Adolf Vogt-Ladner kennt sich nicht nur mit Latein und Altgriechisch gut aus. Foto: Cools Foto: Schwarzwälder Bote

Sprachen: 40 Jahre Latein- und Altgriechisch-Literaturkreis / Adolf Vogt-Ladner ist Herzstück der Runde

Die Schriften von Cicero, die "Legenda aurea", Homers "Ilias" – Adolf Vogt-Ladner kennt sie alle. Er und der Latein- und Altgriechisch-Literaturkreis nehmen sich regelmäßig Texte vor und besprechen sie – und das schon seit nun 40 Jahren.

Oberndorf. 1979 gab es den ersten Versuch, einen Latein- und Altgriechischkurs für Anfänger an der Volkshochschule Oberndorf zu etablieren. Der kam damals nicht zustande. Stattdessen wurde daraus ein Literaturkreis für jene, die die Sprachen so beherrschen, dass sie sie gut übersetzen können, und sich gerne über die Texte und Übersetzungsmöglichkeiten austauschen.

Adolf Vogt-Ladner, der die Gruppe Anfang der 2000er übernahm, hat selbst neun Jahre lang Altgriechisch und Latein gelernt. Daran ist heute kein Denken mehr. Beide Sprachen werden nur noch an wenigen Schulen unterrichtet und oft als "tot" bezeichnet, auch wenn sie keinesfalls ausgestorben sind, sondern in vielen Sprachen und Ausdrücken weiterleben. Es erklärt jedoch, warum dem Literaturkreis der Nachwuchs fehlt.

In der Region einmalig

Unter den Mitgliedern waren und sind teilweise nicht nur Pharmazeuten wie Vogt-Ladner, sondern auch Mediziner, Juristen und Pfarrer. Inzwischen ist die Volkshochschule Oberndorf die einzige zwischen Stuttgart und Bodensee, die so etwas anbietet. Zusammen haben die Mitglieder des Literaturkreises schon einige Texte übersetzt und analysiert, darunter Schriften von Tacitus, Cicero, Erasmus von Rotterdam, Caesar, Homer, Sophokles und Platon.

"Aber wir nehmen uns nicht nur die ganz großen Nummern vor", meint Adolf Vogt-Ladner, der die Wahl der Texte gewissenhaft trifft. Kniffliges darf dabei nicht fehlen, schließlich will man ab und an gefordert werden.

Auch die Bibel haben sich die Sprachexperten schon vorgeknöpft. "Ich wollte wissen, wie nah die Übersetzung des Neuen Testaments am Urtext dran ist", erklärt Vogt-Ladner. Bei der Septuaginta, der altgriechischen Übersetzung der hebräischen heiligen Schriften – Altgriechisch war damals die Lingua franca – sehe das anders aus. Ihre Übersetzung ins Lateinische sei stark vom Vatikan beeinflusst worden, so dass manche Stellen einfach angepasst oder weggelassen worden seien, erklärt der 81-Jährige. Allein an dieser Übersetzung wurde im Literaturkreis einige Jahre lang gearbeitet.

Vogt-Ladner hat selbst rund 40 Bibeln – von der Feministinnen-Version bis zur Schwaben-Bibel. Zudem zieht er gern alte, teils historische Lexika zu Rate, um verschiedene Bedeutungen der Worte zu recherchieren. "Da wird ein Begriff drei Seiten lang beschrieben", sagt er. Kürzlich erst hat der 81-Jährige ein Essay über mehr als 20 Deutungen des Wortes "logos" verfasst.

Zu den interessantesten Werken, die er übersetzt hat, gehört die "Legenda aurea" von Jacobus, eine Sammlung von Geschichten Heiliger, die im 13. Jahrhundert verfasst wurde und im Mittelalter offenbar weiter verbreitet war als die Bibel. Spannend sei zudem Lukrez gewesen. "Den hat man uns in der kreuzkatholischen Schule vorenthalten, weil seine Schriften zu aufrührerisch waren", meint der Experte lachend.

Aktuell beschäftigt sich der Kreis immer donnerstags – Latein und Altgriechisch werden wöchentlich abgewechselt – mit dem Gallischen Krieg und der Apostelgeschichte.

Philosophische Runde

"Die Hochzeit hatte der Literaturkreis mit meinem lieben Freund Josef Christ. Der hat neun Sprachen gesprochen und mir bei schwierigen Übersetzungen auch mal nachts geschrieben, wenn er eine Lösung gefunden hatte", erinnert sich der Oberndorfer. Nun hat der Altgriechisch-Kreis noch vier, der Latein-Kreis fünf Teilnehmer.

Vogt-Ladner hat vor elf Jahren zusätzlich noch eine philosophische Gesprächsrunde ins Leben gerufen, die jedoch nicht für jeden offen ist. Die Mitglieder sucht er sich selbst aus. Darunter sind unter anderem ein 91-Jähriger, die Söhne von Josef Christ und immer wieder auch mal interessierte Abiturienten. Für Vogt-Ladner ist entscheidend, dass die Teilnehmer Interesse und Wissensdurst zeigen. Mittlerweile hat schon die 68. Gesprächsrunde stattgefunden. Die Teilnehmerzahl ist auf sechs begrenzt. Nur so komme jeder zu Wort, und ein fruchtbarer Gedankenaustausch sei möglich.

Adolf Vogt-Ladner hofft, dass sich eines Tages jemand findet, der seine Begeisterung teilt und das weiterführt, was er seit vielen Jahren so erfolgreich am Leben erhält.