Die Politiker von Bündnis 90/Die Grünen, von links: die OB-Kandidatin für München, Sabine Nallinger, die Bundesvorsitzende Claudia Roth, die Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag, Margarete Bause und der Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag. Claudia Roth ist eine der wenigen Polit-Promis, die bisher auf dem Oktoberfest erschienen sind. Foto: dpa

Kein Wort über den Wahlkampf. Das ist auf dem Oktoberfest Ehrensache. Aber am Wahlwochenende wird doch darauf geschielt: Welcher Politiker ist zum Anstich gekommen? Welche Farbe hat das Dirndl? Es mehren sich freilich Hinweise, dass die Wiesn politisch kein Glück bringt.

München - Das waren Zeiten: Angela Merkel kam persönlich zur Oktoberfest-Eröffnung. 2002 war sie, wenngleich als CDU-Chefin, mit SPD-Innenminister Otto Schily auf der Prominenten-Empore beim Anstich dabei. Wie dieses Jahr fiel damals der Wiesnstart auf den Tag vor der Bundestagswahl. Warum Merkel im roten Kleid kam, blieb ungeklärt.

Dieses Jahr kam zum Anstich kaum Polit-Prominenz aus Berlin. Dabei wäre das Wetter ideal gewesen, um sich auf dem größten Volksfest der Welt noch einmal in Szene zu setzen. Am Freitag war Merkel sogar in München bei der Abschlusskundgebung von CSU und CDU - und ließ Wiesn-typische Lebkuchenherzen verteilen. Am Samstag waren ihr aber Auftritte in Berlin und in ihrem Wahlkreis in Stralsund wichtiger als der Anstich.

Kein Bundesminister prostete dem Volk im Schottenhamel-Zelt zu. Selbst Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), früher treue Besucherin beim Anstich, fehlte.

Die bayerische Politik blieb unter sich. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ist ohnehin eine der Hauptpersonen zum Wiesn-Beginn. Er bekam von Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), mit zwei Schlägen Rekordhalter im Fass-Anzapfen, die erste Maß. Bei der Landtagswahl hatte es Ude nicht geschafft, Seehofer als Ministerpräsident abzulösen. Er habe ihm nun aber nochmal so „richtig eingeschenkt“, betonte Ude - hochdeutsch etwa: es ihm so richtig gezeigt.

Nur wenige Bundestagsabgeordnete zeigen sich

Nur eine Handvoll Bundestagsabgeordneter wurde gesichtet: Hans-Peter Uhl (CSU), Rainer Stinner (FDP), Florian Pronold (SPD), Jerzy Montag und Claudia Roth (Grüne), die im neongrünen Dirndl vielleicht doch ein bisschen Wahlwerbung machen wollte - obwohl die Wiesn politik-freie Zone ist. Die Farbe kann, aber muss nicht politisch sein. Heino, in roter Trachtenjacke, wies jeden Verdacht von sich: „Das ist nicht die Farbe, die ich wähle.“

Das Bierzelt ist in Bayern der klassische Ort, um die Massen zu erreichen. Aber die Wiesn soll nicht zur Wahlkampfarena werden. Geschickt hat die Kanzlerin heuer in Abwesenheit das Tabu eingehalten - und trotzdem rechtzeitig zum Oktoberfest auf sich aufmerksam gemacht: Während die Grünen an den Folgen ihres Veggie-Day-Vorschlags kauen, bekannte Merkel sich als Brathendl-Fan. „Ich habe gerade in der neuesten „Bunten“ gelesen: schönes Oktoberfest-Hendl - wie man das macht. Und da ist mir fast das Wasser zusammengelaufen im Hubschrauber“, sagte sie kürzlich bei einem Wahlkampfauftritt.

Für Ude ist es nach 20 Jahren die letzte Wiesn als OB. Er tritt bei der Kommunalwahl 2014 altersbedingt nicht mehr an. Sein Wunsch-Kronprinz ist beim Anstich schon dabei: Wiesnchef Dieter Reiter (SPD) will OB werden.

Ob die Wiesn politisch Glück bringt, ist offen. Ude scheiterte trotz seiner Stellung als OB und Anzapfmeister gegen Seehofer. Reiters Vorgängerin als Wiesnchefin, Gabriele Weishäupl, wollte für die FDP in den Landtag, aber die Partei verfehlte den Einzug.

Auch Auftritte auf der Wiesn sind - selbst ohne politische Aussage - politisch nicht immer von Vorteil: Verhaltene Buh-Rufe begrüßten 2008 den damaligen Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) und Ehefrau Marga. Denn diese verweigerte das Dirndl und kam in pastellfarbener Trachtenjacke - ein „Dirndl-Gate“. Zudem war Beckstein mit der Aussage unter Druck geraten, man könne, wenn man viele Stunden im Bierzelt sitze, nach zwei Maß noch Autofahren. Über die „Beckstein-Maß“ wird heute noch gelegentlich gespottet.

Bis zum Karriereende kann ein Wiesn-Besuch führen. Bundespräsident Christian Wulff trat nach Vorwürfen der Vorsteilsannahme zurück. Unter anderem ging es um einen Wiesn-Besuch mit Hotelübernachtung, die der Filmproduzent David Groenewold bezahlt haben soll.