Die Ständige Impfkommission empfiehlt die Corona-Impfung für Jugendliche ab zwölf Jahren nur in Ausnahmefällen – beispielsweise bei Vorerkrankungen und einem zu erwartenden schweren Krankheitsverlauf. Foto: (Symbolfoto) Julian Stratenschulte/dpa

Corona: Bund und Länder wollen mehr Jugendliche immunisieren

Ortenau - Während die generelle Impfbereitschaft sinkt, sollen nun Jugendliche verstärkt gegen Corona geimpft werden, so der Plan des Bundesgesundheitsministeriums. Die Stiko-Empfehlung sieht eine Impfung jedoch nur in Ausnahmefällen vor – Ortenauer Kinderärzte stimmen zu.

"Die Kinder- und Jugendärzte des Ortenaukreises empfehlen weiterhin, sich bei der Coronaimpfung von Jugendlichen ab 12 Jahren an die Empfehlung der Ständigen Impfkommission zu halten", erklärt Christof Wettach stellvertretend für die Kinderärzte im Kreis gegenüber unserer Zeitung. Er und seine Ortenauer Kollegen wollen Jugendliche ab zwölf Jahren also weiterhin nur in "besonderen Fällen" impfen.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) hatte Mitte Juni empfohlen, bei gesunden Jugendlichen und solchen mit einfachen chronischen Erkrankungen zunächst auf eine Impfung zu verzichten. Die Impfempfehlung umfasst seitdem explizit nur Jugendliche ab zwölf Jahren, die an "schweren chronischen Erkrankungen" wie starkem Übergewicht, schweren Herz- und Lungenveränderungen, schlecht eingestelltem Diabetes mellitus, Tumoren und Immunschwäche, Niereninsuffizienz, neurologischen oder muskulären Erkrankungen oder Chromosomen-Erkrankungen wie Trisomie 21 leiden.

Bindend ist die Empfehlung der Stiko nicht. Sie entspreche aber dem aktuellen medizinischen Standard, erklärt Wettach. Dieser werde für die Kinder- und Jugendärzte und auch für die von ihnen betreuten Jugendlichen weiterhin von der Stiko festgelegt – und nicht von im Wahlkampf befindlichen Politikern, betont der Lahrer Mediziner. "Es gilt, zum Wohl der Jugendlichen schlaue Entscheidungen zu treffen." Schlau sei es etwa, rasch viele weitere Erwachsene zu impfen und sich bei den Jugendlichen an bestehende ärztliche Empfehlungen zu halten.

"Die Stiko hat Gründe, die Impfempfehlung in der Altersgruppe 12- bis 17-Jähriger einzuschränken, die respektiere ich", erklärt derweil Doris Reinhardt, medizinische Leiterin der Ortenauer Impfzentren. Diese Altersgruppe profitiere aktuell vor allem von der Impfbereitschaft aller über 18 Jahren. "Ich würde mir mehr Solidarität zwischen den Generationen wünschen." Denn in der Altersgruppe der 18- bis 60-Jährigen gebe es noch viele Nicht-Geimpfte. "Viele haben keine Vorerkrankungen und waren zu Beginn der Impfkampagne nicht priorisiert, einige haben für sich noch keine persönliche Impfentscheidung getroffen", erklärt die Friesenheimer Medizinerin.

Die Impfbereitschaft in der Ortenau hatte – wie im ganzen Bundesgebiet – zuletzt stark nachgelassen. "Nun ist das Impfen viel einfacher und unkomplizierter geworden. Ohne Termin an sieben Tagen die Woche mit dem frei wählbaren Impfstoff in den Impfzentren", wirbt Reinhardt.

In den Ortenauer Impfzentren würden aktuell auch Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren geimpft, erklärt die Medizinerin. Die Impfaufklärung orientiere sich dabei an der Empfehlung der Stiko. Unterstützt würden die Zentren dabei durch Kinder- und Jugendärzte. Die Aufklärung umfasse explizit auch, dass es derzeit nur für eine begrenzte Personengruppe eine Empfehlung gebe und weise insbesondere auf das Risiko von Herzmuskelentzündungen hin. Es gebe aber immer wieder Eltern, die ihre Kinder auch außerhalb der Empfehlung impfen lassen möchten, berichtet Reinhardt.

Sie persönlich würde für ihre Kinder – sofern eine Stiko-Empfehlung vorliege – die Impfung in der Praxis des Kinderarzts bevorzugen, "bei den Ärztinnen und Ärzten, die mein Kind am besten kennen", erklärte die Friesenheimer Medizinerin.

Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hatte im Mai den Biontech-Impfstoff ab 12 Jahren zugelassen, vor wenigen Tagen folgte Moderna. Für Deutschland empfiehlt die Stiko die Impfungen bisher aber nicht allgemein, sondern nur bei einem höheren Risiko für schwerere Verläufe. Nach ärztlicher Beratung ist eine Kinder-Impfung aber möglich. Die fehlende Empfehlung stößt vor allem bei Politikern auf Kritik. Die Stiko vertrete in dieser Frage eine "Außenseiterposition", sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach etwa im Deutschlandfunk. Laut Bundesgesundheitsministerium wurden bis zum Wochenende rund 900 000 Kinder und Jugendliche, berichtet derweil die Deutsche Presseagentur.