Heckler & Koch schlage in einem Schreiben vor, vom Kaliber 5,56 Millimeter wie beim G36 wieder auf 7,62 Millimeter zu wechseln. Foto: dpa

Waffenhersteller will einem Medienbericht zufolge Änderungen für das neue Sturmgewehr erreichen.

Oberndorf/Berlin - Mitten im laufenden Vergabeverfahren für das Sturmgewehr der Zukunft hat der Waffenhersteller Heckler & Koch einen ungewöhnlichen Warnschuss abgefeuert. In einem Schreiben an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen fordert das Unternehmen eine Festlegung auf ein größeres Kaliber für die Waffen und kritisiert zugleich, es gebe keine faire und sachkundige Auswahl für das G36-Nachfolgemodell.

Zuerst berichtete die "Welt am Sonntag" über die Kritik, die für Wirbel sorgt. Sie kann auch vergaberechtliche Fragen aufwerfen, denn in dem Verfahren sind die Spielregeln für Kommunikation festgelegt. Um das Vorgängermodell G36 hat es heftige öffentliche Auseinandersetzungen gegeben, die sich um die Treffgenauigkeit in heißem Klima oder nach längeren Schussfolgen drehten.

Soldaten im Einsatz und die Streitkräfte anderer Staaten hatten sich allerdings nicht beklagt. Im Jahr 2015 verkündete von der Leyen, dass das von Heckler & Koch produzierte G36 ausgemustert und ersetzt werden soll. In der Ausschreibung für das künftige Modell gibt es keine Vorgabe für das Kaliber, also den Durchmesser der verschossenen Projektile. Allerdings gibt es Grenzen für das Maximalgewicht der Waffe und Erwartungen an die Treffgenauigkeit. Die Anbieter müssen abwägen zwischen der Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Kaliber und dem Gewicht des Modells. Das Kaliber bedingt dabei auch die Durchschlagskraft.

In der Vergangenheit wurde verkleinert: So wurde die Patrone 7,62 mm abgelöst durch eine kleinere Patrone im Kaliber 5,56 mm als Nato-Standard. Heckler & Koch liefert in diesem Kaliber Gewehre an die französische Armee, aber auch an andere Staaten. Die Ausschreibungskriterien für das neue Sturmgewehr der Bundeswehr würden zu einer Waffe führen, die "den Bedürfnissen der Truppe nicht gerecht wird", schreiben die H&K-Chefs der Ministerin. Die Kriterien umrissen ein "munitionsbedingt leistungsschwaches Gewehrmodell", das "nicht den Einsatzbedingungen und den Mindestanforderungen an den Eigenschutz der Soldaten" entspreche, zitiert "Welt am Sonntag" aus dem Bericht.

Heckler & Koch fordert eine Festlegung auf das Kaliber 7,62 mm. Mit Blick auf die Ausschreibung "sind wir unserer Verpflichtung als Fachfirma nachgekommen, unseren Kunden kompetent und umfassend bei der Auswahl des neu zu beschaffenden Standardgewehrs zu beraten", erklärt dazu Sprecher Florian Bokermann. "Ziel dieser technischen Information ist es, dass für die Soldatinnen und Soldaten eine überlegene Standardwaffe zur erfolgreichen Durchführung ihres Auftrages für alle realistischen Einsatzszenarien beschafft werden kann." Weiter wolle er das Schreiben an die Ministerin nicht kommentieren.

In der Branche wird gerätselt, was Heckler & Koch zu dem ungewöhnlichen und möglicherweise riskanten Schreiben gebracht hat. Das Unternehmen aus dem baden-württembergischen Oberndorf kämpft trotz voller Auftragsbücher und höherer Umsätze mit roten Zahlen. Der verbliebene Mitbieter Haenel (Suhl) will sich auf Anfrage zu dem Vergabevorgang nicht äußern. Andere Hersteller, wie Sig Sauer (Eckernförde), hatten sich aus der Ausschreibung zurückgezogen. Sig Sauer beklagte eine Ungleichbehandlung und machte dies auch am beschränkten Zugang zu Testmunition fest.

Im Ergebnis habe Heckler & Koch einen Vorteil. "Wenn die Industrie und das Ministerium öffentlich am Vergabeverfahren vorbei anfangen über das neue Sturmgewehr zu diskutieren, zeugt das von nichts Gutem", warnt der Grünen-Verteidigungspolitiker Tobias Lindner. "Die öffentliche Schlammschlacht um das neue Sturmgewehr macht das Vergabeverfahren angreifbar und es stellt sich die Frage, was für ein Verhalten seitens der Bundeswehr ein Unternehmen zu solchen Schritten treibt." Auch von der Vorgabe, ein marktreifes Produkt zu kaufen, sei offenbar nicht mehr viel übrig geblieben, kritisiert er.

Das Chaos beim G36 habe gezeigt, dass es bei der Beschaffung auf die Definition sinnvoller und klarer Kriterien ankommt, die auch der Einsatzpraxis standhalten. Lindner warnt: "Es wäre skandalös, wenn sich Fehler der Beschaffung des G36 auch beim Nachfolger wiederholten."