250 Produkte sind nicht lieferbar: Medikamente liegen in den Regalen eines Kommissionierautomaten einer Apotheke.   Foto: Reinhardt Foto: Schwarzwälder Bote

Arzneimittel: "... dann haben alle ein Problem": Chef des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels über Lieferengpässe

  Thomas Trümper (69), promovierter Maschinenbauingenieur aus Fischingen (Kreis Lörrach), war 25 Jahre im Pharmagroßhandel in führenden Positionen tätig. Seit 2006 ist er Vorsitzender des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels mit Sitz in Berlin. Außerdem ist er Vorstandsmitglied im Dachverband des europäischen Großhandels GIRP in Brüssel.

Lörrach. Die Arznei-Lieferengpässe in Deutschland sorgen derzeit für Schlagzeilen. Wie komplex das Thema ist und wie vielschichtig die Ursachen sind, verdeutlicht Thomas Trümper, Vorsitzender des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels, im Gespräch mit unserer Zeitung.

Herr Trümper, wie groß sind nach Ihren Erkenntnissen die Lieferengpässe?

In Deutschland gibt es 50 000 verschreibungspflichtige Medikamente. Wir vom Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels haben vor drei Jahren eine Erhebung über nicht lieferbare Medikamente gemacht und kamen damals auf 250. Inzwischen dürfte die Zahl höher liegen.

Ist ein Lieferengpass zugleich ein Versorgungsengpass?

Nicht in jedem Fall. Das trifft nur zu, wenn es für ein verschreibungspflichtiges Medikament kein Ersatzpräparat gibt. Doch selbst ein solches Generika mit dem selben Wirkstoff, das es aber nicht für jedes Medikament gibt, ist unter Umständen für viele Patienten nicht verträglich. Das ist die Problematik.

Was ist denn die Ursache für knappe Arzneien?

Das ist ein sehr komplexes Thema. Es gibt nämlich zwei Märkte, zum einen einen Apothekenmarkt und zum anderen einen Krankenhausmarkt.

Worin unterscheiden sich diese?

Die Apotheken werden zum großen Teil vom Großhandel beliefert, die Krankenhäuser dagegen fast ausschließlich vom Pharmahersteller. Und die Krankenhausapotheker beklagen seit Jahren Lieferengpässe. Die Pharmaproduzenten sind aus zwei Gründen nicht lieferfähig: Sie haben Produktionsstätten abgebaut und oftmals die Herstellung von Medikamenten zu Lohnfertigern verlagert. Außerdem hat sich unter dem allgemeinen Kostendruck die Produktion der Wirkstoffe derart konzentriert, dass es in der gesamten Welt nur noch einen Hersteller pro Medikament und Wirkstoff gibt. Dabei wurde die Produktion aus Kostengründen teilweise in Länder wie Bangladesch verlagert. Dies mit der Konsequenz, dass zwar die Herstellung der Medikamente und Wirkstoffe akribisch kontrolliert wird, es aber aufgrund der Entfernung zu Problemen bei der Lieferung kommt. Oder wenn die Qualitätskontrolle in Bangladesch ein Produkt nicht freigibt, dann haben alle ein Problem.

Offenbar scheint dieser Effekt immer häufiger einzutreten, wie die zunehmenden Klagen über Lieferengpässe zeigen.

Das betrifft genauso den Apothekenmarkt, wobei hier noch andere Effekte hinzukommen wie die Rabattverträge.

Was hat es damit auf sich?

Die Krankenkassen schreiben bestimmte Wirkstoffe aus. Dabei bewerben sich auch Generika-Firmen und machen teilweise extrem hohe Preiszugeständnisse. Für Krankenkassen ist es aber oft schwierig zu prüfen, wie lieferfähig eine Firma ist, die sich um den Auftrag bemüht. Apotheken wiederum sind verpflichtet, das Rabattarzneimittel zu verkaufen. Ein weiteres Problem sind die Exporte von Medikamenten. Deutschland ist nicht mehr das Land mit den höchsten Arzneimittelpreisen. Inzwischen gibt es einige Medikamente, die im europäischen Ausland deutlich teurer sind. Deshalb hat sich im Rahmen des freien Warenverkehrs ein Markt entwickelt, den einige Firmen bedienen und Medikamente aus Deutschland ins Ausland exportieren. Dies wiederum bedeutet einen Ertragsverlust für die Pharmaindustrie in den betreffenden Ländern.

