Ruhe vor dem Sturm: Vermutlich wird die Corona-Welle die Kreisfinanzen erst 2022 so richtig treffen. Foto: Achnitz

Landratsamt legt im Verwaltungsausschuss Schätzungen vor. Kreisumlage soll stabil bleiben.

Offenburg - Mit den Folgen der Corona-Pandemie auf die Finanzen des Ortenaukreises hat sich der Verwaltungsausschuss beschäftigt: Ersten Rechnungen zufolge ergibt sich bis Ende 2022 ein Defizit von mindestens 38,4 Millionen Euro.

Die bisher von Bund und Land gewährten oder in Aussicht gestellten Kompensationen reichen nicht aus, um die durch den "Lockdown" entstandenen Finanzierungsdefizite im Kreishaushalt auszugleichen: Zu diesem Ergebnis kommt der Bericht, den Jutta Gnädig, Leiterin der Zentralen Steuerung, am Dienstag dem Verwaltungsausschuss vorlegte. Ihre Ausführungen sollen den Mitgliedern des Kreistags als Handlungsempfehlung dienen – im Herbst stehen wichtige Finanz-Entscheidungen an.

Steuereinnahmen gesunken, Sozialausgaben gestiegen

Weggebrochen seien den Kommunen vor allem Steuereinnahmen. Gestiegen seien dazu die Sozialausgaben, zum Beispiel im Bereich der Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger. Beides werde im Anschluss an zuletzt positive Entwicklungen erst im Jahr 2022 voll durchschlagen. Hinzu komme ein coronabedingter Finanzbedarf in Höhe von rund fünf Millionen Euro (Stand Mai 2020) für Hygienemaßnahmen und zusätzliches Personal im Gesundheitsamt des Ortenaukreises.

Ausgeglichen würden diese Verluste teilweise durch das Corona-Steuerhilfegesetz im Rahmen des Konjunkturpakets der Bundesregierung, die dauerhafte Übernahme von bis zu 75 Prozent der Unterkunftskosten rückwirkend durch den Bund, die Mehrwertsteuer-Absenkung, die schrittweise Absenkung der EEG-Umlage im Bereich der Strompreise sowie die Corona-Soforthilfe des Landes (für den Ortenaukreis in Höhe von 1,8 Millionen Euro).

Als Maßnahmen zur Refinanzierung der fehlenden Millionen schlägt die Verwaltung vor, den gegenüber der Planung mit einem Plus von elf Millionen Euro verbesserten Jahresabschluss 2019 zu verrechnen, die Mindestliquidität auf null zu senken, Tilgungen auszusetzen, Investitionen anzupassen und für den Rest im Doppelhaushalt 2021/2022 Kreditaufnahmen vorzusehen. Dazu will die Verwaltung dem Ausschuss in der nächsten Sitzung am 13. Oktober einen Vorschlag unterbreiten. Bis dahin sollen auch die Zahlen einer weiteren Steuerschätzung im September vorliegen.

Geplante Investitionen sollen getätigt werden

"Die Kreispolitik sollte Kurs halten", heißt es abschließend, und an geplanten Investitionen wie dem Sanierungsprogramm der Schulen, im öffentlichen Personennahverkehr und im Straßenbau festhalten, denn es gehe um die Funktionsfähigkeit der Sozialsysteme, die Weiterentwicklung der öffentlichen Infrastruktur, die Existenz von Unternehmen und den Erhalt von Arbeitsplätzen. Die Kreisumlage wolle man deshalb auch "nicht antasten", stellte Landrat Frank Scherer fest.

Dafür gibt es Zustimmung aus den Fraktionen: Klaus Muttach begrüßte die Vorschläge der Verwaltung und zeigte sich zuversichtlich, dass die Ausfälle kompensiert werden können: "Dass wir die Kreisumlage dafür nicht erhöhen müssen, ist für uns eine wichtige Botschaft. Wir freuen uns, dass Sie uns die Erhöhung ersparen", stellte er für die CDU-Fraktion fest. Auch den gesamten Zeitraum von 2020 bis 2022 zu betrachten, hielt er für richtig. Valentin Doll (Freie Wähler) stimmte dem grundsätzlich zu, mahnte aber die Verschiebung weiterer Investitionen bis 2022 an: "Wir waren mit Volldampf unterwegs und sollten jetzt einen Gang zurückschalten, um mehr Handlungsspielräume zu haben", forderte er die Verwaltung zum nochmaligen Nachdenken auf. Hans-Peter Kopp (SPD) hingegen riet dazu, Investitionen nicht grundsätzlich zurückzustellen. Das geschätzte Defizit von 38 Millionen Euro sei zwar hoch, werfe ihn "aber nicht ganz vom Stuhl". Der Kreistag sei ein wichtiger Auftraggeber für die regionale Wirtschaft.

AfD nimmt Zahlen besorgt zur Kenntnis

Während Alfred Baum, der für die Grünen auf das Fehlen von Klima- und Umweltschutzmaßnahmen in den Planungen hinwies und Carsten Erhardt (FDP) sowie Lukas Oßwald (Linke Liste) die Vorschläge zur Refinanzierung unterstützten, ging nur Thomas Seitz (AfD) – neben seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter auch Kreisrat – davon aus, dass alle Prognosen viel zu optimistisch seien: Die AfD nehme die Zahlen daher "mit einer gewissen Besorgnis" zur Kenntnis.

Zu den Pandemie-Kosten kommen noch die Einbrüche beim Finanzausgleich des Landes und bei den Einnahmen durch die Kreisumlage – ebenfalls eine Folge der Corona-Krise. Teile davon errechnen sich am Steueraufkommen im Landkreis von vor zwei Jahren. Daher wird die Ortenau die volle Wucht der Krise erst im Doppelhaushalt 2021/22 zu spüren bekommen.