Mal schnell eine Serie streamen am Abend. Kurz online shoppen oder größere Datenmengen austauschen. Das wird schwierig in Oberreichenbach-Siehdichfür. Schuld ist ein Kabelverzweiger und zu viel Kupfer. Das bremst das Signal ziemlich aus. Foto: © fotohansel -stockadobe.com

Internet lahmt in Ortsteil Siehdichfür gewaltig. Schuld ist ein Kabelverzweiger und zu viel Kupfer.

Oberreichenbach-Siehdichfür - Mal schnell eine Serie streamen am Abend. Kurz online shoppen oder größere Datenmengen austauschen. Das wird schwierig in Oberreichenbach-Siehdichfür. Schuld ist ein Kabelverzweiger und zu viel Kupfer. Das bremst das Signal ziemlich aus.

Oberreichenbachs Bürgermeister Karlheinz Kistner hat sie alle. Die verschiedensten Kabel, Rohre und Leitungen, durch die man schnelles Internet legen könnte. Das Problem an der Sache ist der Konjunktiv. Denn im Teilort Siehdichfür ist nur bei den ersten vier Häusern laut Breitbandaltas des Bundes eine Downloadrate von bis zu 50 Megabite pro Sekunde (Mbit/s) möglich. Alles was dahinter kommt, guckt in die Röhre. Schlimmer noch: Die Telekom bietet für die ersten vier Gebäude in der Schömberger Straße maximal 25 Mbit/s an – das spuckt jedenfalls die Angebotsabfrage auf der Internetseite des Telekommunikationsunternehmens aus.

Und überhaupt ist dieser Wert meilenweit von den angestrebten 50 Mbit/s im Zuge des sogenannten Vectoringausbaus entfernt, der schnelles Internet auch in den ländlichen Raum holen soll. Das bringt Kistner auf die Palme: "Wenn man einen Mercedes verspricht und dann einen Dacia liefert, ist das nicht in Ordnung. Der fährt zwar auch, aber ist halt doch was anderes", findet der Rathauschef einen anschaulichen Vergleich.

Der technische Hintergrund des Problems: Bereits 2014 hat die Telekom Vectoringausbau in Oberreichenbach betrieben. Doch die verbleibenden 1310 Meter bis Siehdichfür sind lediglich mit Kuperkabel angeschlossen. "Bei Kupfer ist jeder Meter ein Problem, das dämpft die Leistung", betont Kistner. Man würde gerne gemeinsam mit dem Eigenbetrieb Breitband Landkreis Calw den von der Telekom aufgestellten Kabelverzweiger (KVz) in Siehdichfür überbauen – also zum zweiten Mal erschließen – und so für schnelle Leitungen sorgen – zumal dort schon Glasfaser im Kasten direkt daneben liegt. Doch das darf man nicht wie man will.

Riegel vorgeschoben

Die Bundesnetzagentur schiebt hier einen Riegel vor. Da der Kasten mittels Kupfer an den Kabelverzweiger in Oberreichenbach angebunden ist, der auf der Vectoringliste steht, darf hier kein zweiter Anbieter eingreifen. Zwar betont ein Sprecher der Bundesnetzgentur, dass "aus regulatorischer Sicht eine Doppelerschließung nicht ausgeschlossen ist." Doch darf man dann keine Leitung mit bis zu 50 Mbit/s aufschalten. Und genau diese Geschwindigkeit wird beim Vectoring durch optimierte Kupferkabel erreicht. Das geht aber nur effektiv, wenn "die Vectoring-Einheit im jeweiligen KVz den [...] Zugriff auf sämtliche Teilnehmeranschlussleitungen hat", heißt es von der Bundesnetzagentur. Konkret kann also nur ein Anbieter den Vectoring-Kasten sinnvoll anzapfen. Im Fall Siehdichfür eben die Telekom. Der Kasten in Oberreichenbach ist zudem laut Kistner bereits mit einem Glasfaserkabel aus Calw kommend angeschlossen.

"Der Bundesnetzagentur ist nur das Verfahren wichtig, nicht, was dann am Ende ankommt", klagt Kistner. Dem Konzern aus Bonn werde nicht wirklich auf die Finger geklopft. "Wir könnten locker 30 bis 40 Mbit/s liefern", ist sich Kistner derweil sicher. Wie bereits erwähnt, sind laut Homepage der Telekom maximal 25 Mbit/s möglich – in den ersten vier Häusern.

Danach bricht das Tempo auf 16 Mbit/s ein. Messungen im hinteren Teil von Siehdichfür ergaben nur eine Bandbreite von um die 11,2 Mbit/s – das geht aus internen Dokumenten hervor, die dem Schwarzwälder Boten vorliegen.

