Die Oberwolfacher Ortsdurchfahrt hat eine wechselvolle Geschichte. Geblieben sind historische Gebäude, die ihre eigene Geschichte erzählen. Foto: Haas Foto: Schwarzwälder Bote

Historie: "Verkehrsberuhigte" Zeit bietet andere Einblicke

In den "verkehrsberuhigten" Corona-Zeiten ergeben sich neue Blickwinkel auf die Oberwolfacher Ortsdurchfahrt. Damit wird ein Vergleich mit der Vergangenheit möglich.

Oberwolfach. Geblieben sind die Bäckerei und das Lebensmittelgeschäft. Der Chef-Bäcker heißt aber nicht mehr August Reinauer, sondern seit mehr als einem halben Jahrhundert zuerst Franz, dann Michael und nun Martin Leist. Von der Grund- und Hauptschule existiert zwar noch das Gebäude, aber genutzt wird es seit rund 60 Jahren als Bank.

Direkt an eine lange Geschichte knüpft talaufwärts das Gasthaus/Hotel "Drei Könige" an. Über mehrere Generationen wird es von der Familie Echle bewirtschaftet, die das einstige dörfliche Gasthaus mit landwirtschaftlichen Stallungen und einem Tanzsaal zu einem modernen Hotelbetrieb weiterentwickelt hat. Noch gibt es weiter oberhalb das große Gebäude von "Krämer-Welles", aber es wurde schon vor vielen Jahren vom Geschäftshaus zum Wohnhaus umgebaut. Wenn grad eine Ware nicht vorrätig war, dann kam seitens der rührigen Geschäftsinhaberin stets das Versprechen: "Morn kriage mr’s!". Das "Morn" konnte dann aber schon mal zwei Wochen dauern, Hauptsache die Kundschaft ging nicht verloren.

Verändert hat sich auch das Wolfufer. Dort stand eine mächtige Kastanienallee. Die Mehrzahl der Bäume wurde vor dem Einmarsch der französischen Truppen im April 1945 noch schnell gefällt und quer über die Landstraße gelegt. Der Rest musste in den 70er-Jahren weichen, weil die auf die Landstraße herabfallenden Kastanienfrüchte und auch dürres Astwerk den Verkehr gefährdeten.

Mit der Baumfällaktion im April 1945 wollte man die anrückenden Besatzungstruppen aufhalten. Die wussten sich leicht zu helfen, indem sie – überwiegend zu Pferd – ihren Durchgang über den Grünach einschlugen. Einheimische wurden von den marokkanischen Soldaten mitgezerrt. Offensichtlich hatten sie sich in den Weg gestellt. Im Nachhinein wurde auch von Übergriffen auf die Zivilbevölkerung berichtet.

Die örtliche Entwicklung und Eindrücke aus der anschließenden Einquartierung der französischen Soldaten hat der heute in München lebende Paul Schuler in feinfühlend niedergeschriebenen Memoiren mit beeindruckender Beobachtungsgabe festgehalten. Fahrzeuge waren beim Einmarsch nicht dabei, einer solchen Belastung wären die obere und untere Grünachbrücke nicht gewachsen gewesen.

Das endgültige Aus für die untere Grünachbrücke kam in den 60er-Jahren. Die hölzerne Brücke war bereits wegen ihrer Fäulnis und demzufolge großer Baufälligkeit für Fahrzeuge gesperrt, als der "Jule-Franz" aus Schenkenzell die Überfahrt um zum elterlichen Haus riskierte. Kurz vor Erreichen der Grünacher Uferseite senkte sich die östliche Brückenhälfte. Immerhin konnte das Auto mit einem Traktor unbeschädigt geborgen werden. Der wagemutige Fahrer kam mit dem Schrecken davon. Die Holzbrücke wurde durch die bis heute existierende Betonbrücke ersetzt.