Deutschlands größter Anbauverband ist davon überzeugt, dass der Markt wieder wachsen wird. Doch mit der Umstellung ihrer Betriebe warten viele Bauern eher ab. Und es droht eine weitere Gefahr.
Bioland rechnet künftig wieder mit einer steigenden Nachfrage nach Bioprodukten. Gerald Wehde jedenfalls, der Geschäftsführer für Agrarpolitik beim bundesweit größten Verband für die Erzeugung von Ökolebensmitteln, ist davon überzeugt, dass die Kunden künftig wieder mehr kaufen werden: „Bei dem leichten Umsatzrückgang für Bioprodukte im vergangenen Jahr handelt es sich um eine Normalisierung nach einer starken Steigerung in den Coronajahren“, sagte Wehde unserer Zeitung. Tatsächlich sank die Nachfrage nach Bioprodukten in 2022 um 3,5 Prozent auf 15,3 Milliarden Euro. Das waren aber immer noch 25 Prozent mehr als vor Corona.
Ein Grund für den Rückgang ist vergangenen Jahr ist nach Meinung von Wehde, dass die Menschen wieder stärker auswärts essen und weniger zu Hause kochen. „Wenn sich die Lage bei Einkommen und Inflation entspannt, wird Bio auch im Fachhandel, etwa in Naturkostläden, wieder stärker gefragt.“ Gerade dort war der Einbruch im vergangenen Jahr besonders stark, weil viele Verbraucher preiswertere Bioware bei Discountern kauften. „Dort werden häufig Bioprodukte aus anderen EU-Staaten und Drittländern angeboten“, sagt Horst Reiser, der Vorsitzende des Fachausschusses Ökologischer Landbau beim Bauernverband in Baden-Württemberg. Dies geschehe zulasten der regionalen Betriebe, „die auf diesem Preisniveau nicht produzieren können“, meint Reiser, der einen Biohof in Straubenhardt in der Nähe von Pforzheim betreibt.
Discounter bauen Angebot aus
Die großen Einzelhandelsketten bauen wie Aldi, Lidl, Rewe oder Edeka ihr Bioangebot massiv aus – was aber nicht in jedem Fall schlecht sein muss für die heimischen Biobetriebe, allein in Naturkostläden lässt sich ein breiter Durchbruch für Ökoprodukte nicht erzielen. Zudem bietet Edeka etwa bei Schweinefleisch den Bauern Abmachungen über eine Frist von zehn Jahren an, was deren Planungssicherheit stärkt. Lidl hat mit der Erzeugerorganisation schon länger Verträge über den Kauf von Bioland-Produkten – und was Bioland anbietet, kommt aus Deutschland allenfalls noch aus Südtirol.
Bauern warten mit Umstellung auf Bio ab
Im Januar 2023 boten knapp 37 100 Betriebe in Deutschland Ökoprodukte an, fast 800 mehr als ein Jahr zuvor. Möglicherweise war dieses Wachstum aber auch teilweise auf in den Coronajahren beflügelte Biohoffnungen zurückzuführen, eine Umstellung dauert je nach Betrieb zwei bis drei Jahre. Ein Bauer, der 2019 anfing, eine ökologische Bewirtschaftung einzuleiten, konnte also noch nicht auf Rückgänge in 2022 reagieren. Zurück zur konventionellen Landwirtschaft jedenfalls geht nach den Beobachtungen Wehdes kaum jemand. Bioangebote brächten den Betrieben immerhin eine größere Sicherheit, weil die Erzeugerpreise nicht so stark schwanken würden wie bei konventionellen Produkten. Was der Bioland-Geschäftsführer für Agrarpolitik allerdings feststellt, ist inzwischen eine gewisse Zurückhaltung der Bauern bei der Umstellung auf Bioangebote. „Die Umstellung ist aufgrund der aktuellen Marktsituation eher zurückhaltend“, sagt auch Horst Reiser vom Bauernverband, „momentan ist die Marktsituation so schwierig, dass kein gesicherter Absatz vorhanden ist“ – und die Umbaukosten etwa für einen Schweinebetrieb können schnell mal eine Million Euro erreichen.
Das auch von der Bundesregierung proklamierte Ziel, bis 2030 den Anteil der biologisch bewirtschafteten Fläche von jetzt etwas mehr als elf Prozent auf 30 Prozent zu steigern, nennt Wehde denn auch „ambitioniert“.
Kritik an Kunstfleisch aus dem Labor
Die Landwirtschaft – und das gilt auch für mit Biofutter ernährte Kühe – gehört nicht zuletzt wegen des Methansausstoßes der Vierbeiner zu den Verursachern des Klimawandels. Doch woran in den Labors von Forschungseinrichtungen mit dem Hinweis auf die Bekämpfung der Erderwärmung experimentiert wird, ist nach Meinung von Wehde „der falsche Ansatz“ – die Herstellung von Kunstfleisch aus Zellen von Tieren, aus denen dann Fleisch gezüchtet wird. Rindfleisch aus dem Reagenzglas herzustellen verbrauche eine Menge an Energie, sagt der Bioland-Geschäftsführer, „das ist eine industrielle Produktion“. Und Investoren könnten mit ihren Marketingstrategen dieses Fleisch zulasten der Landwirte in den Markt drücken. Rinder aber seien nötig,um das Grünland zu erhalten, das auch Kohlendioxid binde. „Man sollte allerdings nur so viel Kühe halten, wie man mit dem eigenen Futter ernähren kann“, fordert Wehde.
Klima braucht Kühe und Grünland
Reinhard Grieshaber, der mit Frau und zwei weiteren Familien den Biohof Grieshaber und Schmid betreibt, sieht dies genauso: „Wenn wir den Schutz des Bodens, des Klimas und die Artenvielfalt erhalten wollen, kann die Konsequenz nur Bio heißen.“ Mit den Ökofeldtagen, die dieses Jahr erstmals auf einem privaten Hof stattfanden, will er dieses Ziel unterstützen. Gekommen waren 12 000 Besucher, der ganz überwiegende Teil Landwirte aus der gesamten Republik – Biobauern, oder solche, die es möglicherweise werden wollen.