Sieben Autoren, sechs Abende, zwei Veranstaltungsorte: Das erste Oberndorfer Literaturfest der Marion und Otto Biesenberger Stiftung präsentiert Schriftsteller in überraschenden Formaten.
Das Seelenleben der Protagonisten und die Wirkung der Worte standen den Gästen des Literaturfests buchstäblich ins Gesicht geschrieben: Erstaunen, Mitgefühl, Freude, Erleichterung, Traurigkeit, Liebe, Zufriedenheit und Überraschung. Von Donnerstag bis Samstag gastierten weitere Bestseller-Autoren in der Neckarstadt. Rund 350 Literaturfreunde schafften es an sechs Abenden auf die Gästeliste des Veranstalters, der Marion und Otto Biesenberger Stiftung. Sie erlebten spannende Persönlichkeiten und kulturelle Vielfalt, kuratiert von Matthias Kehle.
„Das Buch über Romy zu schreiben, war die Hölle“, plauderte Carla Berling alias Felicitas Fuchs aus dem Nähkästchen. Die Autorin aus Köln, bekannt durch Frauenromane und Krimis, beschreibt in ihrem neuesten Werk „Romy, Mädchen, die pfeifen“, dem dritten Teil der Familiensaga, ihre eigene Lebensgeschichte. „Ich habe mir alles von der Seele geschrieben, einen Therapeuten brauche ich nicht mehr.“
„Schweigende Generation“
Herrlich offen nahm sie ihr Publikum mit in die 1980er-Jahre, schilderte pointiert und mit viel Humor von ihrer ersten Liebe, von der „schweigenden Generation“, der ihre Mutter angehörte und von ihren schriftstellerischen Anfängen („Das erste Buch schrieb ich auf einer ausgeliehenen Schreibmaschine, auf der das ‚e‘ kaputt war“). 50 Jahre lang habe sie sich als Alleinverdienerin mit zwei Kindern keinen Urlaub leisten können. Umso dankbarer sei sie nun für Lesereisen, die sie quer durch Deutschland führen – und sogar auf ein Kreuzfahrtschiff. „Dort lese ich immer als erstes aus meinem Buch ‚Der Alte muss weg‘“ – ihr verschmitzt-zweideutiger Humor kam bei den Gästen und bei Moderator Matthias Winter, Oberndorfs Bürgermeister, im Gasthaus „Schützen“ bestens an.
Ein Sinnbild für gesellschaftlichen Gleichklang
„Ich muss meine Figuren sehr gut kennen, bevor ich sie losschicke.“ Dies verriet Anna Katharina Hahn, die ihren Roman „Der Chor“ im Gepäck hatte. Die Stuttgarterin habe drei Jahre lang an diesem Werk, in dem ein Chor als soziales Netzwerk dient, gearbeitet. Für sie sei das Singen im Chor ein Sinnbild dafür, dass ein gesellschaftlicher Gleichklang nur dann funktioniere, wenn man sich selbst auch mal zurücknehmen könne. Auch sie nahm sich wie alle anderen Autoren im Anschluss noch viel Zeit, um die Fragen von Moderator Thomas Krebs (antenne 1 Radio Neckarburg Rock & Pop) zu beantworten und mit den Gästen ins Gespräch zu kommen sowie Bücher individuell zu signieren.
Vergessene Frauenfiguren
Das Prädikat „lustvoll“ beschreibt die Lesung – oder besser den Auftritt – von Ariane von Graffenried. Ihr Sprechgesang wechselte atemberaubend vom Berndeutsch ins Hochdeutsch und von Englisch in die französische Sprache. Sie berichtet unter vollem Körpereinsatz von (fast) vergessenen Frauenfiguren, von Fräulein Rottenmeier und der „Typhus Mary“. „So eine Künstlerin vermutet man eher in Berlin, aber nicht unbedingt in Oberndorf“, kommentierte ein Gast anerkennend.
Im zweiten Teil des „Schweizer Abends“ in der Stadtbücherei, von Redakteur Bodo Schnekenburger moderiert, saß Matto Kämpf, ebenfalls aus Bern, am Lesetisch. Mit irrwitziger Komik trug er Szenen aus seinen Büchern „Im Krachenschachen“ und „Krimi“ vor – beide reich an Absurditäten. Die kulinarische Zubereitung eines Drachens inklusive.
Tiere zeigen kuriose Verhaltensmuster
Tierische Kuriositäten, bei denen es „menschelt“, sind die Spezialität von Mario Ludwig. Der Biologe hatte zahlreiche Beispiele parat, bei denen sich Affen, Ratten, Fische und Vögel fast gar wie Zweibeiner verhalten. Und so stellte er fest: „Im Tierreich wird gesoffen, dass es kracht.“ Demnach bedienen sich Igel in England allzu oft an den Bierfallen, die Hobbygärtner zum Fangen von Schnecken aufstellen. „Der Verzehr einer solchen Bierschnecke ist ungefähr so, als wenn ein Mensch sich auf einmal eine zwei Kilogramm schwere Schnapspraline gönnt.“ Brüllend komisch auch seine Ausführungen zum Liebesleben der Bonobos-Affen oder seine Ausführungen zum Verhalten eines Trauerschwans, der sich in ein weißes Tretboot, das die Form eines Schwand hatte, verliebte.
Der Gesichtsausdruck der Gäste auf dem Heimweg? Beseelt.