Anfang Oktober 2017 war für Flüchtlingsbetreuerin Sandra Müller noch alles in Ordnung: In der Flüchtlings-Männer-WG im ehemaligen Haus der Grundschule herrschte große Harmonie. Foto: Steitz Foto: Schwarzwälder Bote

Abschied: Sandra Müller legt Ehrenamt nieder / Helferinnen ziehen sich zurück / Keine Nachfolger in Sicht

"Jetzt ist eine Zeit erreicht, da ist genug", sagt Sandra Müller. Sie hört als Flüchtlingsbetreuerin der Gemeinde Oberwolfach auf. Vier Jahre lang hat sie die Neuankömmlinge zu Behörden begleitet, ihnen bei der Job- und Wohnungssuche geholfen.

Oberwolfach . "Es brodelt schon so ein halbes Jahr in mir herum, dass ich nicht mehr so glücklich bin mit der Situation", schildert Müller. Eine Familie sei abgeschoben worden und die andere weggezogen. Immer mehr Männer würden der Gemeinde zugeordnet, erzählt sie.

Neue Mittlerin gesucht: Seit gut einem Vierteljahr habe Bürgermeister Matthias Bauernfeind gewusst, dass Müller nicht mehr weitermachen möchte. Bei der Koordinatorin bestand zu jener Zeit noch die Hoffnung, dass die weiteren vier Mitstreiterinnen die Funktion einer Verbindungsperson übernehmen würden, als Mittlerin zwischen dem Landratsamt (LRA) Ortenaukreis, Migrationsmanagern, der Gemeinde Oberwolfach und den Flüchtlingen. Das, was Müller nun vier Jahre ehrenamtlich gemacht hat.

Aber keine von ihnen war dazu bereit. Im Gegenteil, nun ziehen sich auch diese Helferinnen zurück. Die Gemeinde Oberwolfach steht derzeit ohne ehrenamtliche Flüchtlingshilfe da. Nur ein Sozialarbeiter des LRA, sogenannter Integrationsmanager, der ein Büro in Wolfach hat, schaut gelegentlich vorbei.

"Dem Bürgermeister ist sehr am Herzen gelegen, dass es gut läuft", so Müller. Vom LRA habe sie sich zuletzt schon im Stich gelassen gefühlt, aber nicht vom Schultes. Mit der Gemeinde und Bauernfeind habe sie "immer gut zusammengeschafft". Daran habe es nicht gelegen, dass sie sich nun von den Aufgaben zurückzieht.

Problem sei auch gewesen, dass sich ein Mann in der Wohngemeinschaft im ehemaligen Haus der Grundschule an der Walke nicht an die Hausordnung gehalten habe. "Er wohnt mit sympathischen Männern zusammen", so Müller. Sie habe Angst, dass er sie provoziert und diese in einer Art reagierten, wie sie es eigentlich gar nicht möchten.

"Ich habe es immer gern gemacht, ich bereue nichts", betont Müller. Die selbstständige Co-Unternehmerin eines Getränkehandels hängte noch nach Feierabend eine Stunde dran und stand morgens eine Stunde früher auf. Den Rest erledigte sie nebenbei im Alltag. "Für mich ist es eine Pflicht, als Christin anderen Menschen zu helfen", sagt Müller, "aber irgendwo ist das Maß voll", findet sie.

Unzufrieden mit der Politik :  Persönlicher Hauptgrund, ihre Arbeit niederzulegen, war für Müller, dass sie die nationale Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen ungerecht findet. Ein Mann, dem die sie helfen wollte, nach Deutschland einzureisen, und der bei einem hiesigen Hotelbesitzer als Kellner hätte anfangen können, durfte aus bürokratischen Gründen nicht herkommen.

Das ist für Müller ein Unding. Bisher habe die Oberwolfacherin den Flüchtlingen und Sozialarbeitern immer einen Vorschuss an Vertrauen und Zeit entgegengebracht. Nun wurde ihr dieser in eigener Sache verwehrt. "Er hätte keinen Sozialhilfeanspruch gebraucht", bekräftigt sie. Zumal in der Region ein Fachkräftemangel bei Gastronomen und im Handwerk herrscht. Aber auf der Mangelliste der Bundesagentur für Arbeit stehen nur Berufe wie Ärzte und Ingenieure. Das erreicht den ländlichen Raum aus Müllers Sicht aber nicht.