Was haben die Exporte von Medikamenten mit den Lieferengpässen zu tun?

Um die Exporte zu verhindern, kontingentiert die Pharmaindustrie die Medikamente an den Pharmagroßhandel, was zwangsläufig zu Lieferengpässen führt. In Belgien beispielsweise hat die Regierung jüngst ein Exportverbot beschlossen, was in der EU-Kommission zu heftigen Diskussionen führt.

Ist ein Exportverbot von Arzneimitteln auch in Deutschland ein Thema?

Das ist nicht denkbar bei uns, weil der Gesetzgeber seit vielen Jahren die deutschen Apotheken verpflichtet, einen bestimmten Anteil an preiswerten Importarzneimitteln abzugeben. Man spricht hier von der Importquote.

Hat der Gesetzgeber eine Handhabe, gegen Arznei-Lieferengpässe in Deutschland vorzugehen?

Es ist für den Gesetzgeber schwierig, die tatsächlichen Ursachen für Lieferengpässe herauszufinden. Einen Überblick über Lieferung und Lagerbestände kann nur in akkreditierter Form erfolgen, weil es eine Wettbewerbsfrage ist, wie viele Produkte ein Pharmagroßhändler in seinem Lagerbestand hat. Transparenz ist zwar notwendig, doch letztlich kann die Übersicht nur eine Momentaufnahme sein, denn die Läger der Großhändler werden mehr als 20-mal im Jahr umgeschlagen.

Befasst sich die Politik mit dem Thema Verteilung von Arzneien?

Seit Jahren ist sie an dem Thema dran. Es gibt im Bundesgesundheitsministerium einen runden Tisch mit Vertretern von Verbänden, Apothekern, Herstellern und Großhändlern, die sich über die Probleme austauschen. Es wäre sinnvoll, wenn diese Einrichtung mit mehr Kompetenzen ausgestattet würde.   Die Fragen stellte Siegfried Feuchter.

Lörrach. Die Arznei-Lieferengpässe in Deutschland sorgen derzeit für Schlagzeilen. Wie komplex das Thema ist und wie vielschichtig die Ursachen sind, verdeutlicht Thomas Trümper, Vorsitzender des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels, im Gespräch mit unserer Zeitung.

Herr Trümper, wie groß sind nach Ihren Erkenntnissen die Lieferengpässe?

In Deutschland gibt es 50 000 verschreibungspflichtige Medikamente. Wir vom Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels haben vor drei Jahren eine Erhebung über nicht lieferbare Medikamente gemacht und kamen damals auf 250. Inzwischen dürfte die Zahl höher liegen.

Ist ein Lieferengpass zugleich ein Versorgungsengpass?

Nicht in jedem Fall. Das trifft nur zu, wenn es für ein verschreibungspflichtiges Medikament kein Ersatzpräparat gibt. Doch selbst ein solches Generika mit dem selben Wirkstoff, das es aber nicht für jedes Medikament gibt, ist unter Umständen für viele Patienten nicht verträglich. Das ist die Problematik.

Was ist denn die Ursache für knappe Arzneien?

Das ist ein sehr komplexes Thema. Es gibt nämlich zwei Märkte, zum einen einen Apothekenmarkt und zum anderen einen Krankenhausmarkt.

Worin unterscheiden sich diese?

