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Kanzleramts-Staatsminister Helge Braun über die Schwierigkeiten des Bürokratie-Abbaus.

Oberreichenbach-Würzbach - Ständige Dokumentations- und Nachweispflichten, zeitfressende Kontrollen, nur schwer nachvollziehbare Vorgaben und natürlich der ewige Ärger mit den Steuern: Bürokratie kann zu einem großen Bremsklotz im Arbeitsalltag von Handwerkern sowie Kleinunternehmern werden.

Umso emotionaler wird der Tonfall bei Diskussionen über dieses Thema. Im Rahmen seiner Wahlkampf-Tour widmet der CDU-Bundestagsabgeordnete Hans-Joachim Fuchtel in Würzbach dennoch einen ganzen Nachmittag dem Bürokratie-Abbau – und bringt jemanden mit, für den das politisches Tagesgeschäft ist: Helge Braun (CDU), Staatsminister im Bundeskanzleramt.

Auftritt ist Heimspiel

Erst einmal richtig durchatmen kann der erst 44-jährige Hesse, als er auf dem Hof von Gebäudetechnik Pfrommer zwischen Wahlkampf-Broschüren, CDU-Tischdecken und Partei-T-Shirts tragenden Schaufensterpuppen vor die rund 50 Zuhörer tritt. Es ist ein echtes Heimspiel – schon allein, weil sich im gleichen Gebäude die Geschäftsstelle der Kreis-CDU befindet. Im knapp 700 Kilometer entfernten Berlin hingegen waren es turbulente Tage für Braun, der im Ministerium von Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) die Stellung halten musste. "Merkel im Urlaub, Altmaier im Urlaub. Erst der Diesel-Gipfel, dann die Gift-Eier. Da bin ich doch ganz froh, heute bei Ihnen hier im Schwarzwald sein zu können", scherzt der Staatsminister mit seinem leichten, schnell sympathisch wirkenden hessischen Zungenschlag, der seinen Aufgabenbereich im Bundeskanzleramt so zusammenfasst: "All die unlösbaren Dinge."

Doch die Zuhörer – darunter viele Handwerker und Kleinunternehmer aus dem ganzen Landkreis – sind nicht nach Würzbach gekommen, um heitere Geschichten aus dem Kanzleramt zu hören. "Wir sind Handwerker, keine Mundwerker. Es kann nicht sein, dass die Bürokratie den Großteil unserer wertvollen Zeit in Anspruch nimmt", forderte kurz vor Brauns Auftritt die Kreishandwerksmeisterin Roswitha Keppler, die sich von dem Nachmittag vor allem eines verspricht: "Feuer frei für unsere Sorgen und Nöte."

Tatsächlich schafft Braun es, recht schnell das Urproblem der Bürokratie auf den Punkt zu bringen. "Warum ist der Bürokratie-Abbau so schwierig? Weil wir uns jede Regel einmal aus irgendeinem Grund gegeben haben", erinnert der Hesse und sagt danach einen Satz, der an diesem Nachmittag nach lange nachhallt: "Man muss gönnen können, man muss die kleinen Ungerechtigkeiten im Leben akzeptieren." Das sei jedoch für viele ein Problem. Also gehe man "einzelfallgerecht" vor – und das schaffe Bürokratie. Als Beispiel nennt Braun den Fall "Florida-Rolf" aus den 1990er-Jahren. Damals lebte ein Deutscher im sonnigen Süden der USA und kassierte munter deutsche Sozialhilfe. Obwohl er laut Braun ein Extrembeispiel sei, wurde daraufhin die Gesetzgebung verkompliziert, um eine Wiederholung auszuschließen. Konsequenz: mehr Bürokratie – und das nur wegen eines Einzelfalls.

Fazit fällt verhalten aus

Doch auch in der laufenden Legislaturperiode habe es Beispiele für wachsende Bürokratie gegeben. Zwar habe Braun erfolgreich eine Bürokratie-Bremse einführen können, durch die die Ministerien angehalten sind, bei der Einführung einer jeden neuen Regel eine andere nach dem britischen "one in, one out"-Prinzip abzuschaffen. Unter dem Strich aber falle das Fazit verhalten aus. "Die Einführung des Mindestlohns hat mir die ganze Bilanz verhagelt. Da ging es von Anfang an nur darum, wie wir es kontrollieren, und nicht darum, wie wir es regeln", ärgert sich Braun, der fordert: "Wir müssen nicht jeden vor sich selber schützen und den Leuten auch mal etwas zutrauen."

Worte, mit denen der Staatsminister in Würzbach offene Türen einrennt. Und dennoch: Die Wutreden bleiben nicht aus. "Ich weiß gar nicht, ob die Politik weiß, was sie in den letzten 20, 30 Jahren den Kleinstunternehmern angetan hat", schimpft Schreinermeister Ulrich Burkhardt, der auch Ortsvorsteher von Bieselsberg ist. Alles werde komplizierter, zum Beispiel durch die elektronische Steuererklärung (Elster), die aus Burkhardts Sicht aber nur das Finanzamt und nicht den Steuerzahler entlaste.

Mit Kritik spart auch Wolfgang Renz nicht, der in Emmingen einen Fensterbau-Betrieb besitzt. Seine Forderung: Jeder, der in einer Behörde tätig ist, müsse erst einmal in einem Handwerksbetrieb gearbeitet haben – "bevor er uns Vorschriften macht, die einen Betrieb übernommen und das Handwerk von klein auf gelernt haben", ärgert sich Renz.

"Im Vergleich zu anderen Ländern sind wir unglaublich detailverliebt", gesteht Staatsminister Braun am Ende des Nachmittags, während Hans-Joachim Fuchtel immerhin noch ein bisschen Ehrrettung betreibt. Denn in der Tat: Nicht für jeden Bürokratie-Stolperstein ist die Politik verantwortlich. Manch eine Bestimmung, mit der sich der Handwerker herumschlagen muss, sei auch hausgemacht – etwa durch die Berufsgenossenschaften. "Wer sitzt denn in den Berufsgenossenschaften?", fragt Fuchtel rhetorisch und fordert: In sie müsse man "Handwerker mit Rückgrat" wählen.