Ach, guck mal! Die kenne ich auch! Diese verschiedenen Wanzenarten tauchen in der Ortenau immer häufiger auf. Der Klimawandel sorgt dafür, dass die Insekten sich hierzulande zunehmend heimischer fühlen. Im Herbst, wenn es wieder kühler wird, drängen sie verstärkt die Häuser. Foto: Zimmermann/LTZ

Wanzen in der Ortenau suchen Unterschlupf / Reis-, Baum- und Kiefernwanze sind häufigste Arten

Ortenau - Wanzen tauchen gerade in der Herbstzeit vermehrt auf. Sie suchen die Wärme und nisten sich daher gerne in Wohnungen und Gärten ein. Landwirte klagen über Schäden, Einwohner über die nervigen Gäste.

Einmal nur kurz das Fenster aufgemacht, um zu lüften, und schon sitzt sie da: die Wanze. Sie erscheint überdurchschnittlich groß, hat sechs Beine und stinkt im schlimmsten Falle auch noch, wenn sie sich belästigt fühlt. Und da sie fast keine natürlichen Feinde hat, kann sie sich nahezu ungestört vermehren. Weltweit gibt es Schätzungen zufolge etwa 40 000 Wanzenarten – auch in der Ortenau gibt es einige davon. Doch was macht die Wanze genau? Und wie kann man sie wieder loswerden?

> Schäden für die Landwirtschaft: Aus landwirtschaftlicher Sicht gab es im vergangenen Jahr durch die Wanzen "enorme Schäden", wie zuletzt ein Bericht der Badischen Bauern Zeitung (BBZ) Anfang August verdeutlichte. Auch für dieses Jahr schätzt Alfred Altmann vom Landwirtschaftsamt Breisach die Situation nicht besser ein. Neben den befallenen Gurkenbeständen sind etwa auch Paprika, Auberginen, Tomaten oder Physalis von den Schädlingen betroffen. Diese schädigen Gemüse und Obst durch Saugen an Früchten, Blüten oder Stängeln. Das Ergebnis sind verformte (Bohne, Gurke) oder fleckige (Tomate, Physalis, Paprika) Früchte sowie vertrocknete Blüten (Aubergine) oder Triebspitzen (besonders bei Gurken). Außerdem sei dieses Jahr noch ein Stachel- und Johannisbeerbefall zu beobachten, erklärt Anne Reißig, Agrar-Biologin am Landwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) in Karlsruhe mit.

 > Zwei Wanzenarten kommen häufig vor: Besonders stark in der Region vertreten sind: die Grüne Reiswanze (lateinisch: Nezara viridula) und die marmorierte Baumwanze (lateinisch: Halyomorpha), umgangssprachlich auch Stinkkäfer genannt. Die Grüne Reiswanze ist vom Frühjahr bis Herbst grün. Im Herbst ändert sich ihre Farbe dann temperaturgesteuert zu einem Braun- respektive Rot-Braun-Ton. Nach der Überwinterung wird sie grün. Seit 2010 hat sie sich im Süden Deutschlands etabliert. Etwa im Jahr 2004 wurde die Marmorierte Baumwanze aus China nach Zürich eingeschleppt und breitet sich seitdem immer weiter aus. 2017 wurden sie in Kehl, Offenburg, Wiesbaden und Karlsruhe festgestellt.

 > Das warme Klima kommt den Lästlingen zugute: Sobald die Temperatur merklich abfällt und die Tageslänge abnimmt, begibt sich die Wanze im Herbst in die Winterruhe. Ab Ende September sucht sie einen Ort zum Überwintern. Dafür eignen sich Ritzen, Spalte, Baumrinde oder auch Wohnungen. Die Marmorierte Baumwanze tritt auch an Bäumen, Sträuchern und in Parkanlagen auf.

 > Neu in der Region aufgetaucht: "Was man seit dem heißen und langen Sommer 2018 bei uns neu und vermehrt vorfindet, ist die amerikanische Kiefernwanze", berichtet Petra Rumpel, Geschäftsführerin des Umweltzentrums Ortenau. Diese Insektenart sei nicht nur lästig, sie könne auch Nadelbäume beschädigen, berichtet die BBZ. Die Wanzenart hat eine Körperlänge von 15 bis 20 Millimetern und eine Körperbreite von fünf bis sieben Millimetern. Sie ist überwiegend rötlich-braun gefärbt, mit einzelnen schwarzen und weißen Farbanteilen. Auch diese Art sondert – wie fast alle – ein Abwehrsekret ab, wenn sie belästigt wird. Im Vergleich zur Baumwanze nehmen Menschen diesen Geruch aber nicht als stinkend wahr, erklärt Reinhold John von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) in Freiburg. Allgemein wird davon ausgegangen, dass sich die Insekten durch den Handel mit Weihnachtsbäumen und anderen Gütern in so kurzer zeit ausbreiten konnten, vermutet John. Der erste Fund in Europa datiert aus dem Jahr 1998 und wurde in Norditalien festgestellt. 2006 folgten dann die Erstnachweise in Deutschland in Freiburg.

