situation dann ohnehin wieder entspannt.
Lörrach: System überlastet
Anja Hanke, GEW-Vorsitzende des Landkreises Lörrach, erhielt von den Schulen Meldungen wie diese: "Wir haben hier ein riesengroßes Chaos, da Moodle/big blue butten nicht funktioniert. System ist überlastet." Verbunden mit dem Vorwurf: "Die Landesregierung hatte nun ein halbes Jahr Zeit und hat dieses nicht ansatzweise genutzt, um uns Schulen ein verlässliches System bereit zu stellen." Der Satz "Bildung hat oberste Priorität" empfinde man angesichts solcher Erlebnisse als "lachhaft", er werde auch "durch mantrahaftes Wiederholen nicht glaubwürdiger". Das Problem liege eindeutig an der Serverleistung, nicht an Endgeräten, nicht an unzureichender Aus- und Fortbildung der Lehrer".
Ein dreiviertel Jahr nach dem ersten Lockdown warteten die Lehrkräfte auf eine Ausstattung mit Computern/Tablets; viele Schulen verfügten nach wie vor nur über unzureichende Internetverbindungen mit privathaushaltsüblichem DSL-Standards. Besonders ärgerlich: "Die Schulen haben eigentlich inzwischen ihre Konzepte, können sie aber nur teilweise umsetzen, weil es an der Hardware, Software oder Bandbreite hapert."
Enzkreis: Unterschiede
Eine Mutter von zwei Kindern aus Engelsbrand (Enzkreis) weiß beispielhaft sowohl Positives als auch Negatives zu berichten. Ein überlasteter Server sorgte bei ihrem Sohn für mächtige Probleme. Moodle konnte über Stunden weder für die Übermittlung von Aufgaben, noch für den Videounterricht genutzt werden. Der Elftklässer der Fritz-Erler-Schule in Pforzheim musste daher über Whatsapp die Schulaufgaben in Empfang nehmen. Statt wie geplant um 7.45 Uhr konnte erst gegen 14 Uhr der Normalbetrieb aufgenommen werden. Bei ihrer Tochter hingegen klappte ab 8.30 Uhr alles reibungslos. Die Neuntklässlerin am Reuchlin-Gymnasium in Pforzheim wird über die die Plattform "Microsoft Teams" und eine Schülercloud fernunterrichtet.