Sie sieht auch die Regierung in der Pflicht. Diese müsste eindeutige Regelungen signalisieren, was mit den Flüchtlingen passiert, die sich nicht an Regeln halten. Zudem müsste ein klares Einwanderungsgesetz her, findet sie, das auch denjenigen Menschen eine Aufenthaltserlaubnis einräumt, die in Deutschland einen Job gefunden haben und dem Staat keine Kosten verursachen.

Aufgeschlossenes Dorf: Generell fällt ihr Fazit aber positiv aus: "Ich habe ganz viele Erfolge gehabt, das ist der Grund, warum ich das vier Jahre lang gemacht habe", betont sie. Jetzt wolle sie sich "selber treu bleiben".

Dass sich Mitstreiter für die gute Sache finden werden, daran hat Müller keinen Zweifel. "Wir haben keine Rassisten in Oberwolfach", unterstreicht sie. Die Gemeinde sei offen, engagiert und unvoreingenommen. Als sie einmal inseriert habe, dass sie einen Kinderwagen benötige, hätten gleich zahlreiche Mitbürger die Vehikel zur Verfügung gestellt.

"Es ist schließlich der Mix aus allem", sagt Müller, der sie zu diesem Schritt bewogen hat. Aber für diejenigen, die sie als Betreuerin bereits erlebt haben, ist es kein Abschied für immer. Sie ist auch weiterhin für sie da und hilft ihnen, wenn sie kann. Die Tür bleibt immer offen. Aber eben privat – und nicht mehr unter dem ehrenamtlichen Deckmantel der Flüchtlingsarbeit der Gemeinde Oberwolfach.

Wolfach (ms). "Es ist schwer bedauerlich, dass Frau Müller aufhört", so Bürgermeister Matthias Bauernfeind. Mit ihr und einem verantwortlichen Integrationsmanager habe das Gemeindeoberhaupt bereits Gespräche geführt. Wenn die Schulferien beendet sind, möchte Bauernfeind den Kontakt zu den anderen Flüchtlingshelferinnen suchen.

Er plant zudem, einen Info-Abend für Interessierte zu veranstalten. Daran nehmen die ehemalige Verbindungsperson Sandra Müller und ein Integrationsmanager teil, um Einblick in die Arbeit mit Flüchtlingen zu geben. Es gehe darum, die Pädagogen des Landratsamts (LRA) weiterhin zu unterstützen, unterstreicht Bauernfeind, damit Integration einfacher gelingt.

Der LRA-Pädagoge stand mit Müller in laufendem Austausch und es gibt regelmäßige Treffen mit den ehrenamtlichen Helfern vor Ort, beschreibt Alexandra Roth, Leiterin des Migrationsamts des Landratsamts (LRA) Ortenaukreis, die Zusammenarbeit mit dem Oberwolfacher Helferkreis.

Die Gemeinde beherbergt derzeit 30 geflüchtete Menschen in Anschlussunterkünften. Im Jahr 2015 nahm Oberwolfach neun Personen auf. Wie Rot erläutert, kamen 2017 neun weitere Personen hinzu. 2018 sind es bis dato zwölf Neuankömmlinge gewesen. Die Flüchtlinge werden bisher von ihrem zuständigen Integrationsmanager betreut. Dieser stehe in regelmäßigem Kontakt mit der Oberwolfacher Verwaltung und stimme sich dort mit den Sprechzeiten ab.

Auch an die Gemeindeverwaltung können sich Interessierte wenden. Der Kontakt erfolgt unter 07834/8 38 30 oder per E-Mail an buergermeister@oberwolfach.de.

Männer und Frauen, die sich für eine ehrenamtliche Mitarbeit bei der Flüchtlingshilfe interessieren, können sich an Sandra Müller unter Telefon 07834/5 42 wenden. Sie ist bereit, ihren Nachfolgern anfangs Tipps zu geben.