 > Wanzen sind für Menschen ungefährlich: "Sie stechen nur die grünen Zapfen ihrer Wirtspflanzen an (was die Samenproduktion beeinträchtigen kann), niemals Menschen, und sind insofern für uns eigentlich harmlos", sagt Rumpel. Einzig das Obst kann von den kleinen Störenfrieden in Mitleidenschaft gezogen werden, informiert die BBZ.

> Es gibt keine natürlichen Feinde in der Region: In der Ortenau haben die Marmorierte sowie die Grüne Wanze keine effizienten Gegenspieler, sagt Altmann. So bleibt zu Haus nur die Option selbst Hand an zu legen und die Störenfriede sprichwörtlich vor die Türe zu setzen. Eine einfachere Methode könnte das Anbringen von Fliegen- und Schutzgittern sein, die die Lästlinge vom Rauminnern trennen.

 > So kann man sie zukünftig unter Umständen bekämpfen: Agrar-Biologin Reißig weist daraufhin, dass es zukünftig eventuell doch zwei Methoden zur Eindämmung der Wanzen geben könnte: die Eiparasitoide sowie die Fliege Trichododa pennipes. Eiparasitoiden sind etwa sogenannte Schlupfwespen, die die Eier der Wanzen-Larven befallen. Die parasitische Fliege Trichopoda pennipes gehört zu den Raubfliegen und klebt ihre Eier an die Wanzen, die in der Folge sterben. Die rechtliche Regelung für die Freisetzung von nützlichen Insekten läuft wie für alle Tierarten regional über die untere Naturschutzbehörde. Ein Forschungsprojekt unter Leitung des LTZ soll klären, ob für diesen Einsatz von nützlichen Insekten alle Regelungen eingehalten werden und welche Strategie am besten passt, um den Wanzen am beizukommen, so Reißig. Von Pflanzenschutzmitteln rät die Biologin wie auch Rumpel aber ab. Beide empfehlen den Einsatz nur im "äußersten Notfall", da dadurch auch Nützlinge getötet werden können. Sie rät daher eher zum Einsatz von mechanischen Varianten, etwa dem Einsaugen von Wanzen oder dem Anbringen von Fliegenschutzgittern. Ein probates Mittel sei zudem das Einfrieren der Lästlinge, nachdem sie eingesammelt worden sind. Danach können sie problemlos entsorgt werden. Auch können sie in einem Glas gesammelt und nach draußen getragen werden.   Erkennungszeichen einer Wanze: Das hängt vor allem von der jeweiligen Art ab. Die Amerikanische Kiefernwanze ist eine relativ große und auffällige Wanzenart, die aufgrund der charakteristisch verbreiterten Unterschenkel (Tibien) der Hinterbeine eigentlich mit keiner anderen in Deutschland vorkommenden Wanzenart verwechselt werden kann, erklärt John. "Im Gegensatz zu Käfern hat die Wanze einen sehr langen Saugrüssel", beschreibt Reißig. Käfer haben dagegen Beiß- und Schneidewerkzeuge. Diese könne man erkennen, wenn man die Insekten umdreht. Zudem ähneln die Käfer bereits im Larvenstudium den ausgewachsenen Tieren. Eine Wanze müsse erst fünf Stadien durchlaufen, bis sie ihr finales Aussehen annimmt, so Reißig.

Info: Falsche Anfragen

"Ich kümmere mich eigentlich um Holz und Bäume", erklärt Reinhold John von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA). Trotzdem kontaktieren ihn häufig beunruhigte Bürger, die ihm mitteilen, dass sie eine seltsame Insektenart gefunden haben. Der Forscher empfiehlt zukünftig mögliche Insektenfunde an Museen für Naturkunde in Stuttgart und Karlsruhe oder auch das jeweilige zoologische Institut der ansässigen Universitäten weiterzuleiten. Wenn es sich jedoch um Arten aus dem Wald handelt, dann sind John und die FVA der richtige Ansprechpartner.