Beim Busverkehr im Kreis Calw kam es im Zuge des Fahrplanwechsels zu einigen Unstimmigkeiten. Foto: Fritsch

Einzelne Orte sind abgehängt, die Anschlusszeiten passen nicht, technische Probleme: Seit dem Fahrplanwechsel der Busse zum 1. Januar 2021 hagelte es im Kreis Calw massiv Kritik. Aus Sicht des Landkreises sind zwischenzeitlich "die Probleme behoben". Das sieht jedoch nicht jeder so.

Calw - Problemzonen sind etwas, mit denen viele Menschen zu kämpfen haben. Für die meisten kein schönes Thema. Bei Problemzonen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ist das nicht anders. Nach dem Fahrplanwechsel im Kreis Calw zum 1. Januar 2021 gab es einige. Wie sieht es heute aus?

Zum 1. Januar hat sich viel getan im ÖPNV im Landkreis. Mit dem neuen Fahrplan kamen neue Zeiten, neue Linien und die Tatsache, dass zahlreiche Busse – teils in den Ferien, teils regulär – als Rufbusse verkehren, was eine vorherige Anmeldung der Fahrt erforderlich macht. Vor allem aber hatte der Kreistag zuvor zwei Linienbündel – Mitte und Südost – neu vergeben. Sie machen mehr als die Hälfte des ÖPNV im Landkreis aus. Den Zuschlag hatte die Bahn-Tochter RAB (DB Regio Alb-Bodensee) erhalten, in einer Bietergemeinschaft mit den Unternehmen Klumpp und Süsser. Dass das insolvente Unternehmen Rexer Ende 2020 den Betrieb einstellte, kam noch dazu. Das ist die Ausgangslage.

Altburg

Frank-Uwe Pfrommer wohnt in Altburg, arbeitet in Althengstett und fährt mit dem Bus, Umstieg am zentralen Omnibusbahnhof in Calw (ZOB) inklusive, dorthin. Er wohnt im Bereich des Linienbündels Mitte, das den Raum zwischen Calw und dem Enztal mit Neubulach, Oberreichenbach und Neuweiler umfasst. Seit Anfang Januar macht er die Erfahrung: "Es passt alles einfach hinten und vorne nicht."

Der Altburger kritisiert etwa die Anschlusszeiten. Komme er nachmittags von der Arbeit in Althengstett, dann verpasse er die Verbindung knapp und müsse erst einmal warten. Das ist das eine, das andere sind die im Fahrplan aufgeführten Fahrtzeiten. Seiner Meinung nach kann der Bus gar nicht so schnell vom ZOB nach Altburg kommen, wie er es laut Plan sollte.

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Zum Beispiel der 630.2er vom ZOB über Speßhardt und Weltenschwann nach Altburg und wieder zurück. Pfrommer berichtet, dass der Bus, eigentlich um 16.14 Uhr, immer verspätet losfahre. In der Folge sei er statt um 16.32 erst bis zu zehn Minuten später in Altburg, müsste aber um 16.45 Uhr laut Plan schon wieder am ZOB stehen. Nur einmal sei er bisher pünktlich ausgestiegen.

Die Zeiten hat Frank-Uwe Pfrommer auf Kopfdruck parat. Wie sehr ihn das Thema seit dem Fahrplanwechsel beschäftigt, das wird deutlich, wenn er erzählt. Mit seiner Kritik hält er sich nicht nur öffentlich nicht zurück, sondern kontaktiert auch regelmäßig das Landratsamt oder die Verkehrsgesellschaft Bäderkreis Calw (VGC). "Ich bin und bleibe dran, ich lass’ da nicht locker", sagt er. Man könnte Pfrommer penetrant nennen. Allerdings ist er als berufstätiger Fahrgast nicht nur auf zuverlässige Verbindungen angewiesen, sondern auch zahlender Kunde.

