Elena Burkard wird ihre Saison in den kommenden Wochen neu planen müssen. Foto: Eibner

Sport: Baiersbronner Läuferin ist ratlos. 28-Jährige bezieht im Interview Stellung zu Entscheidung.

Die Verschiebung der Olympischen Spiele lässt auch Elena Burkard (LG farbtex Nordschwarzwald) nicht kalt. Wie für die meisten Sportler herrscht bei der 28-Jährigen vor allem eines: Ratlosigkeit. Im Interview bezieht sie Stellung zur Entscheidung des IOC und blickt auf die nächsten Wochen.

Frau Burkard, Sie hatten im Sommer mit einer langwierigen Verletzung zu kämpfen, die Ihnen seit Anfang des Jahres erneut Probleme bereitet. Kommt Ihnen die Verschiebung der Spiele entgegen?

Elena Burkard: Auf den ersten Blick würde es mir mehr Zeit mit meiner Verletzung verschaffen. Aber: Ich bin eigentlich topfit. Mit dem neuen Qualifikationsmodus für Olympia hatte ich quasi schon einen Fuß in der Türe nach Tokio.

Newsblog zur Ausbreitung des Coronavirus in der Region

Inwiefern?

Neben den geforderten Normen kann man sich über ein kompliziertes Weltranglisten-Punktesystem qualifizieren, und da lag ich dieser Tage ziemlich aussichtsreich im Rennen. Wie solch eine Punktetabelle dann 2021 gilt, weiß im Moment niemand. So wie es momentan aussieht, werden in naher Zukunft erst einmal keine Wettkämpfe stattfinden. Und Punkte über ein Jahr ohne Leistung weiter zu zählen, erachte ich selbst als schwierig. Auch die Normen werden sicher korrigiert werden müssen, denn für uns Athleten ist es nicht so, dass wir nach einem Jahr ohne Wettkämpfe da einsteigen wo wir aufgehört haben, Stichwort: Spielpraxis bei Fußballern. Aber ob das die Funktionäre auch so sehen?

Sie sagen, Sie sind gerade topfit. Wie steht es denn aktuell um Ihre Verletzung?

Ich bin seit vier Wochen bei Johannes Eisinger im Reha-Zentrum Herxheim. Bereits nach kurzer Zeit hat sich eine deutliche Besserung gezeigt, nach zwei Wochen konnte ich erstmals seit Monaten wieder schmerzfrei gehen. Ich konnte ja immer trainieren, allerdings ständig unter Schmerzen. Daher habe ich aber viel alternativ trainiert, sodass die Grundlagen wirklich gut sind. Seit ich bei Johannes bin, machen wir viel "Stabi"- und Krafttraining, um Disbalancen auszugleichen und so den Sehnenproblemen entgegenzuwirken.

Wie groß ist die Veränderung seitdem?

Bis ich nach Herxheim kam, war selbst normales Gehen eine Tortur. Ich wusste gar nicht mehr, wie es sich ohne Schmerzen anfühlt, was auch im Training eben sehr hinderlich ist. Jetzt, ohne Schmerzen, kann ich mich wieder komplett auf die Läufe fokussieren – ein ganz neues Lebensgefühl.

Welche Auswirkungen hat die Verschiebung der Spiele für Sie ganz persönlich?

Eigentlich war eine Verschiebung der einzig richtige Weg. Allerdings ist ein ganzes Jahr für viele Sportler ein absoluter Supergau. Ich studiere Pharmaziewissenschaften im Master und habe bereits ein Pausesemester beantragt. Ob ich den Antrag rückgängig machen kann, ist fraglich. Und nach der Verschiebung um ein Jahr brauche ich dann eigentlich gleich noch einmal ein bis zwei Semester Pause, um mich auf die Spiele richtig vorbereiten zu können.

Weil der Sport für Sie an erster Stelle steht?

Mein Plan war eigentlich, 2020 nochmals alles auf die Karte "Sport" zu setzen. Und irgendwann sollte man auch mal an das Leben neben dem Sport denken: Familie, Beruf. Welcher Arbeitgeber stellt heutzutage noch Berufseinsteiger ein, die die 30 schon überschritten haben? Auch was die Unterstüzung angeht, wird es nicht einfacher. Meine Familie unterstützt mich zwar ohne wenn und aber, aber eigentlich war auch hier bis 2020 geplant.

Sie sprechen die Unterstüzung an. Wie steht es derzeit um die Unterstützung Ihrer Sponsoren?

Aktuell bin ich sehr glücklich von meinem Sponsor und der Sporthilfe viel Unterstützung zu bekommen, aber auch die werden die wirtschaftlichen Folgen der Krise hart zu spüren bekommen. Ich bin sehr beunruhigt und verunsichert, ob eine Unterstützung von Sportlern dann in diesem Maße weiter stattfinden kann – auch was Sponsoren für unseren Verein angeht.

Und das sind vermutlich nicht die einzigen einschneidenden Punkte...

