Mehr Menschen werden auf die Bahn umsteigen, hier der Bahnhof in Villingen, wenn es in wenigen Wochen das 9-Euro-Ticket gibt. Dies erwarten Verkehrsexperten. Foto: Schölzel

Im Juni, Juli und August soll man für nur jeweils neun Euro pro Monat bundesweit den Nahverkehr nutzen können. Im VSB regt sich leise Kritik.

Villingen-Schwenningen - Egal ob nach Berlin, Köln oder nur mit der Gäubahn an den Bodensee: Das 9-Euro-Ticket soll Bahnfahren im Nahverkehr so günstig wie noch nie machen. Angesichts der hohen Energiepreise aufgrund des Krieges in der Ukraine, möchte die Bundesregierung die Bürger finanziell entlasten und zum Bahnfahren anregen. Vielfahrer und diejenigen, die einen Städtetrip geplant haben freut es – mit nur neun Euro pro Monat im Nahverkehr durch die Bundesrepublik reisen klingt zu schön, um wahr zu sein. Aber ist das Sonder-Ticket auch für die Verkehrsverbünde so traumhaft? Stefan Preuss, der Geschäftsführer vom Verkehrsbund Schwarzwald-Baar (VSB), gibt Antworten.

Wie realistisch ist der Start zum 1. Juni?

Das 9-Euro-Ticket wird – Stand heute – im Zeitraum Juni, Juli und August verfügbar sein.

Wo gibt es das 9-Euro-Ticket zu erwerben? An jedem Schalter?

Die Umsetzungsarbeiten sind in vollem Gange. Das 9-Euro-Ticket wird es, Stand heute, für Abo-Nutzer automatisch als 9-Euro-Abbuchung geben und für alle anderen Fahrgäste in den Bussen und Fahrkartenautomaten sowie per eigenem Smartphone über die DB-Navigator-App. Auch an Schalterlösungen wird noch gearbeitet.

Können die hiesigen Busse und Bahnen das eventuell verstärkte Aufgebot an Fahrgästen stemmen? Wo könnte es Engpässe geben?

Diese Aktion des Bundes stellt einen bisher nicht dagewesenen "Billigpreis-Feldversuch" dar, dessen Auswirkungen nicht absehbar sind. Wer sich an die Einführung des "Schönes-Wochenende-Ticket" der DB AG im Jahr 1995 erinnern kann, ahnt, dass es an diversen Stellen im ÖPNV-Netz in Deutschland zu Überlastszenarien kommen könnte. Alleine bereits die Ankündigung des 9-Euro-Tickets hat bislang, so ist unser Eindruck, insbesondere das Interesse an möglichen Freizeitfahrten angesprochen. Damit stehen touristischen Ziele, wie der Bodensee oder attraktive Eisenbahnstrecken, im Fokus. Die Fahrzeug- und Fahrplankapazitäten sind so kurzfristig, zumal bundesweit, nicht anpassbar. Man wird weitgehend mit dem auskommen müssen, was heute vorhanden ist – aber das wird dem Bund als Initiator der Aktion durchaus klar gewesen sein.

Gibt es bereits jetzt verstärkte Kundenanfragen für das Ticket?

Ja. Allerdings können wir nur das weitergeben, was sicher bekannt oder von den Verbänden als sicher verstanden und verhandelt wurde. Wir kommen rechtzeitig mit finalen Informationen per Pressemitteilung und Informationen auf der VSB-Website auf unsere Stamm- und Gelegenheitsfahrgäste zu.

Welche Schwierigkeiten bringen die Pläne der Bundesregierung für regionale Verkehrsverbünde?

Unabgestimmte Aktionspläne dieser Art sind nicht kompatibel zu seriöser Tarif-, Vertriebs-, Marketing-, Finanz- und Ressourcenplanung. Dies insbesondere, wenn der ÖPNV als Branche durch Corona- und Energiepreiskrise derzeit ohnehin belastet ist. Das Mindeste ist daher, dass fehlende Liquidität auf der Einnahmenseite von Beginn an durch den Bund vorgeschossen wird, damit Verkehrsunternehmen durch mangelnde Einnahmen nicht in der Existenz gefährdet werden.

Wie gut wird man als Verkehrsbund mit Informationen versorgt? Wie stimmen sich die Verkehrsverbünde untereinander ab? Hier gibt es ja den 3er-Tarif, zusammen mit dem Verkehrsverbund Rottweil (VVR) und dem aus Tuttlingen, dem TUTicket.

Die Tarif- und Verkehrsverbünde sind über Interessensverbände (z.B. Verband Deutscher Verkehrsunternehmen VDV, Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmen WBO) in die Informationskette eingebunden. Die Verbünde untereinander, auch im 3er-Tarif, stimmen sich so gut wie möglich ab und werten die Informationen der Verbände oder des Bundes entsprechend aus.