Häufig werden kinderpornografische Inhalte auch mittels Smartphone in Chatgruppen geteilt. Foto: Symbolfoto: Stratenschulte

Jahresbilanz: Staatsanwaltschaft ermittelt 2020 in rund 160 Verfahren / Im Vorjahr waren es nur 87

Offenburg - Die Staatsanwaltschaft Offenburg kommt Tätern, die Kinderpornografie besitzen oder verbreiten, über eine neue Kooperation besser auf die Schliche. Die Zahl der Ermittlungsverfahren ist unter anderem deswegen 2020 deutlich angestiegen.

Bereits die Kriminalitätsstatistik des Polizeipräsidiums Offenburg Ende Februar hatte einen Anstieg der Sexualdelikte im Corona-Jahr 2020 aufgezeigt. Die Staatsanwaltschaft Offenburg unterscheidet in ihrem Jahresbericht nun zwischen "klassischen Sexualdelikten" und Kinderpornografie.

Bei letzteren sei ein klarer Anstieg zu verzeichnen, eröffnete Kai Stoffregen, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, den Medienvertretern bei einer Videokonferenz am Mittwoch. 159 Verfahren wegen Verbreitung und Besitzes von pornografischen, insbesondere kinderpornografischen Schriften und Bildern, verzeichnete die Staatsanwaltschaft – 2019 waren es lediglich 87.

Doch woran liegt das? "Zum einen gründet eine Vielzahl der Verfahren in Daten vom Bundeskriminalamt, welches dieses vom ›National Center for Missing and Exploited Children‹ erhalten hat", berichtet Staatsanwältin Raffaela Sinz.

Bei diesem "Nationalen Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder" (NCMEC) handele es sich um eine gemeinnützige Organisation in den USA. Amerikanische Betreiber von Internetplattformen, wie etwa Facebook, seien verpflichtet, kinderpornografische Inhalte zu melden.

Besitz von Kinderpornos sei gar nicht einfach nachzuweisen

NCMEC stelle dann IP-Adressen fest, die eine Zuordnung eines Endgeräts ermöglichen, erläutert die Staatsanwältin. Diese Kooperation sei im vergangenen Jahr etabliert worden.

Darüber hinaus kam es auch zu Verfahren im Zusammenhang mit dem Nachrichtendienst Whatsapp. Dort seien Gruppenchats aufgedeckt worden, in denen kinderpornografische Bilder versendet wurden, so Sinz.

Bei einem kleinen Teil davon handele es sich um sogenannte Schulhofgruppen, also Chatgruppen die unter Schulkameraden gegründet werden. Denen komme man oft über beschlagnahmte Geräte oder Hinweise von Mitgliedern oder Eltern auf die Spur.

Eine der größten Herausforderung innerhalb der Ermittlungsverfahren sei die Auswertung der großen Datenmengen, erläutert Sinz. Es müsse geprüft werden, ob sich Anhand des Bildmaterials Tatort oder Täter feststellen lassen.

"Wenn ein Täter identifiziert werden konnte, wird ein Durchsuchungsbeschluss eingeholt." Sämtliche elektronischen Speichermedien würden dann auf das Material hin untersucht.

Doch der Besitz von Kinderpornografie sei gar nicht so einfach nachzuweisen: "Das ist heute ja nicht mehr ausgedruckt oder auf CD vorhanden, sondern liegt irgendwo online auf einem Server", erklärt die Staatsanwältin.

Zu klären: "Bildschirmtäter" oder direkter Missbrauch von Kindern

Die Staatsanwaltschaft muss zudem in jedem Verfahren auch überprüfen, ob der Täter im realen Leben Zugriff auf Kinder hat. Falls ja, würden sich Gespräche mit den Minderjährigen anschließen. Es gelte herauszufinden, ob es sich beim Beschuldigten um einen "Bildschirmtäter" handele oder ob er auch tatsächlich selbst Kinder missbrauche.

Das Arbeitspensum der Staatsanwaltschaft Offenburg und der Gerichte könnte künftig weiter zunehmen. Ein Gesetz, welches derzeit im Bundestag beraten werde, sehe eine erhebliche Verschärfung des Strafrahmens vor, erläutert Sinz.

Die Verhängung eines Strafbefehls beispielsweise mit einer Geldauflage sei dann nicht mehr möglich, eine Anklage werde zwingend notwendig. Damit würde eine Vielzahl der Fälle vor dem Schöffengericht landen.

Bisher sei es nur zur mündlichen Verhandlung gekommen, wenn Täter gegen einen Strafbefehl Einspruch einlegten, ergänzt Staatsanwalt Stoffregen. Viele hätten dies bisher vermieden, um sich nicht der öffentlichen Verhandlung auszusetzen.

Viel weniger Tötungsdelikte

Herwig Schäfer, Chef der Offenburger Staatsanwaltschaft, hat am Mittwoch die Jahresbilanz seines Hauses vorgestellt: So wurden 20 656 Ermittlungsverfahren (Vorjahr 20 329) gegen 23 949 bekannte Täter geführt, hinzu kamen 10 585 Ermittlungen (Vorjahr: 11 477) gegen Unbekannt. Verkehrsstraftaten (minus 8,9 Prozent), Körperverletzungen (minus 14,2), Diebstahl und Unterschlagung (minus 16,7) sowie Betäubungsmitteldelikte (minus 10,9) gingen wohl corona-bedingt deutlich zurück. Die Zahl der Verfahren wegen versuchter Tötungsdelikte halbierte sich fast auf 12. Die Politische Strafsachen nahmen jedoch auf 101 Verfahren deutlich zu (2019: 78).