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ForstBW pflanzt Obstbäume auf Mooswiese im Oberreichenbacher Wald. Vielfalt erhalten als Ziel

Im Wald bei Igelsloch sind Forstarbeiter zu Gange. Nicht aber, um Holz zu sägen, sondern um Bäume zu pflanzen. Es sind Obstbäume, die zur Steigerung der Artenvielfalt in dem Gebiet beitragen sollen. Der Zeithorizont des Projekts ist eher weit.

Oberreichenbach-Igelsloch. Wie von Geisterhand öffnet sich plötzlich im Wald eine riesige, sonnendurchflutete Wiese an diesem Morgen. Es ist die "Große Mooswiese" im Forst hinter Igelsloch.

Martin Hein von ForstBW ist hier mit seinen Kollegen zu Gange. Die Forstleute haben aber keine Motorsägen dabei, wie landläufig oft vermutet wird, sondern viel Erde und neue Bäume. 68 Obstbäume um genau zu sein. Eine wahre Streuobst-Allee wird hier im Revier "Bühlhof" errichtet. "Der Hintergrund ist, dass ForstBW in die Daseinsvorsorge im Wald investiert", erklärt Hein. Das Land mache für ganz vielfältige Maßnahmen einen zweistelligen Millionenbetrag locker. Biotope im Wald würden damit geschaffen, Bestandspflege betrieben oder auch wie hier nahe Oberreichenbachs Ortsteil Wiesen aufgewertet.

Aber weshalb ausgerechnet Obstbäume und nicht klassiche Nadel- oder Laubbäume? Ins Obstgeschäft wolle man jedenfalls nicht einsteigen, scherzt Hein. Die genaue Erklärung liefert aber Bernd Gutekunst vom Waldschulheim Altensteig: "Da findet Leben statt", sagt der Obstbaumfachwart fast schon pathetisch. Bis zu 5000 Tierarten würden sich auf solch einer Obstwiese tummeln. "Ein Hotspot der Biodiversität", meint Gutekunst begeistert. Von Fledermäusen über Käuze bis hin zu Motten oder Käfern sei da alles zu finden.

Doch die Fachmänner vom Forst haben nicht einfach wahllos Bäume in den Boden gerammt – im Gegenteil. Gutekunst hat einen detaillierten Setzplan ausgearbeitet. Äpfel, Kirschen, Zwetschgen und Birnen sind dabei. Die Baumsorten haben teils skurrile Namen: Äpfel mit den Namen "Jakob Fischer" oder "Roter Boskop" kennt man ja noch. "Rotfelder Kurzstiel", eine lokale Art, oder auch die Zwetschge namens "Emma Leppermann" ist wohl nur ausgewiesenen Obst-Kennern ein Begriff. Hein ist daher heilfroh, dass man mit Gutekunst einen Fachmann in den eigenen Reihen hat.

Und der gibt sein Wissen auch preis: "Man muss schon überlegen, was man wo pflanzt. Es gibt zum Beispiel auch triploide Sorten (Anm. Red.: die sich nicht selbst befruchten können) und da kann man keine drei nebeneinander pflanzen, sondern muss andere Bäume dazwischenstellen."

Das sei eine super Mischung, findet der Baumexperte. "Ein echter Genpool", so Gutekunst. Denn der sei auch wichtig, um die alten Obstsorten zu erhalten. Denn züchten könne man die nur mittels Veredelung, nicht aber mit dem bloßen Einpflanzen eines Kerns. "Da kommt oft gar nix bei raus", erklärt Gutekunst.

Alle Bäume seien überdies für Höhenlagen geeignet. Müssen sie auch sein, liegt die Mooswiese doch auf rund 660 Metern Höhe. Stichwort Höhe: Viel höher fliegen gewöhnlich auch Greifvögel. Auch an die Federtiere haben die Forstleute gedacht und einen Sitzplatz aus alten Holzstangen errichtet. "Später sitzen die auf den großen Bäumen, aber die kleinen tragen die natürlich noch nicht, deshalb die Jule", erklärt Gutekunst den Sinn des Aufbaus.

Jetzt gilt es aber noch, vor allem den Boden zu bereiten für die neuen Bäume. Rinderhumus wird mit geladener Pflanzenkohle angereichert – drei Hände voll kommen in jedes ausgehobene Baumloch. Auf der Kohle seien Mikroorganismen aktiv, die den Boden verbessern. Bis die Bäume allerdings im wahrsten Sinne des Wortes Frucht bringen, dauert es noch mindestens zehn bis 15 Jahre. Man müsse die Pflanzen natürlich auch intensiv pflegen. Das fängt beim Verbissschutz an und geht bis zu jährlichem Schnitt der jungen Obstbäume.

Noch bis nächste Woche schwer beschäftigt

Zunächst müssen aber alle fertig gepflanzt werden. Das dauert mindestens noch bis in die nächste Woche hinein. "Pro Baum braucht es schon eine bis eineinhalb Stunden", verdeutlicht Gutekunst, dass vom Ausheben des Lochs bis zum fertigen Einsetzen des Baums eine ganze Zeit vergeht.

Aber die Arbeit lohne sich am Ende und macht im Übrigen auch den drei Forstwirten Jim Wehr, Marco Zündel und Tim Kleinbub sichtlich Spaß. So eine Aktion sei mal etwas anderes, bekräftigten die drei unisono. Überhaupt komme das ihrer Heimat zu Gute. Eines Tages könnten sie hier auch mal selber Obst ernten. Wirklichen Gewinn wirft die Maßnahme freilich nicht ab, das weiß auch Hein. Doch dafür mache man das ja nicht, stellt er nochmals die Daseinsvorsorge in den Vordergrund. "Die Ansprüche an den Wald werden immer vielfältiger", meint Hein. Da sei einerseits die CO2-Speicherfähigkeit im Zuge des Klimawandels, dann die Holzertragsseite, aber natürlich auch der Wald als Erholungsraum für den Menschen und Lebensraum für Tiere. All das müsse man unter einen Hut bekommen, weshalb ForstBW nun vermehrt auch solche Maßnahmen zum Erhalt der Vielfalt angehe, verdeutlicht der Förster.

Etwas Ertrag verspricht man sich durch die Obstbaumpflanzerei aber dann doch – freilich nicht bierernst gemeint. "Man kann das ja schnapsen", wirft Forstwirt Kleinbub mit einem breiten Grinsen ein. Einen Namen für den edlen Tropfen hat Hein sofort parat: "Mooswiesenbrand." Die Art der Spirituose dürfte auf Grund der Vielfalt der Sorten klar sein. Alles andere als ein Obstler wäre eine Überraschung.