Bereits Ende Januar hatte er seine negativen Erfahrungen im Gespräch mit unserer Zeitung geschildert. Dass die Verbindungen aus seiner Sicht noch immer nicht besser geworden sind, das kann er nicht verstehen. Dasselbe gilt für das Problem mit den Anzeigentafeln am ZOB. Noch immer werden dort die Verbindungen nicht oder nicht richtig angezeigt. Und "an vielen Bussen steht immer noch ZOB Calw oder ›Betriebsfahrt‹ statt des eigentlichen Ziels, bemängelt Frank-Uwe Pfrommer.

Er hat inzwischen Kontakt zum Büro von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) aufgenommen. Er möchte, dass der Minister einmal genauer hinschaut, ob nicht im ÖPNV im Landkreis Calw Landesmittel verschwendet werden. Dass es vonseiten des Landratsamts zu Verbesserungen im Busverkehr kommen könnte, da "mach’ ich mir wenig Hoffnung".

Oberreichenbach

Karlheinz Kistner, Bürgermeister von Oberreichenbach, hat es gleich doppelt mit dem ÖPNV zu tun. Zum einen, weil er Anfang des Jahres ebenfalls versucht hatte, mit dem Bus zur Arbeit zu kommen – von Würzbach nach Oberreichenbach – zum andern, weil viele Bürger sich bei ihm melden, wenn es um die Busverbindungen geht. Zum ersten Punkt lässt sich sagen: Er fährt inzwischen Fahrrad. Zum zweiten fällt Karlheinz Kistner viel ein.

Das Wichtigste ist für den Rathaus-Chef, dass die Verbindungen "zuverlässig und verlässlich sind". Oberreichenbach liegt unter anderem an der Linie X63, die zwischen Bad Herrenalb und Calw – just jener Bus, in den morgens auch der Altburger Frank-Uwe Pfrommer einsteigt. Kistners Eindruck ist, dass die Fahrzeiten zu knapp bemessen sind. Hat der Bus aber immer Verspätung, dann passen die Anschlüsse nicht, und die Fahrgäste bleiben stehen. Dabei ist es Kistner, der für die Freien Wähler auch im Kreistag sitzt, ein großes Anliegen, dass deren Zahl wächst.

Rund 400 Personen – ohne Schüler – haben laut seinen Angaben eine Jahreskarte für den ÖPNV im Landkreis Calw. Bei mehr als 159.000 Kreisbewohnern. "Wir müssen gucken, dass es mehr werden." Das hätte für ihn viele Vorteile: weniger Autos, weniger Spritverbrauch, weniger benötigte Parkplätze und weniger beanspruchte Straßen.

Umso wichtiger ist es Kistner, mit den Fahrgästen in Kontakt zu kommen. "Wir müssen zu den Nutzern einen Draht kriegen, damit die uns sagen: Was funktioniert gut, was funktioniert nicht." Die Betroffenen sollten zu Beteiligten werden.

Andersrum müssten die Fahrgäste wissen, an wen sie sich wenden können, etwa wenn der Bus zu spät kommt. Der Bürgermeister hat schon mehrfach selbst erlebt, dass er auf eine Anfrage an die RAB nur eine automatisierte Antwort bekommt und dann nie wieder etwas hört. Auch die App der Verkehrsgesellschaft Bäderkreis Calw (VGC) erlebte er bei Versuchen als fehlerhaft. Doch wohin sollen sich Fahrgäste, die ähnliche Erfahrungen machen, wenden?

Außerdem fragt sich Karlheinz Kistner, ob das System mit den vielen Zonen und die Preisgestaltung wirklich so kompliziert sein müssen, wie es im Kreis Calw derzeit ist. "Der ÖPNV", meint er, "ist sowas von wichtig." Gerade deshalb wäre es ihm wichtig, dass Kreis, Busunternehmen und Fahrgäste gemeinsam schauen, wo es hakt.

