Hunderte Menschen leben auch im Winter im Ortenaukreis auf der Straße. (Symbolfoto) Foto: Symbolfoto: Jaspersen

Obdachlosigkeit: 353 Hilfesuchende im Kreis. Landratsamt will Flüchtlingsunterkünfte umnutzen.

Ortenau - Winterliche Spaziergänge bei Eis und Schnee sind in diesen Tagen für viele Bürger eine Freude. Doch für Hunderte Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben, ist die grimmige Kälte eine lebensbedrohende Gefahr.

"Kein Zuhause mehr zu haben, ist eine fürchterliche Sache", weiß Eva Christoph, Leiterin der Wohnungslosenhilfe im Landkreis. Allein in der Ortenau haben sich im Jahr 2017 insgesamt 353 Hilfesuchende an die Auffangsysteme für "Frauen und Männer in sozialer Ausgrenzung und Wohnungsnot" gewandt. Dies sind die Zahlen der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg. Vor allem im Winter ist die Notlage für Obdachlose besonders groß.

Ab wann herrscht Erfrierungsgefahr?

"Spätestens um den Gefrierpunkt wird es gefährlich", erläutert Evelyn Bressau, stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamtes im Ortenaukreis. Wann genau es jedoch zur gefährlichen Unterkühlung komme, sei allerdings abhängig vom Gesundheitszustand der Person. Zudem komme es darauf an, wie sich die Person vor der Kälte schützt und ob sie alkoholisiert sei.

Was passiert bei einer Unterkühlung?

Der Körper versuche bei Kälte, seine Wärme im Köperkern zu halten, indem er die Blutgefäße verengt, sagt Bressau. "Das hat jeder schon mal erlebt, wenn die Nasenspitze im Winter weh tut." Bei einer Unterkühlung könnten Gesundheitsschäden und schlimmstenfalls durch das Versagen lebenswichtiger Organe auch der Tod eintreten.

Wie kann ich helfen?

"Wenn man bei eisigen Temperaturen eine Person auf dem Boden liegen sieht, sollte man diese auf jeden Fall ansprechen", rät Bressau. Reagiere sie auch auf Berührung nicht, sollte Hilfe durch die Rettungsdienste erfolgen.

Wohin können sich Obdachlose im Kreis wenden?

"Wir haben eines der besten Angebote bundesweit", stellt Christoph fest. Im St. Ursula-Heim in Offenburg befindet sich eine Notaufnahme für wohnungslose Menschen. Falls ein stationärer Aufenthalt über eine Nacht hinaus in Frage komme, werde die Hilfe zunächst für drei Monate bewilligt. Ziel ist die gemeinsame Erarbeitung weiterführender Perspektiven. Das Angebot der Wohnungslosenhilfe umfasst zudem betreutes Wohnen, medizinische Hilfen in mehreren Städten die sogenannten "Pflastermobile" sowie weitere Hilfestellungen.

Welche Möglichkeiten gibt es im Winter?

Neben dem St. Ursula-Heim in Offenburg gebe es jeden Winter den sogenannten "Erfrierungsschutz" in der Ortenau, erläutert Christoph. Dabei miete die Wohnungslosenhilfe für die kalten Monate zusätzlichen Wohnraum an. "In dieser Saison handelt es sich um eine ehemalige Flüchtlingsunterkunft", sagt Christoph. Dort stehen 18 Schlafplätze zur Verfügung, eine kleine Küche gebe es auch. Geöffnet ist der Erfrierungsschutz zwischen 18 Uhr abends und 8 Uhr morgens. Die Polizei bringe jede Nacht Menschen, die sie von der Straße auflese. "Wir werden jeden Menschen aufnehmen", versichert Christoph.

Welche langfristigen Unterkünfte gibt es?

Obdach zu gewähren sei Aufgabe der Gemeinden, sagt Kai Hockenjos, Pressesprecher des Landratsamtes. Wohnungslos gewordene Personen haben das Recht, bei diesen eine Unterbringung zu beantragen.

Weshalb werden Menschen überhaupt obdachlos?

Oft stehe am Beginn einer Obdachlosigkeit ein fürchterliches Ereignis, erläutert Christoph. Das könne der Tod eines Angehörigen oder eine Trennung sein. "Die Betroffenen können sich alleine oft die Miete nicht mehr leisten." Oft seien auch Ausländer ohne Anspruch auf Sozialleistungen betroffen. "Sie stranden hier, würden gerne zurück nach Hause, können aber nicht", erläutert Christoph.

Wie könnte man günstigen Wohnraum schaffen?

Das Landratsamt will abzubauende Flüchtlingsunterkünfte für die Unterbringung von Obdachlosen umnutzen, so Hockenjos. Vor dem Abbau biete man jede Unterkunft zunächst der Gemeinde an. "Die Konditionen sind in der Regel sehr gut", so Hockenjos. "Derzeit werden derartige Übernahmen mit mehreren Kommunen konkret verhandelt."

Info: Wer will helfen?

Das Angebot der Wohnungslosenhilfe Ortenau finanziert sich durch Mittel des Kreises sowie Sach- und Geldspenden. Interessierte können sich bei Eva Christoph unter Telefon 0781/92 01 14 melden