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Sachenbacher und Nystad laufen im Team-Sprint zu Gold und ignorieren den knurrenden Chefcoach.

Whistler - Es ist schon seltsam. Da werden die deutschen Langläuferinnen von Cheftrainer Jochen Behle ein ums andere Mal verbal abgegrätscht. Doch was machen die Athletinnen? Sie antworten mit Erfolgen. Vor allem Evi Sachenbacher-Stehle und Claudia Nystad.

Man kann von Evi Sachenbacher-Stehle ja halten, was man will. Zwei Dinge kann man ihr aber gewiss nicht vorwerfen. Erstens: dass sie nicht erfolgreich ist. Am Montag hat sie das Gegenteil bewiesen, als sie gemeinsam mit Claudia Nystad die Goldmedaille im Teamsprint gewann. Und zweitens: dass es langweilig wäre, sich mit ihr zu unterhalten. Denn das war es auch diesmal nicht.

Evi Sachenbacher-Stehle war glücklich, das sah man am permanenten Grinsen in ihrem Gesicht. Man konnte es aber auch hören. Denn immer, wenn sie glücklich ist, dann gerät ihr zufriedenes Lächeln zu einem aufgewühlten Kichern. Und dann sagt Evi Sachenbacher-Stehle Dinge wie: "Es war ziemlich warm. Deshalb hatten wir nichts drunter." Oder aber: "Ohne Konflikte wird es doch auch langweilig."

Der erste dieser Sätze ist einfach nur witzig. Der zweite allerdings hat einen ernsten Hintergrund. Und er beschreibt das Sportlerleben der deutschen Langläuferinnen ziemlich treffend. Oder besser: Er beschreibt das Verhältnis der Langläuferinnen zu ihrem Cheftrainer.

Sie streiten sich, sie giften sich an, sie gehen sich auch mal ordentlich auf die Nerven. Am Ende aber raufen sie sich dann doch wieder zusammen. Und ganz am Ende ist dann alles wieder gut. Weil die Frauen doch wieder erfolgreich sind. So geht das nun schon seit Jahren. Und so ging das auch wieder vor dem Team-Sprint-Rennen bei den Spielen von Vancouver und Whistler.


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Nach den ersten Distanzwettbewerben und den Einzel-Sprints stand für die Damen eine eher nüchterne Bilanz - und Behle polterte mal wieder los. Ein bisschen Krach kann nicht schaden. Einen großen Schnitt wolle er machen nach der Saison, die Damen trainierten zu wenig, und der Trainer stünde schon gleich gar nicht zur Debatte. Den hatte er schließlich erst vor ein paar Monaten ausgetauscht. Es war mal wieder heftig, auch wenn Behle das hinterher bestritt. Aber die Damen haben mittlerweile einen ganz guten Weg gefunden, um damit zurechtzukommen. Sie ignorieren es einfach.

Zumindest das, was nicht im persönlichen Gespräch bei ihnen ankommt. "Ich warte ja schon vor jedem Höhepunkt darauf, dass wieder so etwas kommt", sagt Evi Sachenbacher-Stehle, "das ist normal geworden, aber es kommt gar nicht mehr bis zu mir durch." Dabei scheint es, als ob die reizenden Worte Behles doch jedes Mal ihre Wirkung nicht verfehlen. Die Medaillenbilanz von Sachenbacher-Stehle (vier Olympia- und sechs WM-Plaketten) und Nystad (vier und fünf) ist mittlerweile jedenfalls beeindruckend. Und Jochen Behle darf sich jedes Mal bestätigt fühlen - und zu Unrecht kritisiert.

Nach der überraschenden Goldmedaille von Whistler hatte zum Beispiel Ex-Langläufer und TV-Experte Peter Schlickenrieder den Bundestrainer aufgefordert, er müsse sich nun bei Sachenbacher-Stehle entschuldigen. Darauf sollte Schlickenrieder besser nicht warten. Behle kontert lieber: "Er ist ein Außenstehender, der sich immer als Experte verkauft, aber mittlerweile sehr weit weg ist." Und: "Wer weiß, wie wir mit den Mädels umgehen, der weiß, dass solch eine Äußerung überflüssig ist."

An seinem Willen zum personellen Umbruch hält er übrigens trotz der Goldmedaille im Teamsprint fest. "Im Ausdauerbereich haben wir einfach Probleme", sagt Behle.

Ob Claudia Nystad ihre Karriere fortsetzt, steht ohnehin noch nicht fest. Evi Sachenbacher-Stehle will auf jeden Fall noch mindestens ein Jahr weitermachen. Die Familienplanung, erklärt sie dann nämlich noch - und kichert wieder - könne noch ein bisschen warten: "Mein Mann überlässt die Entscheidung mir."

Und Jochen Behle hat in diesem Fall ausnahmsweise mal nichts zu sagen.