In Ebingens oberer Bahnhofstraße unterhalb des Kurt-Georg-Kiesinger-Platz befindet sich Albstadts meistfrequentierter Bushaltestelle. Diesen gordischen ÖPNV-Knoten will die Stadt durchtrennen.
Der Albstädter Gemeinderat hat Anfang März dem „Zielbild“ für eine neu gestaltete Ebinger Innenstadt, welche die Stadt und die Stuttgarter „CIMA Beratung + Management GmbH“ erarbeitet haben, seinen Segen gegeben.
Die sieht unter anderem die Entfernung des ÖPNV aus der Bahnhofstraße vor – wo jetzt noch Busse rollen und den Flaneuren die uneingeschränkte Herrschaft über den öffentlichen Raum streitig machen, sollen in Zukunft Cafés Besucher anlocken, fantasievoll dekorierte Schaufenster zum Einkauf einladen, fröhliche Kinder gefahrlos spielen und grüne Baumkronen Schatten spenden.
Die Pläne für diese Metamorphose sind älter als das mit über drei Millionen Euro geförderte Projekt „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ und die Zusammenarbeit von Stadt und CIMA. Denn schon viel früher war klar geworden, dass der Stadt ein Zielkonflikt ins Haus steht. Sie ist gesetzlich verpflichtet, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Barrierefreiheit im öffentlichem Personennahverkehr herzustellen, unter anderem mit sogenannten „Kasseler Borden“, die besonders an großen, zentralen Haltestellen zum Einsatz kommen sollen.
„Kasseler Borde“ sind um einiges höher als normale Bordsteine; das müssen sie sein, damit betagte oder gehandicapte Passagiere ebenerdig in den Bus einsteigen können. 21 Zentimeter misst so ein Bord vom Straßenniveau bis zur Oberkante – ein Anschauungsbeispiel ist an der Edeka-Haltestelle in Tailfingen zu sehen.
„Kasseler Borde“ sind hoch
Das hat Konsequenzen: Genau die Klientel, der die „Kasseler Borde“ den barrierefreien Einstieg in den Bus ermöglichen, bekommt die größten Probleme mit ihnen, sobald sie zu Fuß unterwegs ist. „Kasseler Borde“ an der Bushaltestelle Bürgerturm würden die obere Bahnhofstraße in eine Schlucht verwandeln, die den Platz zerschnitte und ein schwer oder gar nicht zu überwindendes Hindernis für Rollatoren, Kinderwagen und Rollstühle darstellte.
Der Geldsegen aus Berlin eröffnet ganz neue Perspektiven
Café oder Canyon? – beides geht nicht! Dieses Dilemma beschäftigte die Stadtplaner im Dezernat drei, noch ehe der Geldsegen aus Berlin ganz neue Perspektiven für die Ebinger Innenstadt eröffnete.
Biergarten schlägt Bus
Was tun? Der Vorschlag, Rampen zu bauen, wurde erwogen – und schnell wieder fallen gelassen. Nachdem klar war, dass es Geld vom Bund gibt, lief die Bürgerbeteiligung an, 2600 Albstädter beantworteten eine Umfrage zur Zukunft der Ebinger Innenstadt, und ein Stadtlabor „Green City“ schuf Entwürfe für Ebingens „neue gute Stube“.
Dabei erwies sich sehr schnell und offenbar auch schmerzlos, dass der Bus gegen den Biergarten keine Chance hatte – dass der heutige Stadtplanungsamtsleiter Axel Mayer in Weihenstephan studiert hat, dürfte allenfalls am Rand eine Rolle gespielt hatte. Es bedurfte am Ende auch keiner Diskussionen im Gemeinderat mehr. Der ÖPNV kommt weg.
Wohin mit dem ÖPNV?
Und wohin? Das soll im Auftrag der Stadt ein unabhängiges Planungsbüro herausfinden. Die Zahl der Alternativen zur Schmiecha- und oberen Bahnhofstraße ist begrenzt; es kommen Osttangente, Garten- und untere Bahnhofstraße in Betracht. Axel Mayer kann sich auch einen Systemwechsel, etwa zu autonomen Bussen, vorstellen, will den externen Planern jedoch nicht vorgreifen. „Ergebnisoffen“ wünscht er sich den Prozess, wobei eines klar ist: Langfristig muss die Talgangbahn ins Kalkül miteinbezogen werden. Denn die ist gesetzt.
Der Ebinger Michel Gut hat 2021 Ideen für den Kurz-Georg-Kiesinger-Platz ohne Busverkehr vorgelegt – samt Plänen, auf denen die Stadtplaner aufbauen können.