Die neue Waffe der Franzosen kommt vom europäischen Nachbarn, von Heckler & Koch, dem Rüstungsunternehmen aus Oberndorf am Neckar. Foto: dpa

Frankreichs Großauftrag bestätigt Heckler & Koch in seinem Qualitätsanspruch. HK416F auch für Bundeswehr tauglich?

Oberndorf - Frankreichs Soldaten werden sich an den neuen Namen erst noch gewöhnen müssen. "Arme Individuelle Future" wird ihr künftiges Sturmgewehr heißen. Abgekürzt: AIF. Das lässt sich etwas holprig mit "Einzelschützenwaffe für die Zukunft" übersetzen. Jahrzehntelang nannten die Franzosen ihre Standardwaffe FAMAS. Das hat sich eingebürgert. Die Buchstabenkombination steht für "Fusil d’Assaut de la Manufacture nationale d’armes de St-Etienne". Auf Deutsch: "Sturmgewehr der staatlichen Waffen-Fabrik St. Etienne".

Die neue Waffe nun kommt vom europäischen Nachbarn, von Heckler & Koch, dem Rüstungsunternehmen aus Oberndorf am Neckar. Bereits am Wochenende hatte unsere Zeitung vermeldet, dass sich Frankreichs Beschaffungsbehörde "Direction Générale de l’Armement" (DGA) für das HK416F aus der Kleinstadt im Kreis Rottweil als künftiges Standardgewehr entschieden hat.

Am Mittwoch dann nennt HK in einer Pressemitteilung Einzelheiten des Geschäftes. Danach werden ab 2017 die Soldaten des Heeres, der Luftwaffe und der Marine mit der neuen Dienstwaffe ausgestattet. Der Vertrag sieht in einer Laufzeit von zehn Jahren die Lieferung von 102.000 Sturmgewehren HK416F im Kaliber 5,56 mm x 45 NATO vor. Zudem werden 10 767 Granatwerfer HK269F im Kaliber 40 mm x 46 geliefert. Nicht zu vergessen: Zubehör, Munition, Ersatzteile und Servicedienstleistungen. Zum finanziellen Umfang des Großauftrags schweigt man sich aus. In Medien ist von 300 Millionen Euro die Rede.

Viele Armeen Europas beziehen das HK416

Mehr als eine Randbemerkung hingegen ist dem Unternehmen der Hinweis wert, das "Vertrauen Frankreichs in Heckler & Koch" unterstreiche "einmal mehr die Reputation und die Kompetenz unseres Hauses als weltweit führender und bedeutendster Hersteller von Handfeuerwaffen und Infanteriewaffensystemen für Militär, Spezialkräfte und Polizeibehörden". Das geht gewiss auch an die Adresse von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Die CDU-Politikerin hat das G36 als Standardwaffe der Bundeswehr ausgemustert. Präzisionsmängel im heißgeschossenen Zustand waren bemängelt worden. Die Kritik kam allerdings nicht von Soldaten im Einsatz, wohl aber nach umstrittenen Testreihen im Labor und – zur Überraschung von Experten – vom Bundesrechnungshof.

Zwischenzeitlich ist zwar gerichtlich festgestellt, dass das Sturmgewehr die vereinbarten Anforderungen erfüllt, doch es bleibt beim Ausmusterungsbefehl. Allerdings wollen sich die Oberndorfer an der europaweiten Ausschreibung für ein Nachfolgemodell beteiligen. Diese soll noch in diesem Jahr erfolgen.

Im Zusammenhang mit der Order aus Paris macht HK nun geflissentlich darauf aufmerksam, dass das HK416 in unterschiedlicher Konfiguration bei Spezialkräften rund um den Globus verwendet wird. So zählen zu den Kunden der Oberndorfer in Sachen Standardsturmgewehren mit Frankreich (HK416F), Deutschland (G36), Großbritannien (SA80), Norwegen (HK416), Spanien (G36) und Litauen (G36) viele Armeen Europas. Was man im Verteidigungsministerium doch wissen dürfte.

Frankreichs Militärs hatten schon länger einen Nachfolger für das altgediente Sturmgewehr FAMAS gesucht. Produziert wird die Waffe seit 1975. Nun sollte es ein moderneres und flexibleres Gewehr sein. Nach mehr als einjähriger Bewertung ist die Entscheidung für das Produkt aus Baden-Württemberg gefallen. Die Tests müssen es in sich gehabt haben. Bei Heckler & Koch spricht man von einer "anspruchsvollen technischen Bewertung". Mit den Oberndorfern konkurrierten dem Vernehmen nach das FNSCAR der belgischen Fabrique Nationale, das VHS-2 von HS Produkt aus Kroatien, das MCX von SIG Sauer (Deutschland/USA) sowie das ARX 160 des italienischen Waffenproduzenten Baretta.

Am Ende überzeugt das HK416F. Und beim Hersteller demonstriert man gestern Selbstbewusstsein: "Das HK416F erfüllte vorbehaltlos alle Anforderungen der französischen Streitkräfte an ihr künftiges Sturmgewehr und setzte sich damit klar an die Spitze des Bewerberfeldes".

