Die Zimmerin Mareike hantiert auf dem Dachboden mit der großen Kreissäge. Foto: Buck Foto: Schwarzwälder Bote

Handwerk: Zimmerin auf Wanderschaft arbeitet auch in Oberreichenbach

Ein Nordlicht im Schwabenland? Klappt ohne Probleme, wie eine junge Zimmerin zeigt. Die macht auf ihrer dreijährigen Wanderschaft auch in Oberreichenbach Station und packt kräftig mit an.

Oberreichenbach/Calw-Speßhardt. Mareike ist keine gewöhnliche Mitarbeiterin beim Holzbaubetrieb Elsässer aus Oberreichenbach-Würzbach. Denn die 30-Jährige Zimmerin ist auf Wanderschaft – und das schon seit zwei Jahren. Ursprünglich kommt sie aus einem kleinen Ort bei Rotenburg (Wümme). Das wiederum liegt in Niedersachsen in der Nähe von Bremen.

Ihren Nachnamen will sie im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten nicht verraten: "Tradition. Den legen wir während der Wanderschaft ab", erklärt sie am Rande der Kaffeepause. Die Regeln für Gesellen auf Wanderschaft sind strikt: Kein Handy, Transport nur, wenn er nichts kostet, keine Besuche in der Heimat. Und das drei Jahre und einen Tag lang. Ein weit verbreiteter, aber falscher Mythos, ist hingegen, dass die Wandergesellen nur Kost und Logis erhalten. "Wir bekommen natürlich einen ganz normalen Gesellenlohn", erzählt Mareike. Denn es kommt eben auch mal der Tag, an dem man neue Schuhe oder einen Schlafsack kaufen muss.

Oberreichenbach ist bereits die achte Arbeitsstation der "fremden Zimmerin", wie die offizielle Bezeichnung lautet. Sie kam schon in zahlreichen Nachbarländern Deutschlands herum, war mit zwei anderen Handwerkerinnen an Norwegens Nordküste. "Wir waren da bis Bergen unterwegs. Das war eine total tolle Zeit", blickt die Gesellin zurück. Aber auch in Deutschland kam sie schon gut herum: "Da ist man am einen Tag in Flensburg, dann geht es für zwei Tage an den Bodensee und wieder zurück. Ich habe schon viele Kilometer auf der Straße verbracht." Doch am liebsten ist sie natürlich auf dem Dach – das sie im Idealfall selber baut. "Die Arbeit im Team, draußen zu sein bei Wind und Wetter und der Werkstoff Holz an sich faszinieren mich an meinem Handwerk", schwärmt sie und ergänzt: "Es ist ein gutes Gefühl, dass man egal was kommt sich sein Haus selber bauen kann."

Tradition wird seltener

Dazu reicht die Zeit an diesem Morgen auf der Baustelle in Calw-Speßhardt aber nicht. Und auch sonst nicht, denn als Gesellin auf Wanderschaft ist sie maximal bis zu drei Monate in einem Betrieb. "Wenn der Nachbarshund nicht mehr bellt und der Bäcker schon weiß, welches Brötchen du morgens willst, dann ist es Zeit, weiterzuziehen", hat die Zimmerin eine Faustregel. Die Tradition sei seltener geworden, berichtet sie. "Deshalb sind die Leute auch neugierig, wenn man in Zimmereiklamotten rumläuft und fragen nach." In solchen Momenten kommt Mareike immer wieder ins Gespräch mit den Menschen vor Ort. "Das ist mir ehrlich gesagt auch wichtiger als Sehenswürdigkeiten anzuschauen", sagt sie.

Bereut hat sie ihre Entscheidung noch nie: "Klar gibt es auch mal Tage, wo man sich denkt ›die Welt ist gemein‹, aber dann rafft man sich trotzdem immer wieder auf und macht weiter."

Wie es genau weitergeht, das weiß die Wandergesellin noch nicht. Eines steht aber schon fest: Im Dezember holt sie einen Bäckergesellen in Bielefeld ab, der sie drei Monate begleitet – als Vorbereitung auf seine Wanderschaft. Was nach der dreijährigen Wanderzeit kommt? "Da gibt es schon Ideen, aber konkrete Pläne mache ich erst, wenn es dann soweit ist." Bis dahin will sie noch möglichst viel mitnehmen für sich selber: "Man lernt in jedem Betrieb etwas anderes und kommt mit vielen anderen Kulturen in Kontakt. Das bringt mir und den Betrieben was."

Das kann ihr Teilzeitchef Stefan Elsässer nur unterschreiben: "Das ist heute nicht mehr alltäglich. Vor 50 oder 100 Jahren war das noch normal. Man will den jungen Leuten ja auch die Chance geben, Erfahrung zu sammeln. Außerdem ist das für die Mitarbeiter und mich auch gut, wenn mal jemand von außen kommt."

Das letzte Mal, dass ein Wandergeselle bei ihm im Betrieb war, sei schon mindestens 20 Jahre her, so Elsässer, der aber höchsten Respekt vor seiner Wandergesellin hat, die eines Morgens plötzlich vor der Tür stand: "Das ist schon eine Herausforderung, drei Jahre lang auf die Walz zu gehen." Der Lerneffekt dafür aber umso größer.

Für Mareike geht es am Freitag weiter auf ihrer Gesellenwanderschaft. Bis dahin packt sie noch kräftig in Oberreichenbach mit an.