Die Apotheken werden zum großen Teil vom Großhandel beliefert, die Krankenhäuser dagegen fast ausschließlich vom Pharmahersteller. Und die Krankenhausapotheker beklagen seit Jahren Lieferengpässe. Die Pharmaproduzenten sind aus zwei Gründen nicht lieferfähig: Sie haben Produktionsstätten abgebaut und oftmals die Herstellung von Medikamenten zu Lohnfertigern verlagert. Außerdem hat sich unter dem allgemeinen Kostendruck die Produktion der Wirkstoffe derart konzentriert, dass es in der gesamten Welt nur noch einen Hersteller pro Medikament und Wirkstoff gibt. Dabei wurde die Produktion aus Kostengründen teilweise in Länder wie Bangladesch verlagert. Dies mit der Konsequenz, dass zwar die Herstellung der Medikamente und Wirkstoffe akribisch kontrolliert wird, es aber aufgrund der Entfernung zu Problemen bei der Lieferung kommt. Oder wenn die Qualitätskontrolle in Bangladesch ein Produkt nicht freigibt, dann haben alle ein Problem.

Offenbar scheint dieser Effekt immer häufiger einzutreten, wie die zunehmenden Klagen über Lieferengpässe zeigen.

Das betrifft genauso den Apothekenmarkt, wobei hier noch andere Effekte hinzukommen wie die Rabattverträge.

Was hat es damit auf sich?

Die Krankenkassen schreiben bestimmte Wirkstoffe aus. Dabei bewerben sich auch Generika-Firmen und machen teilweise extrem hohe Preiszugeständnisse. Für Krankenkassen ist es aber oft schwierig zu prüfen, wie lieferfähig eine Firma ist, die sich um den Auftrag bemüht. Apotheken wiederum sind verpflichtet, das Rabattarzneimittel zu verkaufen. Ein weiteres Problem sind die Exporte von Medikamenten. Deutschland ist nicht mehr das Land mit den höchsten Arzneimittelpreisen. Inzwischen gibt es einige Medikamente, die im europäischen Ausland deutlich teurer sind. Deshalb hat sich im Rahmen des freien Warenverkehrs ein Markt entwickelt, den einige Firmen bedienen und Medikamente aus Deutschland ins Ausland exportieren. Dies wiederum bedeutet einen Ertragsverlust für die Pharmaindustrie in den betreffenden Ländern.

Was haben die Exporte von Medikamenten mit den Lieferengpässen zu tun?

Um die Exporte zu verhindern, kontingentiert die Pharmaindustrie die Medikamente an den Pharmagroßhandel, was zwangsläufig zu Lieferengpässen führt. In Belgien beispielsweise hat die Regierung jüngst ein Exportverbot beschlossen, was in der EU-Kommission zu heftigen Diskussionen führt.

Ist ein Exportverbot von Arzneimitteln auch in Deutschland ein Thema?

Das ist nicht denkbar bei uns, weil der Gesetzgeber seit vielen Jahren die deutschen Apotheken verpflichtet, einen bestimmten Anteil an preiswerten Importarzneimitteln abzugeben. Man spricht hier von der Importquote.

Hat der Gesetzgeber eine Handhabe, gegen Arznei-Lieferengpässe in Deutschland vorzugehen?

Es ist für den Gesetzgeber schwierig, die tatsächlichen Ursachen für Lieferengpässe herauszufinden. Einen Überblick über Lieferung und Lagerbestände kann nur in akkreditierter Form erfolgen, weil es eine Wettbewerbsfrage ist, wie viele Produkte ein Pharmagroßhändler in seinem Lagerbestand hat. Transparenz ist zwar notwendig, doch letztlich kann die Übersicht nur eine Momentaufnahme sein, denn die Läger der Großhändler werden mehr als 20-mal im Jahr umgeschlagen.

Befasst sich die Politik mit dem Thema Verteilung von Arzneien?

Seit Jahren ist sie an dem Thema dran. Es gibt im Bundesgesundheitsministerium einen runden Tisch mit Vertretern von Verbänden, Apothekern, Herstellern und Großhändlern, die sich über die Probleme austauschen. Es wäre sinnvoll, wenn diese Einrichtung mit mehr Kompetenzen ausgestattet würde.   Die Fragen stellte Siegfried Feuchter.