Christoph Kessler. Foto: Eibner

Leichtathletik: Donaueschinger will sich olympischen Traum erfüllen. Hallenstart in Karlsruher Europahalle. Mit Interview

"Die Verschiebung der Olympischen Spiele auf 2021 kommt mir gar nicht so ungelegen", hatte der Donaueschinger 800-Meter-Läufer Christoph Kessler im vergangenen Frühjahr betont.

Während andere Sportler mit dieser Entscheidung haderten, konnte der 25-Jährige nach überstandener Hüftoperation auch eine Entzündung im Schienbeinmuskel in Ruhe auskurieren. Für den Mittelstreckler der LG Region Karlsruhe war es danach eine Überraschung, dass er im August in Pfungstadt die beiden Stadionrunden in starken 1:47,28 Minuten bewältigte. Nur Marc Reuther war im vergangenen Jahr in Deutschland schneller. Das Jahr 2021 steht für Kessler nun ganz im Zeichen der Sommerspiele von Tokio. Los geht es aber mit einem Heimspiel.

Herr Kessler, wissen Sie schon, was Sie am 31. Juli machen?

(lacht) Dann müssten die Wettbewerbe in Tokio für die Leichtathleten starten.

Genau – dann steht die erste Runde für die Männer über 800 Meter im Olympiastadion an.

Und da möchte ich dabei sein. Das ist mein ganz großes Ziel.

Und wie schätzen Sie die Chancen ein, dass Sie sich den olympischen Traum erfüllen?

Bisher lief die Vorbereitung im Winter nahezu perfekt. Ich hatte Mitte Januar noch nie so gute Ausdauerwerte. Auch die jüngsten Tempoläufe stimmen mich sehr positiv. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass ich mich für Tokio qualifizieren kann.

Welche Voraussetzungen müssen Sie erfüllen, um für die Spiele nominiert zu werden?

Da gibt es mehrere Kriterien. Startplätze werden durch erfüllte Olympia-Normen vergeben, bei uns wird dabei eine Zeit von 1:45,20 Minuten verlangt. Weiter sind die Weltranglisten-Plätze entscheidend. Der Deutsche Leichtathletikverband (DLV, Anm. d. Red.) darf drei 800 Meterläufer nach Tokio schicken. Es geht also darum, gute Zeiten anzubieten und in Deutschland unter den Top-3 zu sein. Natürlich ist es kein Nachteil, wenn man bei den nationalen Meisterschaften weit vorne landet, am besten den Titel holt.

Um Medaillen geht es am Freitag zwar nicht, dafür steht für Sie das Heimspiel in der Karlsruher Europahalle an. Die Vorfreude ist sicher groß – oder?

Auf jeden Fall. Ich bin gespannt, wie ich abschneide. Immerhin ist dies mein erster Wettkampf des Jahres.

Was nehmen Sie sich vor?

Ach – in Sachen Zeiten oder Platzierungen mache ich mir keinen Druck. Ich will einfach Spaß haben, der Rest kommt von alleine.

Apropos Spaß. Diesen hatten im vergangenen Jahr auch die beiden Villinger Tim Assmann und Adrian Engstler über die 800 Meter. Wie sehen Sie die Entwicklung dieser beiden großen Talente?

(lacht) Die sind echt stark, wir hatten ja zuletzt auch gemeinsame Trainingseinheiten. Ich denke, dass ich aber noch die Nase vorne habe. Zumindest im Ausdauerbereich. Aber gerade Adrian ist im Sprint schon unglaublich schnell. Ich bin echt gespannt, ob wir uns in diesem Jahr mal in einem Wettkampflauf gegenüberstehen. Das wäre ein echtes Highlight.

Sind nach Karlsruhe weitere Hallenrennen geplant?

Ja, ich werde am 2. Februar in Erfurt und am 7. Februar in Dortmund antreten. Und natürlich am 20. und 21. Februar bei der DM, die ebenfalls in Dortmund stattfindet. Sollte ich mich für die Hallen-Europameisterschaft in Torun (Polen, 5. bis 7. März) qualifizieren, dann starte ich natürlich auch dort. Man muss aber natürlich auch abwarten, wie sich die Corona-Lage entwickelt.

Dies gilt auch für die Zeit nach der Hallensaison.

So ist es. Natürlich würden wir gerne wieder ein Höhentrainingslager in Flagstaff (Arizona, USA) absolvieren. Noch kann aber niemand wissen, ob es im Frühjahr überhaupt möglich ist, in die USA einzureisen. Wir schauen dann einfach, was machbar ist. In der heutigen Zeit müssen wir alle ja sehr flexibel sein. Ich lasse mich einfach überraschen, was im April oder Mai passiert.

Dann könnten Sie eventuell schon geimpft sein. Was halten Sie von der Idee, dass deutsche Olympia-Kandidaten rechtzeitig vor den Sommerspielen eine Anti-Corona-Spritze erhalten sollen?

Das ist schwierig. Ich habe mitbekommen, dass das Internationale Olympische Komitees (IOC) auf jeden Fall keine Impfpflicht plant. Ich persönlich würde mich impfen lassen, wenn ich die Möglichkeit dazu hätte. Nun sind aber erst einmal die älteren Menschen und die Risikogruppen an der Reihe. Wenn diese durch sind, dann kann man darüber anders diskutieren. Es ist viel zu früh, sich damit zu beschäftigen.

Sicher ist dagegen, dass Sie dann Ihr Master-Studium der Verfahrenstechnik beendet haben werden. Wissen Sie schon, wie es beruflich ab dem Frühjahr für Sie weitergeht?

Ich werde zunächst für weitere drei Monate am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) bleiben. Dort werde ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter forschen. Was danach kommt, das wird sich zeigen. Zunächst steht eben fast alles im Zeichen der Spiele in Tokio. n

Die Fragen stellte Gunter Wiedemann