Ohne Wettkämpfe fallen auch noch Preis- und Antrittsgelder weg. Der Laufsport ist zwar nicht annähernd so lukrativ wie andere Sportarten, aber ein bisschen Geld zum Überleben brauchen wir Leichtathleten auch. Aber diese Problematik kommt auf alle Sportarten und Sportler zu. Die Sportwelt wird sich nach 2020 merklich ändern, ein Umdenken wird hier stattfinden müssen.

Hätten Sie also eher gehofft, die Spiele wären nicht verschoben worden?

Doch, selbstverständlich. So wie es momentan auf der Welt abgeht, ist der Sport erst einmal ganz nach hinten gerutscht. Allerdings hatte ich sehr gehofft, dass die Pandemie eher harmlos verläuft. Dann hätte das IOC die Spiele – wie es zunächst im Gespräch war – auf Oktober verschieben können.

Wie geht es für Sie nun in den kommenden Wochen weiter?

Ich werde jetzt den Plan neu machen und mich erst einmal auf die Europameisterschaft im August, die nach wie vor noch nicht abgesagt ist, und vor allem auf die Crosslauf-EM im Dezember vorbereiten. Nach drei Top-Ten-Plätzen in Folge ist es endlich mal Zeit für eine Einzelmedaille. Ob und was dann 2021 passiert, steht noch in den Sternen. Im Moment herrscht allerdings bei mir erst einmal Ratlosigkeit, was ich dann 2021 mache.   Die Fragen stellte Christian Lenk.

Interview mit Timo Benitz

Es ist eine historische und einmalige Entscheidung: Die Olympischen Spiele in Tokio sind wegen der Corona-Pandemie ins Jahr 2021 verschoben worden. Das trifft auch Sportler aus dem Kreis Freudenstadt, darunter den 28-jährigen DM-Sieger Timo Benitz von der lg farbtex Nordschwarzald.

Timo Benitz: Wenn ich ehrlich bin ist es persönlich gesehen eine Katastrophe. Humanitär bleibt aber nach der Entwicklung weltweit keine andere Möglichkeit.

Wie sehr trifft es Sie direkt?

Die sportliche Seite ist die eine, aber ich habe am Montag einen Anruf erhalten, dass ich aufgrund der Corona-Entwicklungen nicht mehr am Olympiastützpunkt Berlin (OSP) trainieren darf. Ich bin kein Bundeskaderathlet und damit laut des Deutschen Leichtathletik-Verbands auch kein Olympiakandidat. Daher wurde mir der Zugang ab sofort verweigert, um den Olympiakandidaten Platz zu machen – obwohl ich sämtliche sogenannte deutsche Olympiakandidaten vor drei Wochen bei den Deutschen Hallenmeisterschaften geschlagen hatte.

Was hat das für Konsequenzen?

Durch den Rauswurf muss ich die Wohnung des OSP, in der ich derzeit wohne, räumen. Die Wohnungen am OSP sind subventioniert, um die Sportler optimal zu unterstützen. Mit der momentan einbrechenden Wirtschaft bricht auch das Sponsoring ein. Zudem fehlt ohne Kaderzugehörigkeit jegliche Unterstützung vom Verband. Wenn dann auch noch reguläre Miete hinzukommt, muss der Sport gegebenenfalls einem Nebenjob weichen, um die Wohnung in Berlin zu finanzieren.

Laut Deutschem Leichtathletik-Verband sind Sie also kein Olympiakandidat: Wie realistisch sahen Sie ihre Chancen auf eine Olympiaqualifikation?

Mit der Form, die ich zuletzt in der Halle an den Tag gelegt hatte, unter anderem dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft über 1500 Meter, war ich mir sehr sicher, im Sommer die geforderte Norm zu laufen. In der zurückliegenden Hallensaison konnte ich zudem wichtige Punkte für die Weltrangliste sammeln, wodurch ich ziemlich sicher mit Tokio planen konnte.

Wie wirkt sich die Verschiebung der Spiele konkret aus?

Ich verliere dadurch ein komplettes Jahr. Geplant war, dass ich nach den Olympischen Spielen meine Masterarbeit schreibe, also ab dem kommenden Wintersemester – mit der Vorbereitung auf Olympia und den damit verbundenen Trainingslagern ein unmögliches Unterfangen. Jetzt könnte ich diese vorziehen, nur müsste ich dazu ein Masterthema aus dem Hut zaubern. Schwer genug, aber sämtliche Unis haben zu. Selbst wenn ich in der Kürze der Zeit ein Thema fände, stellt sich die Frage nach einem Professor, der sich zunächst meinem Thema annehmen würde. Da aber ohne Uni kein Kontakt zu den Professoren möglich ist, sind mir die Hände gebunden.

Haben Sie einen Plan B?

Ich hatte sportlich und beruflich alles auf Olympia 2020 ausgerichtet. Vielleicht findet ja noch die EM in Paris im August statt, auf die ich in der jetzigen Lage das Augenmerk erst einmal legen werde. Aber nach den Ereignissen der letzten Tage von Seiten des Deutschen Leichtathletik-Verbands und dem Fakt, dass ich 2021 30 Jahre alt sein werde, wird die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio 2021 nicht einfacher.