Jessica Schneider Foto: privat

Die zweifache Mutter und freiberufliche Grafikerin Jessica Schneider befindet sich in regem Austausch mit anderen Eltern: Sie weiß daher, was es bedeutet, dieser Tage Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Im Mittelpunkt eines Elternbriefs, den sie ans Kultusministerium geschickt hat, stehen die Kinder, die, wie sie sagt, "viel zu wenig gehört werden".

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Haigerloch - Schneider, die nach eigenen Angaben "viel Arbeit und Herzblut" in den Brief gesteckt hat, ist sich sicher: Viele Eltern finden sich darin wieder.

In besagtem Brief, der in vollem Umfang die vorgegebene Länge in unserer Berichterstattung sprengen würde, heißt es unter anderem: "Seit über einem Jahr versuchen wir, unseren Kindern diese neue Welt zu erklären, tagtäglich Optimismus vorzuleben und Kompromisse zu schließen." Schneider spricht von einem "Spießrutenlauf zwischen Kinderbetreuung, Homeschooling und Homeoffice", bei dem es unmöglich sei, "eine Balance zwischen Familien- und Arbeitsalltag zu finden". Es sei viel mehr ein kräftezehrendes "sich Zerreißen".

Die Probleme der Erwachsenen: "finanzielle Sorgen aufgrund von Arbeitslosigkeit oder Berufsverbot, Beziehungsprobleme, kein Ausgleich durch Freizeit, Vereine, Hobby, Belastung durch physische und psychische Krankheit". Kinder spürten dieses Ungleichgewicht und litten oft im Stillen. "Und das zusätzlich zu ihren eigenen Sorgen wie fehlende gefestigte Freundschaften, keine Vereinsaktivitäten, kein Sport, mangelnde körperliche Auslastung, keine Kindergeburtstage."

Kinder "funktionieren" nur nach außen

Stattdessen sollten sich die Kinder nun mit neuen wichtigen Themen auseinandersetzen: Hygiene, Nies-Etikette, Abstand, Masken, Lüften, Testen. Das Problem der Kinder: Sie würden "funktionieren" – aber eben nur nach außen. Insgeheim sei der Druck, der auf ihren Schultern laste, zu groß.

"Zuhause steht das Homeschooling im Mittelpunkt, weil keiner möchte, dass sein Kind in Sachen Bildung auf der Strecke bleibt. In der Schule müssen sie ständig darauf achten, sich richtig zu verhalten, sie müssen Masken- und Testpflicht über sich ergehen lassen, um in ihrer ›Freizeit‹ dann feststellen zu müssen, dass Zeit und Energie der Eltern meist nur noch ausreicht, um den Fernseher einzuschalten."

Eltern klagten über Verhaltensstörungen der Kinder. "Nun spitzt sich die psychische Belastung auch noch an vielen Schulen zu, nämlich vor allem dann, wenn nicht zu Hause sondern in der Schule getestet wird. Man stelle sich vor, wie die Kinder klassenweise getestet werden. Ein positiv getestetes Kind wird sofort von der Gruppe separiert, vor aller Augen aus dem Klassenverband genommen und streng isoliert, bis es von den Eltern abgeholt wird." Und genau diese Kinder, die klassenweise getestet und bei Bedarf isoliert würden, seien morgens jahrgangsübergreifend im selben Bus gefahren: "Dieser Wahnsinn sollte zu denken geben", argumentiert Jessica Schneider. "Und dafür sollen wir die seelische Unversehrtheit unserer Kinder aufs Spiel setzen?"

"Zumutung für die Familien"

Die Eltern sähen es als Unding, dass die Schulen nach den Osterferien nicht geöffnet haben. Und sie fänden es höchst ungerecht, dass die gefährliche Mutation in Verbindung mit den ›stark infektiösen Kindern‹ dafür als Grund herangezogen werde: "Als würde sich die Mutation ab 19. April in Luft aufgelöst haben. Vielmehr behaupten wir, dass die Politik, beziehungsweise die Kommunen, diese eine Woche Zeit benötigt haben, um die angekündigten Schnelltests zu besorgen." Doch egal, wie die Wahrheit aussehe: "Es ist eine Zumutung für die Familien."

Man wisse um die Bemühungen der Schulen und der einzelnen Lehr- und Betreuungskräfte. Die gute Zusammenarbeit mit den jeweiligen Klassenlehrern sei eine wichtige Stütze – für Kinder und Eltern. Daher dürfe man die folgende Kritik nicht pauschalisieren, die da lautet: "Dennoch fühlen wir uns auch hier immer mehr verlassen und empfinden es als traurig, dass sich Schulen oft nur als ›ausführendes Organ‹ von politischen Beschlüssen sehen und vor dem Rest die Augen verschließen: Man solle sich bitte zum Aggressionsabbau an das Kultusministerium wenden, anstatt Frust an den Lehrern auszulassen." Das sei sicher eine richtige Aussage, aber "gleichzeitig auch ein ernüchternder Ansatz. Wir würden uns wünschen, dass Schulen sich viel mehr als Vertreter unserer Kinder sehen."

Verbesserungsvorschläge aufgelistet

Man distanziere sich an dieser Stelle ausdrücklich von allen Querdenkern, Test- und Impfgegnern. Aber: "Auf Dauer kann es dennoch nicht sein, dass die Antwort auf jeden Funken Kritik lautet: ›Wir leben nun mal in dieser Pandemie. Da müssen wir durch. Machen wir das Beste draus, um Menschenleben zu retten.‹" Auch die Kinder seien Menschen.

Im Weiteren führt Schneider Verbesserungsvorschläge an. Zum Einen eine einheitliche Teststrategie, bei der die Tests ausschließlich zu Hause stattfinden sollten. Dazu müssten Eltern durch Fachpersonal geschult werden. Zum Anderen die Abschaffung der Maskenpflicht im Unterricht. Stattdessen könnte im Klassenraum mit Plexiglasscheiben gearbeitet werden. Drittens, unter oben genannten Voraussetzungen die Rückkehr zum Präsenzunterricht. Und viertens, den Sport- und Schwimmunterricht zu ermöglichen: "Solange Profisportler ihren Beruf ausüben dürfen, fordern wir, dass auch die Kinder Zugang zu Sport- und Schwimmunterricht erhalten."

Schneider schließt den Brief mit den Worten: "Kinder hatten schon vor Corona keine Lobby. Das letzte Jahr hat dies noch einmal verdeutlicht. Als Eltern sehen wir uns in der Pflicht, auf diese Missstände aufmerksam zu machen."