Carina Kröll fliegt in Zukunft für Österreich. Die Farben stimmen schon mal. Foto: Georg/. Hrivatakis

Nach vielen Jahren im deutschen Nationalteam und beim Seriensieger MTV Stuttgart startet Turnerin Carina Kröll in Zukunft für Österreich und in der 2. Bundesliga für ihren Heimatverein TSV Berkheim. Ihr Traum von Olympia lebt weiter.

Esslingen - Es ist ein Gedanke, an den sie sich erst einmal gewöhnen muss: Carina Kröll ist in Neuhausen aufgewachsen, hat als kleines Mädchen in Berkheim mit dem Turnen begonnen, ist früh ins Kunstturnforum nach Stuttgart gewechselt und war Teil des MTV-Bundesliga- sowie des deutschen Nationalteams. Nach der Rückkehr zu ihrem Heimatverein TSV Berkheim aber wird die 21-Jährige dort den Platz der Ausländerin einnehmen. Kröll ist nun Österreicherin. Den Pass bekam sie, weil ihr Vater aus Kitzbühel stammt. In Zukunft wird sie für das Nachbarland bei Wettkämpfen starten.

 

Kadertest am Wochenende

Noch eine Hürde muss Kröll dafür nehmen: Am kommenden Wochenende hat sie einen Kadertest zu bestehen. „Es ist anspruchsvoll, aber machbar“, sagt sie. Die 460 Kilometer lange Strecke von ihrer Wohnung in Stuttgart nach Linz jedenfalls wird sie sich schnell einprägen, denn dorthin fährt sie künftig einmal im Monat zum Training mit der österreichischen Auswahl.

Der Wechsel der Staatsbürgerschaft und ins rot-weiß-rote Nationalteam ist sozusagen Krölls Rettungsaktion ihrer internationalen Karriere. Nach einer Hüft- und einer Knieoperation im Jahr 2019 hatte sie sich mit viel Einsatz zurückgekämpft und sich für die Mühen und die Ausdauer sogar bei den deutschen Meisterschaften mit dem zweiten Platz am Schwebebalken belohnt. Auch zum zehnten nationalen Meistertitel des MTV-Teams in Serie leistete sie ihren Beitrag.

Ein Punkt fehlt zum deutschen Kader

Den Verbleib im Bundeskader aber hatte der Deutsche Turnerbund (DTB) damit verknüpft, dass sie bis Anfang des Jahres die Kadernorm von 51 Punkten erreichen musste. Es fehlte ein einziger Punkt. Kröll wurde in den Landeskader zurückgestuft, mit aller Konsequenz des Ausscheidens aus dem Nationalteam und dem Wegfall der finanziellen Förderung. „Das ist schon bitter“, sagt sie. Auch angesichts dessen, dass der Verband aufgrund der Einschränkungen durch die Coronapandemie allgemein die Normen gesenkt hatte. „Der DTB hätte die Chance gehabt, mich zu nominieren. Ich kann die Entscheidung nicht ganz nachvollziehen“, sagt sie. Er tat es nicht – mit der Begründung, auf den Nachwuchs setzen zu wollen. Turnen ist ein Sport, bei dem man als 21-Jährige offensichtlich nicht mehr dazu zählt.

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Kröll aber beschloss schnell, sich nicht in den Schmollwinkel zurückzuziehen. Sie bedankte sich für die langjährige Förderung – und nutzte ihre Chance im Nachbarland. „Ich möchte noch nicht mit dem Turnen aufhören“, sagt sie, „dazu macht es mir einfach viel zu viel Spaß.“ Und dann ist da ja noch der Traum von Olympia. Paris 2024 ist die nächste Chance.

Nachdem Kröll ihren Schritt per Instagram und Co. verkündet hatte, wo sie sehr aktiv ist, erhielt sie viele positive Reaktionen. Das tat gut. „Es ist toll, dass du für deinen Traum weiterkämpfen und neue Wege gehen willst. Gratuliere zu deinem Entschluss und alles Gute für dein neues Ziel. Jeder Abschied kann auch ein neuer Anfang sein“, lautete etwa ein Kommentar auf Facebook. „Viele freuen sich für mich, dass ich die Chance nutze“, sagt Kröll. Da die finanzielle Förderung in Österreich geringer ist, bemüht sich Kröll, die im vierten Semester ein Fernstudium in Gesundheitspsychologie absolviert, verstärkt um Sponsoren.

In Österreich steigert Kröll die Qualität im Team

Aber auch in Österreich muss sie sich erst einmal durchsetzen. „Das Niveau in Deutschland ist zwar ein bisschen höher, aber es ist dort nicht schlecht“, beschreibt sie ihren Eindruck. „Beim österreichischen Verband wird viel Wert auf saubere Übungen gelegt.“ Erleichtert ist sie jedenfalls darüber, wie sie aufgenommen wurde. Immerhin verstärkt sie nicht nur das Team im Nachbarland, sondern ist für die Turnerinnen dort eine weitere und starke interne Konkurrenz. „Ich war ein bisschen skeptisch“, gibt sie zu, „aber die Mädels haben mich ganz lieb empfangen und mir echt geholfen.“

Für den TSV Berkheim galt das erst recht. Die Rückkehr vom deutschen Serienmeister MTV eine Liga tiefer zu ihrem Heimatverein war eine logische Konsequenz des Wechsels nach Österreich. Pro Gerät darf ein Team nur eine Ausländerin einsetzen. Bei den Stuttgarterinnen steht die Belgierin Dorien Motten im Kader – und Kröll wäre nun die zweite Nicht-Deutsche gewesen. „Ich will unbedingt Mehrkampf turnen“, erklärt sie. In Berkheim ist das möglich. Kröll wird die Ausnahmeturnerin in der 2. Bundesliga sein. Mit dem Schritt zurück kann sie sehr gut leben: „Ich habe Berkheim so viel zu verdanken, da kann ich jetzt etwas zurückgeben.“ Die Aufeinandertreffen mit ihren langjährigen Mitstreiterinnen in Stuttgart werden zunächst wohl etwas ungewohnt – wenn auch bestimmt weiterhin freundschaftlich – sein. Kröll: „Wir sind jetzt Konkurrentinnen.“