Stammsitz in Oberndorf am Neckar. Foto: dpa

Waffenlieferung nach Mexiko: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen sechs Ex-Mitarbeiter. Was wusste die Top-Etage?

Oberndorf/Stuttgart - Es gibt Unruheprovinzen in Mexiko, in die sich nicht einmal Politiker im Wahlkampf trauen. Kein Wunder, werden dort doch Bürgermeister erschossen, Wahlkämpfer getötet, Militärhubschrauber abgeschossen, Menschen entführt – weil Drogenkartelle oder Banden sie aus dem Weg räumen. Sicherheit gibt es so gut wie nicht, selbst Teile der Polizei sind in dunkle Machenschaften verstrickt.

In eben solche Unruheprovinzen sind deutsche Gewehre gelangt, die dort nichts verloren haben. Die Waffen sowie Zubehör sollen in mexikanische Bundesstaaten geliefert worden sein, die nicht von den deutschen Exportgenehmigungen umfasst waren. Grund genug für die Staatsanwaltschaft Stuttgart, Anklage zu erheben.

Mehr als fünf Jahre dauerten die Ermittlungen – Auslöser war eine Anzeige. Nun bahnt sich ein Mammutverfahren für den Südwesten an. Der konkrete Vorwurf trifft ehemalige Mitarbeiter der Rüstungsschmiede Heckler & Koch (HK), die ihren Hauptsitz im baden-württembergischen Oberndorf (Kreis Rottweil) hat. Seit gestern ist klar: Sechs Ex-Beschäftigte werden angeklagt wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsgesetz.

Was wusste die Top-Etage?

In den Jahren 2006 bis 2009 waren sie – so die Anklage – in unterschiedlichen Funktionen an 16 Lieferungen von Gewehren und Zubehörteilen nach Mexiko beteiligt. "Wobei die Gewehre und Zubehörteile mit Kenntnis der Angeschuldigten in mexikanische Bundesstaaten abgegeben worden sein sollen, die nicht von den deutschen Exportgenehmigungen umfasst waren", formuliert es die Staatsanwaltschaft. "Die Anklage richtet sich gegen einen vormals für die Firma in Mexiko tätigen Verkaufsrepräsentanten, gegen eine Vertriebsmitarbeiterin, zwei ehemalige Vertriebsleiter sowie gegen zwei ehemalige Geschäftsführer."

Und damit wird die Sache noch brisanter. Denn bislang machte Heckler & Koch vor allem einen Vertriebsleiter und eine Vertriebsmitarbeiterin für die mutmaßlichen Lieferungen verantwortlich. Sie seien eigenmächtig "ohne Wissen und Wollen anderer Personen im Unternehmen" vorgegangen, hieß es 2013. Und noch im Mai 2015, als Zollfahnder anregten, fünf frühere Führungskräfte und Mitarbeiter der Firma wegen Zuwiderhandlungen gegen das Kriegswaffenkontroll- und das Außenwirtschaftsgesetz anzuklagen, hieß es: "Die Ermittlungen beziehen sich auf ehemalige Mitarbeiter des Unternehmens." Gestern gibt der Waffenhersteller keine Stellungnahme mehr zu diesem Aspekt ab.

Wie passt dazu, dass auch Geschäftsführer angeklagt sind? Wusste die Top-Etage, die Führungsebene doch Bescheid? Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Claudia Krauth, sagte unserer Zeitung: "Tatsächlich kann man im deutschen Strafrecht keine Firma anklagen, weil man immer Personen braucht, die man – plastisch gesagt – ins Gefängnis schicken kann." Das aber bedeute nicht, dass ein Unternehmen außen vor sei. "Eine sogenannte Verbandsgeldbuße steht im Raum, das wird im Prozess geklärt."

Die Strafen, die den früheren Mitarbeitern drohen, sind happig. Für eine einzige Straftat wegen eines Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz seien ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe vorgesehen, erklärt Krauth. Für Verstöße im Zusammenhang mit dem Außenwirtschaftsgesetz nicht unter ein Jahr, höchstens 15 Jahre – auch hier bei nur einer Tat.

Die 13. Kammer des Landgerichts Stuttgart wird über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. Das kann dauern – denn noch läuft dort ein anderes großes Verfahren: der Porsche-Prozess. HK gab gestern indes nur eine knappe Mitteilung heraus. Das Unternehmen "sieht der Beurteilung des Sachverhalts mit der Erwartung entgegen, dass die Sach- und Rechtslage durch ein unabhängiges Gericht nun abschließend geklärt wird".

Bis zum tatsächlichen Abschluss wird es aber noch dauern: Nicht nur gegen die nun sechs Angeklagten wird ermittelt, sondern auch wegen Bestechung eines Amtsträgers, um eine Ausfuhrerlaubnis nach Mexiko zu erhalten. Das ist zwar ein anderer Fall, ein anderes Verfahren. Aber: "Die Ermittlungen laufen", sagt Krauth. Ende offen.