Wäre das nicht auch ein Gewehr für die Bundeswehr? Dazu will man gestern in Berlin nichts sagen.

Schon Ende August war in Oberndorf ein beachtlicher Rüstungsauftrag eingegangen. HK wird die litauischen Streitkräfte mit zusätzlichen Sturmgewehren G36 und dem neuen 40 mm Anbaugerät HK269 ausrüsten. Das Gesamtvolumen des Auftrags beziffert das Unternehmen auf rund 12,5 Mio. Euro. Die Auslieferung erfolgt 2017. Hingegen könnte sich ein Zukunftsprojekt der Oberndorfer Waffenschmiede zerschlagen.

USA verzichten wohl auf "Wunderwaffe" XM-25

Nach Angaben des Magazins "Stern" rückt das US-Verteidigungsministerium vom Granatwerfer XM-25 ab. Dieser wird von HK gemeinsam mit dem US-Rüstungskonzern Alliant Techsystems (ATK) entwickelt. Einer wahrhaft revolutionären Waffentechnik mit programmierbarer Munition, heißt es nun, drohe das Aus, weil angeblich die Kosten davonlaufen. Dabei seien Tests in Afghanistan mit der martialisch "Punisher" (Bestrafer) genannten Waffe durchaus positiv verlaufen. Von "Wunderwaffe" war in Medien schon die Rede.

Laien erscheint der Granaten abfeuernde XM-25 wie eine Mischung aus Panzerabwehrwaffe und Gewehr. Die Besonderheit liegt nach Expertenangaben darin, dass die Munition mittels Computertechnologie an einem exakt definierten Punkt der Flugbahn zur Detonation gebracht werden kann. Splitter können dabei feindliche Soldaten auch dann treffen, wenn diese hinter einer Mauer Schutz gesucht haben. Der Granatwerfer kann von einem Soldaten geschultert werden. Allerdings sehen Waffenexperten mangelhafte Wirksamkeit und geringe Reichweite des XM-25 kritisch.

Geschäfte mit den Saudis in der Schwebe

Das Hauptproblem indes scheinen die Kosten zu sein. Der "Stern" zitiert einen Bericht des Generalinspekteurs des US-Verteidigungsministeriums, wonach die ursprünglich geplanten 184 Millionen Dollar Entwicklungskosten mittlerweile auf 835 Millionen Dollar gestiegen seien. Jeder einzelne Prototyp habe 686 000 Dollar gekostet. Der Bericht empfiehlt demnach, das Projekt zu beerdigen.

Derweil ist weiter unklar, wie sich die politisch heiklen Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien weiterentwickeln. Der Wüstenstaat pocht immer vernehmlicher auf die Lieferung von Ersatzteilen für in dem arabischen Land in Lizenz hergestellte Heckler & Koch-Gewehre. Bei dem Rüstungsexport geht es um 1000 Druckfedern und 27 000 Ersatzteile im Gesamtwert von 537 000 Euro für eine saudi-arabische Gewehrfabrik. Die Bundesregierung zögert, weil man nicht sicher ist, wo die Waffen landen. Die Saudis verweisen hingegen auf die beim Kauf der ehemaligen HK-Fabrik geschlossenen Verträge.

In einem gestern von Spiegel online veröffentlichten Interview verdeutlicht Riads Militärsprecher Ahmed al-Asiri die Position des Königreichs. "Es geht nicht, dass ein Land uns Waffen oder eben eine Fabrik verkauft und dann plötzlich sagt, man habe seine Meinung geändert. Verträge müssen erfüllt werden, auch wenn eine neue Regierung kommt." Das Thema drängt offenkundig. "Derzeit wird das Problem verhandelt, hoffentlich gibt es eine gütliche Lösung", sagt Asiri. Saudi-Arabien könne andernfalls aber seine Waffen überall auf der Welt kaufen: "Viele Länder sind interessiert an uns, denn wir bezahlen sofort."

Der Militärsprecher weist indes Vorwürfe zurück, sein Land versorge im Jemen regimefreundliche Milizen mit Waffen wie dem in Lizenz gefertigten G3. Im Jemen tobt seit zwei Jahren ein blutiger Konflikt, in dem Riad gegen Huthi-Milizen vorgeht und die jemenitische Regierung stützt. Angeblich wurden auf dem Flughafen von Aden kistenweise G3-Waffen abgeworfen, die auch in die Hände von Milizen gelangt seien. Asiri bestreitet dies. Die in der HK-Fabrik hergestellten Waffen "sind für unsere Armee. Wir geben diese niemals an Dritte weiter und haben dies auch nicht getan", sagt Asiri dem Online-Medium. Saudi-Arabien halte sich an Verträge. Dies erwarte man auch von den deutschen Partnern.

Ewig kann die schwarz-rote Koalition nicht mehr lavieren. Bereits im Juni hat das Verwaltungsgericht Frankfurt auf Betreiben der Oberdorfer Waffenschmiede die Bundesregierung auf eine baldige Entscheidung verpflichtet.