Neuweiler

In Neuweiler hatte es der ÖPNV kurz nach dem Fahrplanwechsel sogar als Thema in die Gemeinderatssitzung geschafft. Räte äußerten harsche Kritik am neuen Fahrplan. Nicht nur sei er unverständlich, sondern funktioniere nicht. Daraufhin sammelte Bürgermeister Martin Buchwald die im Ort gemachten Erfahrungen mit den Bussen – Verspätungen, verpasste Anschlüsse, unzuverlässige Rufbusse – und gab sie an das Landratsamt weiter.

In Neuweiler hat sich die Lage seither offenbar entspannt. Dieses Bild ergibt sich für Buchwald nach Gesprächen mit Bürgern. Er habe die Rückmeldung erhalten, "dass es jetzt passt" – selbst in den Ferien. Auch für ihn ist wichtig, dass der ÖPNV "zuverlässig funktioniert". Der Neuweiler Bürgermeister meint: "Die Fahrzeiten sind natürlich alle relativ knapp getaktet." Zwei bis drei Minuten Verspätung seien aber dann egal, wenn der Anschluss dennoch funktioniere.

"Es braucht natürlich alles seine Zeit", sagt Martin Buchwald. "Das Konstrukt, dass wir jetzt haben, muss sich natürlich erst mal einstellen." Da sei es wichtig, Dinge, die nicht funktionieren, ans Landratsamt zu kommunizieren.

Bad Herrenalb

Bad Herrenalb liegt am anderen Ende der Linie X63 als Calw. Dass es andernorts Beschwerden über die Fahrtzeiten der Verbindung gibt, ist Hauptamtsleiter Tobias Kull aus Bad Herrenalb bekannt. Sie waren auch Thema einer Besprechung zwischen Landkreis und Bürgermeistern, die vergangene Woche zum ÖPNV stattfand. Bei ihm allerdings seien keine Beschwerden aufgeschlagen. "Wir sind zufrieden aus Sicht von Bad Herrenalb mit dem Regiobus". Dieser Regiobus, der X63, sei überfällig gewesen. Ende diesen, Anfang nächsten Jahres soll er weitergeführt werden bis nach Bühl. "Das ist dann sicher eine tolle Sache."

Der Landkreis

Im Landratsamt in Calw laufen die Fäden in Sachen ÖPNV zusammen. Wie stellt sich die Situation aus Sicht der Macher da? "Grundsätzlich laufen die Verkehre stabil", erklärt die Kreisverwaltung auf Nachfrage unserer Zeitung.

Die Fahrpläne

"Der Landkreis hat – gemeinsamen mit einem externen Partner – die Fahrpläne der beiden ausgeschriebenen Bündel erstellt. Diese sind Grundlage der Ausschreibung und müssen daher vom Kreis vorgegeben werden", erklärt die Behörde. Auf die bereits vorhandenen Fahrpläne "haben wir aufgesetzt, stellenweise optimiert und an die Rahmenbedingungen des Nahverkehrsplans angesetzt."

Die größte Herausforderung dabei sei, "dass der ÖPNV und der Fahrplan möglichst viele ›Einzelbedürfnisse‹ bei optimalem Ressourceneinsatz von Fahrzeug und Personal zu ermöglichen hat". Ansprüche von den verschiedensten Gesellschaftsgruppen müssten berücksichtigt werden. Dabei stoße der ÖPNV gerade im ländlichen Raum an seine Grenzen.

"Ein flächendeckender Stundentakt, wie ihn der Nahverkehrsplan vorsieht, stellt den Versuch dar, einerseits ökologisch und ökonomisch leistbar ÖPNV anzubieten, andererseits aber möglichst vielen Anforderungen gerecht zu werden. Eine weitere Herausforderung ist, dass Anschlussverkehre erreicht werden müssen."

Wie läuft’s?

"Nach den Anlaufschwierigkeiten sind aus Sicht des Landkreises die Probleme behoben. Wir haben im Detail nachgesteuert, Anschlüsse optimiert oder Anpassungen bei Fahrbeziehungen vorgenommen. Grundsätzlich läuft der Busverkehr nun stabil", erklärt die Kreisbehörde.