Homeoffice schwierig

Und dieses Schneckentempo reicht auch im privaten Bereich nicht aus, sagt Kistner. "Gerade Leute, die viel zu Hause arbeiten, brauchen eine schnellere Leitung." Seit Monaten steht der Rathauschef mit den zuständigen Personen im Landratsamt, bei der Telekom und der Bundesnetzagentur in Kontakt. Passiert ist bisher wenig. Auch von Messungen, die durch die Telekom für Mitte August veranlasst werden sollten, hat Kistner bis zum Mittwoch keine Daten erhalten.

Das Landratsamt Calw teilt indes auf Anfrage mit, dass man mit der "bestehenden Problematik" vertraut sei und "bereits Kontakt zu verschiedenen Stellen aufgenommen hat, um den Fall zu prüfen und zeitnah eine geeignete Lösung zu finden." Was man konkret von dem Sachverhalt hält? Dazu äußert man sich derzeit während der laufenden Gespräche nicht.

Kistner jedenfalls hat die Geduld verloren und sagt: "Ich kann doch nicht so tun, als ob alles in bester Ordnung wäre." Inzwischen wurden auch die beiden Bundestagsabgeordneten Hans-Joachim Fuchtel (CDU) und Saskia Esken (SPD) über das Problem unterrichtet. Esken sitzt überdies im Aufsichtsrat der Bundesnetzagentur und soll das Problem auch dort zur Sprache bringen.

Das Ziel von Kistner und Oberreichenbach: Die Telekom soll den KVz von der Vectoringliste nehmen, damit eine Überbauung möglich wird – oder aber selber dafür Sorge tragen, dass die Leistung von 50 Mbit/s auch in Siehdichfür ankommt. Ersteres ist laut Bundesnetzagentur kein Problem: "Die Eintragung eines Vectoring-Nutzungsrechts kann jederzeit auf Wunsch des Berechtigten gelöscht werden."

Viele Fragen bleiben offen

Die Telekom selbst wirbt bei ihren Kunden um Geduld, erweist sich dann aber bei den geografischen Gegebenheiten als nicht ganz sattelfest, und sagt: "Wir wissen, dass auch die Menschen in Calw und den Ortsteilen auf höhere Bandbreiten warten. Was den angesprochenen KVz betrifft, laufen aktuell Prüfungen, wann und wie wir hier weiter vorgehen. Wir bitten unsere Kunden noch um etwas Geduld", teilt Hubertus Kischkewitz von der Telekom mit.

Weshalb die Telekom die Erschließung von Siehdichfür nicht bereits 2014 in Angriff nahm? Dazu schweigt sich der Pressemann aus. Auch zur Frage, ob der Telekommunikationskonzern gewillt wäre, den KVz von der Vectoringliste zu nehmen, liefert Kischkewitz keine Antwort. Stattdessen rühmt er die Ausbautätigkeit seines Hauses: "Wir bauen aus wie kein anderer, und zwar fortlaufend, jeden Tag auf aktuell mehr als 50 000 Baustellen. Wir können aber nicht zeitgleich überall ausbauen."

Und deshalb macht das Oberreichenbach in seinem Neubaugebiet nun selbst, legt sogar Glasfaser direkt ins Haus. Denn die Telekom, sagt Kistner, habe "ihr Versprechen nicht gehalten" und schlichtweg versagt.

Der Oberreichenbacher Schultes wartet jetzt auf die angekündigten Messergebnisse, ist aber schon soweit, dass er sich in Sarkasmus flüchtet: "Die Messung war ja für den 19. August angekündigt. Bloß die Jahreszahl stand nicht dabei, vielleicht wird es auch 2025." Eventuell stimmt dann auch das Werbemotto der Telekom in Siehdichfür: "Erleben, was verbindet." Denn momentan reicht die Verbindung nicht aus, um schnelle Erlebnisse im Internet zu generieren.

Funklöcher, kein schnelles Internet, schleppender Breitbandausbau. Der ländliche Raum ist beim Zugang zum World Wide Web abgehängt. Wenn dann auch noch Unternehmen wie die Telekom einen Kabelverzweiger wie in Oberreichenbach-Siehdichfür nicht freigeben, obwohl es andere schneller hinbekommen würden, ist die Blockade perfekt. Es ist unerträglich, dass Verbraucher reihenweise vertröstet, Gemeinden links liegen gelassen und der Breitbandausbau so quasi im Tiefschlaf verpennt wird. Leidtragende vom Geschacher um den Kabelverzweiger sind die Kunden, die am Ende der Nahrungskette stehen und nur bitweise abgespeist werden. Es bleibt zu hoffen, dass bald eine einvernehmliche Lösung gefunden wird – auch mit Blick auf den gesamtdeutschen Ausbau. Denn sonst bleibt Deutschland weiterhin hinter digitalen Weltmächten wie Panama, Malta oder Liechtenstein.