Von Juni bis August wurden 52 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft. Die Politik steht unter erheblichem Druck, einen Nachfolger zu beschließen. Foto: dpa/Christian Charisius

Neun Euro kostete die grenzenlose Mobilität im Sommer, die Aktion war ein voller Erfolg. Bis Mitte Oktober wollen Bund und Länder jetzt eine Nachfolgelösung präsentieren. Doch noch sind viele offene Fragen zu klären.

Bund und Länder wollen bis Mitte Oktober Klarheit darüber schaffen, wie eine Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket im Nahverkehr aussehen könnte. Das teilte die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, die Bremer Senatorin Maike Schaefer, am Montag nach einer Videoschalte der Ressortchefs mit.

 

Die 16 Länder hätten sich ohne Ausnahme dafür ausgesprochen, gemeinsam mit dem Bund ein Folgeangebot zu konzipieren, sagte Schaefer. Dafür werde jetzt eine Arbeitsgruppe eingesetzt, „die relativ schnell zu einem Ergebnis kommen sollte“. Dies solle nach Möglichkeit vor dem 12. Oktober geschehen. Dann kommen die Verkehrsminister zu ihrer regulären Herbstsitzung zusammen.

Wissing mahnt schnelle Beschlüsse an

Neben dem Preis des geplanten Tickets muss vor allem geklärt werden, wie Bund und Länder die Kosten aufteilen und was das neue Angebot leisten wird – also ob es etwa bundesweit oder nur in einer begrenzten Zahl von Verkehrsverbünden gelten soll. In der öffentlichen Debatte sind Ticketpreise von 49 oder 69 Euro. Eine Vorfestlegung dazu gibt es aber noch nicht. Zugleich gibt es einen Streit zwischen Bund und Ländern über die künftige Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs insgesamt.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte mit Blick auf das geplante Folgeangebot: „Wir brauchen eine schnelle Entscheidung. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger.“ Wenn jetzt rasch ein Vorschlag erarbeitet werde, könnte das Angebot für das 9-Euro-Ticket zu Beginn des kommenden Jahres in Kraft treten. Die Zeit zwischen Mitte Oktober und dem Jahreswechsel reiche, um die notwendigen Gesetzesänderungen auf den Weg zu bringen und zu verabschieden.

Nach dem großem Erfolg des 9-Euro-Tickets in diesem Sommer stehen Bund und Länder unter erheblichem Druck, eine Nachfolgeregelung auf die Beine zu stellen. Im Juni, Juli und August hatte jedermann für jeweils neun Euro pro Monat sämtliche Angebote des öffentlichen Nah- und Regionalverkehrs nutzen können. Damit wollte die Berliner Ampelregierung die Bürger angesichts stark gestiegener Energiepreise entlasten und zugleich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Nach Angaben der Verkehrsbranche wurden insgesamt 52 Millionen Tickets verkauft, viele Autofahrer ließen ihre Fahrzeuge stehen und fuhren stattdessen mit Bus und Bahn. Bund und Länder müssen jetzt aber nicht nur an einem Nachfolgemodell für das 9-Euro-Ticket arbeiten. Sie streiten auch über weitere Bundesmittel für den öffentlichen Nahverkehr. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte am Montag: „Das kann nur in einem Gesamtpaket entschieden werden.“

Die Länder argumentieren, dass sich angesichts stark gestiegener Energie- und Personalkosten die Qualität im Nahverkehr nicht halten, geschweige denn ausbauen lasse. Außerdem litten die Anbieter immer noch unter den Auswirkungen der Coronakrise. Ohne zusätzliche Mittel drohe die Ausdünnung von Fahrplänen oder gar die Abbestellung von Verkehren. SPD, Grüne und FDP hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag auf das gemeinsame Ziel verständigt, die Fahrgastzahlen des öffentlichen Verkehrs „deutlich“ zu steigern.

Streit um Entlastungspaket

Bundesverkehrsminister Wissing bietet den Ländern für die Nachfolge des 9-Euro-Tickets gemäß eines Beschlusses der Koalition bislang 1,5 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr an. Die Länder müssten sich ebenfalls finanziell beteiligen, voraussichtlich in derselben Höhe. Die Bundesländer fordern von Wissing darüber hinaus für das laufende und das kommende Jahr jeweils 1,65 Milliarden Euro zusätzlich. In Deutschland sind die Länder und Kommunen für den Nahverkehr zuständig. Der Bund unterstützt sie finanziell dabei.

Die Debatte der Verkehrsminister fügt sich ein in eine größere Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern über die Kostenverteilung beim dritten Entlastungspaket. Die Ampelkoalition hatte sich Anfang September darauf verständigt, die Verbraucher in Deutschland angesichts stark gestiegener Energiekosten abermals zu entlasten, dieses Mal um insgesamt 65 Milliarden Euro. 19 Milliarden davon sollen die Bundesländer tragen, weshalb von dort zum Teil heftiger Widerspruch kommt.

Für den 28. September ist eine Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geplant. Dort soll das Paket ausführlich diskutiert werden. Diverse Länderchefs fühlen sich durch die Beschlüsse der Koalition übergangen. Neben Winfried Kretschmann (Grüne) aus Baden-Württemberg drohen auch die Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens, Hendrik Wüst (CDU), und Bayerns, Markus Söder (CSU), mit einem Nein im Bundesrat. SPD-Regierungschefs meldeten ebenfalls erheblichen Diskussionsbedarf an.