Karl Leo ist mit dem Europäischen Erfinderpreis in der Kategorie "Lebenswerk" ausgezeichnet worden. Foto: Europäisches Patentamt

Physiker Karl Leo aus St. Georgen mit dem Europäischen Erfinderpreis in der Kategorie "Lebenswerk" ausgezeichnet. Technik wird in Millionen Smartphones verwendet.

München/St. Georgen - Der Europäische Erfinderpreis gehört mit zu den renommiertesten seiner Art weltweit. Dieses Mal wurde für sein Lebenswerk der Physiker Karl Leo ausgezeichnet, der an der TU Dresden arbeitet, seine Wurzeln aber in St. Georgen im Schwarzwald hat. Seine Erfindungen haben die Elektronikindustrie grundlegend verändert und finden weitreichende Anwendung, unter anderem in Handys und in der Solartechnologie.

Wie das in München beheimatete Europäische Patentamt (EPA) bei der Verleihung des Erfinderpreises am Donnerstag anerkennend betonte, sorge Leos "hocheffiziente, organische OLED-Displaytechnologie für mehr Bildhelligkeit sowie eine höhere Farbauflösung und bietet eine bessere Energieeffizienz". Und weiter heißt es: "OLED-Displays finden sich heute in fast allen neueren Smartphones und anderen elektronischen Geräten für den täglichen Bedarf." Der Erfinderpreis würdige seine "bahnbrechende Arbeit auf dem Gebiet der organischen Halbleiter".

Der 60-jährige Wissenschaftlicher freut sich im Gespräch mit unserer Zeitung über die Auszeichnung, gibt sich zugleich aber bescheiden: "Das ist eine großartige Anerkennung nicht nur meiner Arbeit. Das ist Teamarbeit. Eine große Zahl von Leuten haben zum Erfolg beigetragen."

Produkte verbessert – Millionen nutzen sie

In seiner Laudatio erklärt EPA-Präsident António Campinos: "Karl Leos Lebenswerk hat auf viele Bereiche enormen Einfluss. Er hat umweltfreundliche Technologien vorangetrieben und Produkte verbessert, die von Millionen von Menschen heute auf der ganzen Welt genutzt werden. Im Laufe seiner bemerkenswerten Karriere zeigte er zudem die Fähigkeit, in bahnbrechender Grundlagenforschung kommerzielle Anwendungen zu erkennen, seine Technologie zur Lösung von Problemen einzusetzen und so Unternehmen und Arbeitsplätze zu schaffen." Leos Methode "zur Verstärkung organischer Halbleiter mit elektronenerzeugenden Substanzen" habe die Elektro-Industrie grundlegend verändert. Um was es sich bei organischen Halbleitern handelt, erklärt Leo in kurzen Worten. Diese beruhten auf Kohlenstoff, was einfach und preisgünstig zur Verfügung stehe, außerdem ließen sich diese Halbleiter in dünnen Schichten auf verschiedenen Materialien ausbringen, deutet der Wissenschaftler ein breites Anwendungsgebiet an. Der OLED-Display-Markt umfasse mittlerweile ein Volumen von über 20 Milliarden US-Dollar.

Die Anfänge für seine grandiose Laufbahn liegen in der Kindheit. So berichtet Leo unserer Redaktion, dass er in der Familie der "Bastler" gewesen sei, was ihm den Spitznamen "der Techniker" eingebracht habe. Sein Vater sei Jurist und "nicht sehr technisch bewandert" gewesen. Deshalb habe er solche Reparaturarbeiten gerne an ihn, seinen Sohn, "delegiert". So konnte er die Lebensdauer manches Geräts im Haushalt der Familie Leo im August-Springer-Weg in St. Georgen deutlich verlängern.

In Freiburg geboren verbrachte er Kindheit und Jugendzeit bis zum Abitur in St. Georgen. Im elterlichen Haus wohne noch sein Bruder, den er gelegentlich besuche. Er sei gerne dort, in seiner "Schwarzwälder Heimat", betont Leo. Nach der Schule folgten Bundeswehr und schließlich das Studium der Physik. Sein Vater hatte ihm hierzu geraten, nachdem Karl Leo selbst schwankte, ob er eine Ingenieurlaufbahn einschlagen oder eben Physik studieren sollte. Letzteres "war für mich das Richtige", erklärt Leo. Der Erfolg gibt ihm recht.

Im Schreiben der EPA heißt es: "Leos Erfolge stehen für eine Karriere, die auf Forschungs- und Technologieleidenschaft sowie einer angeborenen Neugierde beruht. Leo hat zahlreiche Start-ups in ›Silicon Saxony‹ mitgegründet, um seine Erfindungen auf den Markt zu bringen, und ist auch weiterhin damit beschäftigt, neue Anwendungen für seine bahnbrechenden organischen Halbleiter zu erforschen."

Unternehmen von Samsung gekauft

Der Erfinder selbst meint: "Ich sehe Möglichkeiten, die weit über das bisher Erreichte hinausgehen: Flexible, leichte, umweltfreundliche organische Elektronik kann fast überall eingesetzt werden", sagt Leo. "Wenn mich meine Vergangenheit etwas gelehrt hat, dann dies, dass sich Träumen lohnt." Leos Doktorarbeit und die Tätigkeiten in den Anfangsjahren seiner Karriere konzentrierten sich auf anorganische Halbleiter, die aus nicht-kohlenstoffbasierten Materialien bestehen. Zu dem Zeitpunkt galten organische Halbleiter aufgrund ihrer schlechten elektrischen Leitfähigkeit und kurzen Lebensdauer als unpraktisch. Leo fiel auf, dass nur wenige Wissenschaftler in Betracht gezogen hatten, organische Halbleiter zu dotieren, das heißt, winzige Mengen von Substanzen hinzuzufügen, die frei bewegliche Elektronen erzeugen, um die Leitfähigkeit eines Materials zu erhöhen. "Ein frischer Blick auf die Forschung ist häufig hilfreich, weil er dazu führt, dass man Dogmen hinterfragt", erklärt der Schwarzwälder.

1998 gelang der Durchbruch, als er und sein Forscherteam, darunter die damaligen Doktoranden Martin Pfeiffer und Jan Blochwitz, an der Technischen Universität Dresden es schafften, eine organische Halbleiter-LED zu entwickeln, die mit nur einem Fünftel der zuvor benötigten Spannung auskam. Ihre hohe Effizienz, lange Lebensdauer, der energiesparende Produktionsprozess und die Möglichkeit des Recyclings machten diese organischen Halbleiter zu einer nachhaltigeren Alternative zu anorganischen Halbleitern.

Leo und sein Team verfeinerten den Prozess. 2001 war der Wissenschaftler Mitbegründer des deutschen Start-up-Unternehmens Novaled AG® zur Kommerzialisierung von OLED-Technologien und Materialien. Das Unternehmen wurde später von Samsung übernommen. Später begann Leo, die Halbleiter an organische Solarzellen anzupassen. Dies führte zur Mitbegründung eines Spin-Offs, das hinter der weltweit ersten industrietauglichen organischen Solarfolie steht, die auf Gebäuden angebracht werden kann. "Mein Traum ist, dass sie in 10 oder 20 Jahren auf jedem Gebäude genutzt wird und dabei hilft, die Klimakrise zu lösen", sagt Leo.