Ortenau - Seit dem Sonderparteitag am 21. Januar hat die SPD bundesweit mehr als 7000 Online-Mitgliedsanträge erhalten. Dieser neue Hype ist auch bei den Sozialdemokraten im Ortenaukreis zu spüren.

Die SPD im Ortenaukreis verzeichnete seit Mitte Januar 20 neue Mitglieder. Die Vermutung liegt nahe, dass sich diese im Zuge der bundesweiten Juso-Kampagne der SPD angeschlossen haben. Die Jusos warben dafür, für "einen Zehner" in die SPD einzutreten, um eine mögliche Große Koalition noch zu verhindern. Die Parteispitze sah dies kritisch, hat aber ihren ursprünglichen Widerstand dagegen aufgegeben.

Karl-Rainer Kopf, Vorsitzender der SPD im Ortenaukreis, begrüßte auf Anfrage unserer Zeitung, dass seine Partei anwächst. "Es ist gut, wenn die SPD Zulauf hat. Ich bin aber generell über jedes Mitglied in einer demokratische Partei erfreut", stellte Kopf fest.

Über die Absichten der jeweiligen Mitglieder vermochte er nichts zu sagen, nur so viel: "Schwierig zu sagen, ob einige der Neumitglieder nur eingetreten sind, um gegen die Groko zu stimmen."

Mehr Neuanträge als bei Wahl von Martin Schulz

Der SPD-Kreisverband spricht sich aber eindeutig gegen Neumitglieder aus, die "nur einträten, um bei der Abstimmung teilzunehmen, und dann sofort wieder austräten. Das halten wir für wenig zielführend", sagte Kopf. Damit folgt der Kreisvorstand der Linie der Bundespartei. "Wer jetzt in die SPD eintritt, sollte das aber auch dauerhaft machen wollen und nicht nur für die eine Abstimmung", sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.

Insgesamt sind 20 Neumitglieder in die Ortenauer Ortsvereine der Sozialdemokraten eingetreten. Dabei sei die Vielfalt der Anträge "querbeet", wie Kopf sagte. Vom Schüler bis zum Rentner sind alle Bevölkerungs- und Altersgruppen vertreten. Sechs von den 20 Mitgliedern seien demnach bei den Jusos eingetreten. Dieser Zulauf sei auch bundesweit zu spüren, deshalb sprechen manche bei der SPD schon von historischen Zuständen.

In der Tat übertrifft die Welle an Aufnahmeanträgen auch den viel zitierten Schulz-Effekt von vor einem Jahr. Damals waren etwa 800 Menschen in die Partei eingetreten, kurz nachdem Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten gewählt worden war.

Ortsvereine entscheiden über Bewerber

Über die Anträge der Neumitglieder entscheiden gewöhnlich die Ortsvereine. Einige ließen verkünden, dass sie mit den Antragstellern persönlich sprechen wollten, was allerdings nicht bindend und verpflichtend ist. Andere hingegen googelten nur grob die Namen der potenziellen Neumitglieder. Legt ein Ortsverein binnen vier Wochen keinen Widerspruch gegen den Eintritt ein, ist der Bewerber automatisch Mitglied.

Das gilt auch für Offenburg: "Der Vorstand unseres Ortsvereins entscheidet letztlich über eine Aufnahme", berichtet Jochen Ficht, Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat Offenburg und SPD-Mitglied seit mehr als 35 Jahren. Es werde schon darauf geachtet, "ob jemand unangenehm bekannt ist", ergänzt Ficht. Das deckt sich auch mit der Vorgabe der Parteispitze in Berlin, die "rechte Spinner und falsche Identitäten oder Mitglieder aus anderen Parteien" unbedingt fern der Partei halten möchte. Ansonsten wird laut Ficht aber eigentlich jeder Antrag positiv gesehen und genehmigt. Auch der Offenburger Stadtrat machte deutlich, dass er es schwierig finde, auszumachen, wer nur eintrete, um die Groko zu verhindern, und wer sich den Sozialdemokraten aus Überzeugung anschließe.

Wie die SPD am Montag mitteilte, müssen alle Neumitglieder bis spätestens Dienstag, 6. Februar, 18 Uhr, in die Partei eingetreten sein, um an der Abstimmung über eine Regierungsbeteiligung teilzunehmen. Bis dahin muss auch eine Bestätigung des Ortsvereins vorliegen.

Info: Juso-Kampagne

Die Jungsozialisten (Jusos), also die Jugendorganisation der SPD, haben für einen Streit innerhalb der Partei gesorgt. Sie sehen sich als Speerspitze gegen eine Neuauflage einer Großen Koalition, bei der – so die Befürchtungen der Jusos – die SPD nur weiter verlieren würde. Juso-Chef Kevin Kühnert plant zudem eine "No-Groko-Tour" durch die Bundesrepublik.