Voriges Jahr bekam die EnBW Anlagen mit einer Gesamtleistung von 400 Megawatt genehmigt. (Symbolfoto) Foto: dpa

Die EnBW steckt sich ambitionierte Ziele: Im Südwesten investiert Konzern 3,5 Milliarden Euro in Energiewende.

Oberndorf - Michael Soukup scheint ein pragmatischer Mensch zu sein. In Jeans und T-Shirt sitzt er da, lacht viel und lässt es an klaren Worten nicht fehlen. "Der Auerhahn wird im Schwarzwald aussterben, ob mit oder ohne Windkraft", sagt Soukup. Natürlich nähmen zusätzliche Rotoren der bedrohten Tierart Lebensraum weg. Aber wenn die Energiewende scheitere und sich das Erdklima erwärme, könne das Wildtier hier auch nicht mehr existieren. Einen Tod muss man nun mal sterben. Für Soukup gilt das grundsätzlich für die Energiewende. Er hat täglich damit zu tun, denn er ist Teamleiter Projektentwicklung Windenergie der EnBW.

Der Karlsruher Stromkonzern hat ehrgeizige Ziele. Neue Strategie: voll auf die "Erneuerbaren" setzen – und das vor allem auf Windkraft. 1000 Megawatt Leistung sollen Soukup und seine Mannschaft bis 2020 aufbauen. "Das entspricht etwa einem Block von Neckarwestheim", sagt er. "Ehrgeizig" nennt er das Ziel. Voriges Jahr bekam die EnBW Anlagen mit einer Gesamtleistung von 400 Megawatt genehmigt. 70 Projekte hat der Konzern derzeit entweder in Vorbereitung oder Umsetzung, 17 davon im Nord- und Südschwarzwald, zwischen Bad Wildbad (Kreis Calw) und Hasel (Kreis Lörrach), Oppenau (ortenaukreis) und Dornhan (Kreis Rottweil) sowie in Oberschwaben und östlich der Donau. Wenn man berücksichtigt, dass es Jahre dauert von der Untersuchung eines Standorts bis zum Bau, muss der Konzern mächtig Gas geben. Aber Soukup ist zuversichtlich, dass das zu schaffen ist; auch weil die Zeit offenbar für ihn spielt.

Der neue Paragraf 17 des Erneuerbare Energiegesetzes (EEG) bringe "dramatische Veränderungen" mit sich. Auch bei den Herstellern der Rotoren ist derzeit viel in Bewegung. Es gebe Anzeichen für eine Marktbereinigung, ein Teil der Hersteller werde die Segel streichen müssen. Vorteil für die EnBW: Mit steigenden Stückzahlen sinke der Herstellungspreis, Gesetz der Massenproduktion. Für Soukup, den Kaufmann, ist das "ein ganz, ganz großer Hebel". Darüber hinaus würden die Anlagen noch größer. Sei bislang bei 160 Metern Nabenhöhe und rund 140 Metern Rotordurchmesser Schluss, sei die neueste Generation auf 170 bis 180 Metern Nabenhöhe und 150 Metern Durchmesser gewachsen. Die Rechnung, dass die Auslegerlänge des Krans die Grenzen setzt, gilt nicht mehr. "Technisch gibt es da keine Grenzen mehr", behauptet Soukup. Mit der Höhe verbessere sich die Energieausbeute und damit die Wirtschaftlichkeit. Denn mit der Höhe nimmt in der Regel die Windgeschwindigkeit zu. Alles unter einer sogenannten Windhöffigkeit von weniger als sechs Metern pro Sekunde gilt als kaum rentabel. Im Schnitt fünf Millionen Euro koste eine Anlage.

Außerdem setze die EnBW auf "Premiumstandorte", weil sich die Unternehmensziele mit "1b-Standorten" nicht erreichen ließen. Die Wirtschaftlichkeit lasse sich durch Sammelstandorte weiter verbessern, wenn eine Zufahrtsstraße nicht nur für einen Rotor, sondern für mehrere gebaut werden kann. Jedes Projekt werde genau gerechnet. Und was sich wirtschaftlich rechne und genehmigungsfähig sei, solle auch umgesetzt werden. Die EnBW sei schließlich ein Wirtschaftsunternehmen, plane nicht mehr mit Anlagen von einem oder zwei Megawatt Leistung, sondern von vier bis fünf.

Die Politik unterstützt das. Solche "Konzentrationsflächen" will beispielsweise auch der Regionalverband Nordschwarzwald mit Sitz in Pforzheim im neuen Regionalplan ausweisen. Der Regionalverband stellt sich auf heiße Debatten ein, die EnBW auch. Dagmar Jordan, Pressesprecherin der EnBW, sagt, sie finde das gut. "Der Bürger soll ja mitsprechen." Soukup ergänzt, er argumentiere stets auf der Sachebene. Das seien die Aspekte Technik und Recht. Aber in einer emotionalen Debatte sei damit schwer durchzudringen.

Seiner Beobachtung nach haben sich die Argumente der Kritiker verschoben. Als Hauptkritikpunkt werde heute die "optisch bedrängende Wirkung" vorgetragen. Theoretische Debatten, ob der Abstand wegen des Infraschalls der Rotoren nun 700 oder 1000 Meter betragen solle, hält er für falsch. Für ihn sei entscheidend, was an den Häusern ankomme; daraus ergebe sich der Abstand von alleine. Der Grenzwert liege nachts bei 45 Dezibel, "so viel wie das Surren eines Kühlschranks". Aber für Soukup, ansonsten Zahlenmensch, ist Lärm ausnahmsweise mal "total subjektiv". Er lebe in der Nähe des Stuttgarter Flughafens: kein Problem, alles eine Frage, was man gewohnt sei.

Vorfahrt vor anderen Naturschutzbelangen?

Der Konzern erhofft sich von der Politik, dass sie in Baden-Württemberg "die objektiv besten Standorte freigibt" für die Windkraftnutzung, ein "deutliches Signal" gebe und "Prioritäten" setze. Soll heißen: im Zweifel Vorfahrt für für die Windkraft vor anderen Naturschutzbelangen.

Die EnBW baut auf eine Zusammenarbeit mit den Kommunen, auf deren Gemarkung der Wind am heftigsten pfeift. Mit der Planungshoheit hätte die Kommunalpolitik zwar "ein scharfes Schwert" in der Hand, mit dem sie sich aber auch schnell ins eigene Fleisch schneiden könne. Planungsrecht sei kein Verhinderungsrecht. Kippe ein Gericht einen Beschluss, stünde die Kommune da "wie ein begossener Pudel". Dann sei anderen Investoren "Tür und Tor geöffnet", ohne weitere Einflussmöglichkeit – und im Zweifel mit einer geringeren Gewinnbeteiligung als bei der EnBW, die ihre Milliardeninvestitionen in den Ausbau der Windkraft ganz ohne Fremdkapital stemmen wolle. Mit diesem klaren Bekenntnis Wer die Energiewende will, kann Windkraft nicht ausbremsen, wird der Klimawandel begrenzt, bleibt am Ende vielleicht sogar dem Auerhahn eine Chance im Schwarzwald.