Probleme

"Die zum Jahresbeginn auftretenden Schwierigkeiten, die die Umstellung mit sich gebracht hat, sind abgestellt. Dass sich Fahrgäste aufgrund des Wechsels umstellen müssen, Linien anders bezeichnet sind oder zu anderen Zeiten abfahren, kann nicht als ›hapern‹ eingestuft werden. Bei solchen Veränderungen ist es durchaus möglich, dass sich für einzelne Strecken die Fahrzeiten etwas verlängern oder verkürzen."

Änderungen

"Wir werden zukünftig darauf achten, dass nicht zwei so große Verkehrsräume gleichzeitig ausgeschrieben werden und in den Betrieb gehen", teilt das Landratsamt mit. Außerdem seien kleine Anpassungen vorgenommen worden. "Damit konnte der Fahrplan weiter entspannt werden."

Anzeigentafeln

"Die Anzeigetafeln am ZOB werden zentral von der Datendrehscheibe Baden-Württemberg, die bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg liegt, gesteuert", erklärt die Kreisverwaltung. Dort allerdings muss das Problem längst bekannt sein, denn seitens des Landratsamts hatte es bereit Ende Januar geheißen, dass die Fehler "jetzt" bei der Datendrehscheibe ausgemerzt würden. "Hinsichtlich der Anzeigen an den Bussen sind wir im Gespräch mit den Unternehmen, dass diese Fehler behoben werden", teilt der Kreis mit.

Rufbus

In Sachen Rufbus verweist das Landratsamt darauf, dass dieser in Teilen des Kreises "schon seit vielen Jahren etabliert" sei. Die Behöre will nochmals verstärkt über dieses Angebot, das telefonisch oder online mindestens eine Stunde vor Fahrtantritt bestellt werden muss, informieren. Gerade dort, wo Rufbusse neu verkehren. "Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das System für die Kunden verständlich ist und auch genutzt wird."

Ansprechpartner

Die Verantwortlichkeiten im ÖPNV sind auf mehrere Schultern verteilt, erklärt die Kreisverwaltung. "Bei Busverspätungen ist das jeweilige Busunternehmen der richtige Ansprechpartner und bei grundsätzlichen Fragen der Landkreis."

Beschwerden

"Es kommen, wie es auch in den vergangenen Jahren immer der Fall war, Beschwerden bei uns an." Derzeit hänge vieles mit dem Betreiberwechsel und den neuen Fahrplänen zusammen. Dies sei bei allen großen Fahrplanumstellungen der vergangenen Jahre so gewesen.

Fahrgastzahlen

Seit dem Fahrplanwechsel wurden noch keine Fahrgastzahlen ermittelt. "Das liegt unter anderem auch daran, dass diese durch den Lockdown auch nicht repräsentativ sind."

Ausschuss: Kürzung ist ein Thema

Der Verwaltungs- und Wirtschaftsausschuss des Kreistags hält am Montag, 15. März, ab 15 Uhr eine Sitzung in Bad Liebenzell ab. Laut Tagesordnung geht es mehrfach um den ÖPNV. Darunter: "Aktueller Sachstand Bus." Zudem geht es um die beiden neuen Linienbündel Mitte und Südost. Pikant: Der Ausschuss wird einen Vorschlag der Kreisverwaltung vorberaten, das Betriebsende bei den Linien auf 22 Uhr vorzuverlegen, um rund 850 000 Euro einzusparen. Ebenfalls auf der Tagesordnung ist ein Antrag der SPD-Fraktion vom 20. Februar zum Beschwerdemanagement im ÖPNV. Darin heißt es: "Dass es bei Änderung von Fahrplänen zunächst etwas hakt, kann vorkommen, die Probleme scheinen aber schwerwiegender und tief gehender zu sein." Die Fraktion beantragt deshalb, ein "offensives Beschwerdemanagement" einzuführen. Damit könne man schneller erkennen, wie viele Beschwerden es gibt, wie schwerwiegend und welcher Art sie seien.