Besuch beim Waffenproduzenten: Exportbeschränkungen machen Heckler&Koch zu schaffen. Zeitarbeitsverträge nicht erneuert.
Oberndorf - In schlechten Zeiten rücken die Menschen zusammen. So gesehen dürften sich die Mitarbeiter und die Geschäftsführung beim Waffenhersteller Heckler &Koch (HK) mit Sitz in Oberndorf (Kreis Rottweil) in diesen Tagen ganz nah sein. Die Exportbeschränkungen aus dem Hause Sigmar Gabriel (SPD) machen schwer zu schaffen.
"Ware im Wert von rund 30 Millionen Euro befindet sich in unserem Lager und darf nicht ausgeliefert werden", erklärt Geschäftsführer Martin Lemperle. Dies sind Waffen und Waffenteile, die für sogenannte Drittstaaten (Staaten außerhalb von EU und NATO) produziert wurden.
Der aus dem Oberndorfer Ortsteil Beffendorf stammende Lemperle ist seit 1966 bei HK, er hat schon manche Hochs und Tiefs beim Waffenhersteller durchlebt. Das hat ihn gelassen werden lassen. "Die rosigen Zeiten sind vorbei", stellt er nüchtern fest. "Wir befinden uns in der bislang größten Krise, die uns von der Politik eingebrockt wurde." Trotzdem: In all den Jahren sei er noch nie mit Bauchweh in die Firma gekommen. Auch jetzt nicht. "Wir werfen die Flinte nicht ins Korn", sagt er.
Seit Anfang des Jahres, seit die Bundesregierung die Waffenexporte quasi auf Eis gelegt hat, sei die Planungssicherheit dahin. Lemperle, der für die Produktion, die Logistik, den Einkauf und die Infrastruktur verantwortlich ist, war es gewohnt, die Geschäfte über einen langen Zeitraum hinweg planen zu können. "Heute sind wir froh, wenn wir die nächsten drei Wochen überblicken können." Der Geschäftsführer: "Es gibt von der Politik keine verlässlichen Aussagen, und wir hängen am öffentlichen Topf."
Das Fehlen von internen Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung kritisiert auch Reiner Neumeister, Geschäftsführer der IG Metall Freudenstadt. Die strategische Bedeutung von Handfeuerwaffen werde falsch eingestuft, so seine Meinung.
Ein kleiner Lichtblick für HK sind die genehmigten Ausfuhrentscheidungen, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie am 2. Oktober bekannt gab. Dort sind neben Radpanzern für Kuwait, Pionierpanzern für Saudi-Arabien, Granatpistolen für den Oman auch vollautomatische Gewehre aus dem Hause HK für Jordanien aufgeführt. "Dies entspricht gerade mal zehn Prozent dessen, was wir in 2014 gerne geliefert hätten", sagt Lemperle. Trotzdem: "Für unsere Kunden hat diese Entscheidung Signalwirkung", sagt Lemperle. Denn diese würden noch voll und ganz zu HK stehen.
Auf die IG Metall ist manch HK-Mitarbeiter nicht gut zu sprechen
Nicht nur für seine langjährige Erfahrung im Rüstungsgeschäft, auch für seine Verbundenheit zu Oberndorf ist Lemperle in der 14 000-Einwohnerstadt am Neckar bekannt. Die rund 650 Mitarbeiter schätzen das. Sein Wort zählt. Auch bei der Ende September einberufenen Betriebsversammlung.
Dort wurde die Belegschaft unter anderem darüber informiert, dass Überstunden abgebaut und die Gleitzeitkonten Richtung null geführt werden müssen. Rund 20 Zeitarbeitsverträge werden nicht erneuert, die Drei-Schicht-Modelle angepasst. Arbeitszeit an Wochenenden entfällt, die entsprechenden Maschinen werden künftig samstags und sonntags ausgeschaltet.
HK reduziere den Zukaufanteil für Dreh- oder Blechteile, viele Arbeiten werden wieder im Hause erledigt. Dies treffe rund 50 Unternehmen in der Region, die bislang als Zulieferer tätig waren. "Wir fahren diese Aufträge aber mit Augenmaß zurück. Die Grundversorgung wird gewährleistet sein", erläutert Niels Ihloff, Geschäftsführer Personal.
"Ich glaube das, was uns die Geschäftsführung sagt. Auf Gerüchte gebe ich nichts", erzählt die Mitarbeiterin am Firmensitz auf dem Oberndorfer Lindenhof, die die Besucherin von der Pforte zur Geschäftsführung begleitet.
Von diesen Gerüchten gibt es derzeit mehr als genug. Nicht nur in den Medien, auch in der Bevölkerung, in der Stadt: Nächsten Monat wird kein Lohn mehr bezahlt. Weihnachtsgeld ist gestrichen. Erste Kündigungen sind raus. Sicherheitsbestimmungen können nicht mehr eingehalten werden, weil sich die Waffen im Flur stapeln. Selbst Zinsen kann die hochverschuldete Firma nicht mehr bezahlen. Alles Gerüchte.
"Wir können die Angst der Menschen verstehen", sagt Ihloff. Das Geschäftsführer-Duo stellt klar: Die Zinszahlungen sind durchfinanziert, Lohnzahlungen und Weihnachtsgeld gesichert. "Das haben wir erst vor ein paar Stunden gegenüber dem Betriebsrat versichert." Und: "Im Lager ist noch Platz, schließlich bauen wir keine Panzer."
Die finanzielle Situation des Unternehmens ist unbestritten mehr als angespannt. Erst vor ein paar Tagen hat Moody’s das Rating des Waffenherstellers von Caa2 auf Caa3 heruntergestuft – mit negativem Ausblick in allen Bereichen. Aufgrund der zunehmenden rechtlichen Risiken im Waffengeschäft bezeichne Moody’s die Kapitalstruktur ohne eine zusätzliche Finanzspitze als "unhaltbar", berichtet das "Finance Magazin".
Auf die IG Metall indes ist manch ein HK-Mitarbeiter derzeit weniger gut zu sprechen. Die Delegiertenkonferenz der IG Metall Stuttgart hat im vergangenen Monat eine Resolution veröffentlicht, in der es unter anderem heißt: "Langfristig wäre wünschenswert, Rüstungsproduktion und Rüstungsexporte ganz abzuschaffen. Rüstungsproduktion ist menschenverachtend sowie eine ungeheuere unnütze Verschwendung von Ressourcen aller Art."
Die ersten Gewerkschaftsaustritte habe es daraufhin bei HK schon gegeben, sagt Lemperle.